Rubrik:
orientieren
06.05.2025
Unangemessene Witze
In den vergangenen Monaten habe ich durch mein neues Umfeld und meine Verzweiflung, mit Menschen in Kontakt zu kommen, den Reflex entwickelt, einfach draufloszureden. Und zwar mit jedem, der mir zufällig über den Weg lief.
Vor einigen Wochen war ich in der Bahn auf dem Weg nach Wilhelmshaven. Eine Frau bemerkte beim Aussteigen an ihrer Haltestelle, dass ihr Rucksack nicht mehr da ist. Obwohl auch die anderen Passagiere mitgeholfen haben, haben wir ihn nicht gefunden. Wir haben überall geguckt: unter den Tischen, in den Fußräumen, im Kofferbereich. Aber irgendwie war er verschwunden. Natürlich tat mir die Frau total leid. Ich hoffe, sie hat ihren Rucksack später wiedergefunden.
In diesem Moment kam mir plötzlich ein scherzhafter Gedanke, und dieser fing an, in mir zu brummeln. Ich musste ihn unbedingt mit jemanden teilen, und zwar so schnell wie möglich. Wer, war mir egal. Somit drehte ich mich zu der Frau neben mir, und ohne nachzudenken sagte ich mit schmunzelndem Gesichtsausdruck: Vielleicht ist er ja auf ihrem Rücken. Natürlich war er NICHT auf ihrem Rücken. Sowas Ähnliches erwiderte die Frau auch, in einem eher verwirrten und trockenen Ton. Das wusste ich auch. NATÜRLICH war er nicht auf ihrem Rücken. Deswegen fand ich die Aussage ja so witzig.
Das Bedürfnis, in menschlichen Austausch zu kommen, verwandelt mich in eine Person, die anscheinend ihre Furcht vor Zurückweisung in der Vergangenheit gelassen hat. Alleine der Sarkasmus und der Wunsch, mit jemandem zu scherzen, hat mich zu diesem Plappern animiert. Die Möglichkeit von menschlicher Verbindung bereitet mir eine Vorfreude , die mich von meinen sozialen Ängsten erlöst. Manchmal mehr, manchmal weniger. Wenn mein Schatten der Angst nicht da ist, wie zu jenem Zeitpunkt, fühle ich mich frei.
Dieses Mal mag es nicht funktioniert haben. Aber wer weiß, was meine Scherze beim nächsten Mal erreichen, wenn ich mit der Bahn unterwegs bin.