Julie Wiesen
Foto: privat
Das Theater ist für viele Menschen ein Traumarbeitsplatz – obwohl die Berufe dort so manche Entbehrung fordern. Doch wer einmal in diese Welt eingetaucht ist, will sie kaum mehr verlassen.
Am Ende wurde es noch einmal stressig. Die Premiere stand vor der Tür und das Bühnenbild für das neue Stück musste ganz besonders sein: Ein riesiger Baum sollte in der Mitte stehen und am Ende der Aufführung dramatisch umfallen. Der Baum jedoch, den die beauftragte Firma lieferte, war – um es gelinde auszudrücken – nicht ganz das, was sich der Regisseur des Stücks vorgestellt hatte. „Er war einfach mickrig“, erzählt Julie Wiesen, „darin waren wir uns mit dem Regisseur sofort einig und es stand fest, dass wir uns schnell um eine Alternative kümmern müssen.“
Sofort. Schnell. Alternative. Für die Bühnenbildassistentin gehören diese Worte zum Berufsalltag. Die 34-Jährige arbeitet an den Kölner Bühnen und begleitet dort gemeinsam mit fünf weiteren Assistentinnen die Arbeit der Bühnenbildner. Eine Stelle, die sie trotz manch stressigem Tag um nichts in der Welt eintauschen würde.
Julie Wiesen
Foto: privat
Vielen jungen Leuten geht es wie der gebürtigen Grevenbroicherin. Schauspiel, Musik, Tanz oder Gesang – tausende Schüler/-innen träumen von der großen Karriere auf den Brettern, die die Welt bedeuten; oft seit ihrer Kindheit.
Deutschlandweit arbeiten an den öffentlichen Theatern zurzeit knapp 40.000 Menschen. Doch nicht alle stehen auf der Bühne. Die meisten von ihnen sind – wie Julie Wiesen – im Hintergrund tätig.
„Viele Berufe sind der breiten Öffentlichkeit gar nicht bekannt“, sagt Vera Scory-Engels vom Deutschen Bühnenverein. „Wer denkt bei einem Besuch einer Theateraufführung schon daran, wie viele Menschen im Vorfeld dafür gesorgt haben, dass das Stück ein Erfolg wird?“ Es braucht nicht nur Regisseure/-innen und Schauspieler/-innen, sondern unter anderem auch Masken- oder Kostümbildner/-innen, Beleuchter/-innen, Schuhmacher/-innen, Tischler/-innen und Rüstmeister/-innen. Je nach Größe des Hauses betreiben die Theater sogar eine eigene Schreinerei. „Es gibt Leute, die sich um das Marketing kümmern, Dramaturgen/-innen, die die Texte schreiben und Disponenten/-innen, die unter anderem dafür verantwortlich sind, die Dienstpläne zu schreiben.“
Vera Scory-Engels
Foto: Cornelis Gollhardt
Sogar Berufe, die andernorts als aussterbend gelten, sind am Theater noch Alltag – etwa der des Modisten/der Modistin oder des Maßschneiders/der Maßschneiderin. Viele Tätigkeitsfelder bieten auch Quereinsteigern eine Chance. „Nicht für alle Berufe braucht man einen akademischen Abschluss. Dirigent(inn)en oder Komponist(inn)en haben allerdings meist Musik, Dramaturg(inn)en häufig Theaterwissenschaft oder Germanistik studiert und Schauspieler/-innen in der Regel eine Schauspielschule besucht“, erklärt Vera Scory-Engels, die die Tätigkeiten allesamt als spannend bezeichnet. Sie verweist jedoch auch auf weniger angenehme Seiten: „Die künstlerischen Berufe bieten nur wenig Sicherheit, denn die Stellen sind meistens befristet. Man muss arbeiten, wenn andere Feierabend haben, am Abend und an den Wochenenden, und reich wird man am Theater meist nicht.“
Der Beliebtheit tut das jedoch keinen Abbruch. Jedes Jahr bewerben sich Tausende um Stellen an einem der 142 öffentlich getragenen Staats- und Stadttheater, an den Landesbühnen sowie den 199 privaten Theatern des Landes. Die Konkurrenz ist folglich groß, nicht jeder kann es schaffen: „Aber wer sich reinhängt, Ausdauer zeigt und natürlich das entsprechende Talent besitzt, wird seinen Weg machen“, macht Vera Scory-Engels Mut.
Wer sich für eine Tätigkeit am Theater interessiert, sollte frühzeitig Praxisluft schnuppern, rät die Expertin: „Nicht nur, um wichtige Kontakte zu knüpfen, sondern auch um einen realistischen Eindruck zu bekommen und die eigenen Fähigkeiten abzuklopfen: Bin ich stressresistent, schnell, teamfähig und flexibel? Und schaffe ich es nicht durchzudrehen, wenn kurz vor der Premiere noch mal alles umgeworfen wird?“
Beantwortet man diese Fragen mit ja, kann es einem gehen wie Julie Wiesen: Sie hat sich mit der Anstellung am Theater einen Traum erfüllt.
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berufenet.arbeitsagentur.de
Bundesverband der Theater und Orchester
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Aktualisiert: 01.09.2021
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