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Studium unter erschwerten Bedingungen: Geschichte studieren – trotz Legasthenie

Einen Text schnell lesen, verstehen und den Inhalt anschließend in einer Prüfung wiedergeben – das ist für Anton Tartz eine große Herausforderung. Denn der 20-Jährige leidet unter einer angeborenen Lese-Rechtschreib-Störung – bekannt als Legasthenie. Trotz dieser Teilleistungsstörung hat der Berliner sich für ein Studium an der Freien Universität eingeschrieben.

Ein Mann liest ägyptische Schriftzeichen auf einer Steinwand.

Zum Start in das Wintersemester 2020/21 besuchte Anton Tartz an der Freien Universität Berlin die Einführungsveranstaltungen in den Fächern Geschichte sowie Sozial- und Kulturanthropologie. Dort hat er unter anderem erfahren, wie er sich seinen Stundenplan zusammenstellt. Für die Beantragung eines Nachteilsausgleichs will er sich so bald wie möglich an die Studienberatung und den Behindertenbeauftragten der Universität wenden. „Grundsätzlich gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Nachteilsausgleich. Welche Hilfe konkret bewilligt wird, ist aber an jeder Uni und in jedem Studiengang anders“, weiß er. Der junge Mann hat inzwischen schon viel Erfahrung damit, sich aktiv eine solche Unterstützung einzuholen.

Abitur trotz Legasthenie

Porträtfoto von Anton Tartz Porträtfoto von Anton Tartz

Anton Tartz

Schon in der Grundschule wurde klar, dass er Probleme beim Lesen und Schreiben hat. Ein psychologischer Test bescheinigte schließlich seine Legasthenie. Die anderen Kinder hängten Anton Tartz immer schneller ab. Nach der Grundschule besuchte er ein bilinguales Gymnasium, wo er sich richtig gut aufgehoben fühlte. „Es gab dort viele Gruppenarbeiten, in die ich meine fachlichen Stärken einbringen konnte. Außerdem durfte ich einen Computer nutzen, der mir vorlas und dem ich Texte diktieren konnte“, erinnert sich der Berliner. Mithilfe dieser technischen Hilfsmittel kann er seine Rechtschreibfehler schneller erkennen.

So schaffte Anton Tartz schließlich das, was vorher niemand erwartete: erst den Mittleren Schulabschluss und danach, mithilfe der Unterstützung durch eine Schreibkraft, das Abitur. Eine besondere Herausforderung stellte für den Legastheniker die Prüfungsvorbereitung dar, denn viele der gängigen Strategien konnte er aufgrund seiner Teilleistungsschwäche nicht nutzen. „Weil mir das Schreiben und Lesen schwerfällt, kann ich mir den Stoff nicht so gut mit Hilfe von Karteikarten einprägen“, erklärt Anton Tartz. „Stattdessen habe ich mir angewöhnt, die Inhalte durch Zeichnungen zu visualisieren und die Themen immer wieder mit den anderen durchzusprechen.“

Die richtige Unterstützung finden

Falls es während des Studiums nötig ist, will Anton Tartz auch die psychologische Beratung der Hochschule in Anspruch nehmen. Bisher ist er aber ohne psychologische Hilfe ausgekommen. Lange Zeit bekam Anton Tartz Unterstützung durch eine Lerntherapie. Dort setzte er sich mit Strategien auseinander, die ihm helfen sollten, Texte zu verstehen und seine Rechtschreibfehler zu erkennen. Noch hilfreicher war für ihn aber der Austausch mit anderen Betroffenen. Über die „Jungen Aktiven“, die Jugendorganisation des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BVL), bei der er sich mittlerweile auch selbst engagiert, lernte er andere junge Menschen kennen, die trotz ihrer Teilleistungsschwäche viel erreicht haben. Er sagt: „Vorher war ich unsicher, ob ich das Abitur schaffen würde. Dann habe ich erkannt, dass die Lese-Rechtschreib-Störung wie ein Hügel ist, über den ich klettern muss – und dass das durchaus möglich ist. Das war sehr aufbauend“.