Immer freitags war Unitag. Vom Schulunterricht befreit ging Julia Abspacher statt in die Q11 ihres Gymnasiums von 9 bis 17 Uhr an die LMU München. Ein Semester lang besuchte sie Veranstaltungen unter anderem in Chemie, Mathematik, BWL und auch Archäologie: „Natürlich geht einem in der Zeit der Schulstoff ab. Den musste ich nachholen“, erzählt die 21-Jährige. „Aber es war auch unglaublich spannend, weil ich so viele Einsichten in das breite Fächerspektrum gewinnen konnte. Zudem hat mir der Unitag bestätigt, dass am besten die wirtschaftswissenschaftlichen Themen zu mir passen.“ Mittlerweile studiert Julia Abspacher BWL an der LMU und ist froh, das Orientierungsangebot genutzt zu haben.
Der Unitag, den die LMU München anbietet, richtet sich an begabte und leistungsstarke Schüler, die häufig in vielen Fächern gut sind. „Ziel des Unitags ist es, eine fundierte Studienentscheidung treffen zu können“, erklärt Andrea Lutz, akademische Studienberaterin der Zentralen Studienberatung der LMU München. „Wer viele Interessensschwerpunkte hat, dem fällt es oft schwer, sich für ein Studienfach zu entscheiden.“
Junior-, Früh- oder Schülerstudium
Ein weiteres Programm der Universität ist das Frühstudium, das es Schülern ermöglicht, ausgewählte Lehrveranstaltungen zu besuchen und auch erste Prüfungen abzulegen. Viele Universitäten bieten ähnliche Angebote unter der Bezeichnung Junior-, Früh- oder Schülerstudium. „Wie das Studium im Detail geregelt ist, bestimmt jede Uni selbst“, erklärt Andrea Lutz.
Neben solchen Angeboten, die speziell auf Schüler zugeschnitten sind und häufig sehr leistungsstarke Schüler ansprechen, bieten mittlerweile viele Hochschulen ein Orientierungssemester oder -jahr für alle an, die Abitur oder Fachhochschulreife mitbringen – eine Art Probestudium vor dem eigentlichen Studium (siehe auch den Beitrag „Wie geht studieren?“). Nicht zu verwechseln ist das Frühstudium mit fächerübergreifenden Programmen, die unter dem Namen „Studium generale“ von manchen Hochschulen angeboten werden und als Ergänzung zum regulären Studium gedacht sind, um über den fachlichen Tellerrand hinauszuschauen. Ebenfalls nicht verwechselt werden sollten Orientierungssemester mit Vor- oder Einführungskursen, die Erstsemester vor dem regulären Studienstart besuchen können.
Orientierungsangebote für jeden
Es muss nicht gleich ein Früh- oder Orientierungsstudium sein. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Veranstaltungsformate, die einen Einblick in den Hochschulalltag gewähren. Dazu gehören Veranstaltungen wie Tage der offenen Tür, Schnuppervorlesungen, Tandemtage oder auch Studienorientierungstage- und wochen, die oft von Vorträgen und Führungen begleitet werden. „Viele Veranstaltungen finden in den Schulferien statt, manche sind mit einer Anmeldung verbunden“, erzählt Andrea Lutz.
Ganz unkompliziert ist zum Beispiel die Option, einen Studierenden in eine Vorlesung oder ein Seminar zu begleiten, anschließend beim Mittagessen in der Mensa Fragen zu klären und nebenbei noch einen Rundgang durch die Universität zu bekommen (siehe auch den Beitrag „Vorurteile aus dem Weg räumen“). An der LMU gibt es etwa die LMU-Schnupperstunden, an der Uni Würzburg Tandemtage und das Programm „studylive“, an der Uni Bremen das Projekt Studienlots*innen, an der Uni Paderborn die Initiative „Komm mit!“ (Eine Auswahl an Angeboten findest du in der Übersicht „Das Studium vor dem Studium“.)
Auch auf eigene Faust kann man den Hochschulalltag erkunden: „Eine Vorlesung zu besuchen ist unproblematisch. Sich einfach in Seminare oder Übungen zu setzen, in denen in kleinen Gruppen gearbeitet wird, ist aber nicht ratsam“, meint Andrea Lutz. Am besten informiert man sich daher vorher: An der LMU gibt es eigens ein Schnuppervorlesungsverzeichnis, in dem geeignete Veranstaltungen aufgelistet sind.
Stippvisite in den Schulferien
Ein Probestudium inklusive Workshop kann man in manchen Studiengängen in den Schulferien absolvieren. Meist ist hierfür eine Anmeldung erforderlich. Die Plätze sind begrenzt und in beliebten Studienfächern schnell vergeben: „In diesem Fall kann man auch auf ein verwandtes Fach ausweichen, da die Arbeitsweise häufig ähnlich ist“, weiß Andrea Lutz. In jedem Fall lernen Studieninteressierte so auch die Atmosphäre auf dem Campus und im Hörsaal kennen.
Ob mit Anmeldung oder ohne: „Schüler sollten diese Angebote in jedem Fall wahrnehmen, um inhaltliche Enttäuschungen im Vorfeld zu vermeiden“, merkt die Studienberaterin an. Denn selbst wenn man glaubt, ein Fach aus der Schule zu kennen, kann man daraus nicht auf das Studium schließen. „Das Fach Deutsch hat zum Beispiel nur bedingt etwas mit einem Germanistik-Studium zu tun“, betont Andrea Lutz.
Orientierung hilft Studienabbruch zu vermeiden
Wie notwendig eine individuelle Vorbereitung ist, zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung: 29 Prozent der Bachelorstudierenden brechen ihr Studium ab. „Hohe Leistungsanforderungen und mangelnde Motivation sind zwei häufige Motive“, sagt Studienberater Stefan Biernath von der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Viele haben in der Oberstufe den Kopf nicht wirklich frei, um sich über die Zeit nach dem Abi Gedanken zu machen. Aber bevor man sich überstürzt irgendwo einschreibt, sollte man auf jeden Fall die Orientierungsangebote nutzen, und zwar, um die Studiengänge und auch sich selbst besser kennenzulernen“, empfiehlt er.
Auch, wer den Unterschied zwischen FH und Uni ergründen möchte, kann hierfür Orientierungsangebote nutzen (siehe auch den Erfahrungsbericht „Null Semester, aber viel gelernt“). „Sowas kann man in der Beratung nur schwer vermitteln. Besser ist es, wenn die Abiturienten es selbst erleben“, meint Stefan Biernath.
Weitere Informationen
studienwahl.de
Infoportal der Stiftung für Hochschulzulassung in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit. Im „finder“ kannst du nach Studiengängen in ganz Deutschland suchen.
www.studienwahl.de
Hochschulkompass
Informationen über deutsche Hochschulen, deren Studienangebote, Ansprechpartner und internationale Kooperationen.
www.hochschulkompass.de
Stiftung für Hochschulzulassung – hochschulstart.de
Portal für die Vergabe von bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen
www.hochschulstart.de
Studieren Probieren: Vorlesungen zum Reinschnuppern an der LMU München
Im Veranstaltungskalender der LMU München können sich Studieninteressierte für Lehrveranstaltungen anmelden, in die sie hineinschnuppern möchten.
www.uni-muenchen.de/studium/beratung/beratung_service/beratung
_lmu/schulkontakte/angebote/studieren_probieren/index.html
Tandem-Tag und „studylive“ an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
An einem Tandem-Tag hat du die Möglichkeit, einen Studierenden einen Tag lang an der Uni Würzburg zu begleiteten. „studylive“ bietet die Möglichkeit, einen Studierenden über längere Zeit zu begleiten.
www.uni-wuerzburg.de/fuer/studierende/zsb/veranst/tandem_tag
„Komm mit!“ an der Uni Paderborn
An der Uni Paderborn kannst du einen Tag lang Studierende deines Wunschstudiengangs begleiten.
https://zsb.uni-paderborn.de/en/schnupperangebote/komm-mit-studierende-einen-tag-lang-begleiten
Studienlots*innen
Auch an der Uni Bremen hast du die Option, Studierende für einen Tag zu begleiten.
www.uni-bremen.de/studium/orientieren-bewerben/studienorientierung/studienlotsinnen.html
OneWeekExperience
Über das Portal kannst du nach Studiengängen und Hochschulorten suchen, die ein Probestudium für eine Woche ermöglichen.
www.oneweekexperience.de