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Interview: Neue Wege für internationale Fachkräfte

Internationale Fachkräfte sind für den deutschen Arbeitsmarkt unverzichtbar. Welche Hürden gibt es noch und welche Fortschritte wurden erzielt? Dr. Tanja Fendel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erläutert, wie sich die Zuwanderung entwickelt und welche Maßnahmen die Integration erleichtern.

Ein Arbeiter mit arabischem Aussehen überprüft einen Feuerlöscher in einem Warenlager und macht sich Notizen dazu.

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abi» Frau Dr. Fendel, welche aktuellen Entwicklungen sehen Sie bei der Zuwanderung und Integration von Fachkräften in Deutschland?

Tanja Fendel: Der demografische Wandel führt dazu, dass sich laut KfW-ifo Fachkräftebarometer mehr als die Hälfte der Unternehmen durch den Fachkräftemangel behindert fühlen. Das betrifft fast alle Branchen. Die Zuzugsströme der letzten Jahre kamen vor allem aus EU-Ländern, insbesondere aus Osteuropa. Das wird sich aller Voraussicht nach ändern, da diese Länder selbst vor hohen demografischen Herausforderungen stehen. Die Erwerbsmigration aus Drittstaaten wird deshalb eine größere Rolle spielen. Um den Zuzug zu erleichtern, wurden verschiedene gesetzliche Änderungen bewirkt. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) und seine Weiterentwicklung bietet ein großes Potenzial, um qualifizierten Fachkräften den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Unsere Expertin

Porträtfoto von Dr. Tanja Fendel Porträtfoto von Dr. Tanja Fendel

Dr. Tanja Fendel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) forscht unter anderem zu Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung (INTER).

abi» Was sind die Herausforderungen für internationale Fachkräfte?

Tanja Fendel: Unsere Befragungen zeigen zwei zentrale Hürden: Bürokratie und private Herausforderungen. Ein großes Problem ist die Visumsbeantragung, die für Drittstaatsangehörige komplex sein kann. Auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist anspruchsvoll, da das deutsche Bildungssystem – insbesondere die duale Ausbildung – international kaum vergleichbar ist. Viele erhalten zunächst nur eine Teilanerkennung und müssen zusätzliche Maßnahmen durchlaufen. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung dauerte der Prozess insgesamt in den letzten Jahren durchschnittlich eineinhalb Jahre. Im privaten Bereich sind der Familiennachzug und die Arbeitssuche für Partnerinnen und Partner große Themen. Dabei geht es nicht nur darum, die Familie nach Deutschland zu holen, sondern auch darum, eine passende Arbeitsstelle zu finden.

abi» Wurden Maßnahmen ergriffen, um Fachkräften den Einstieg zu erleichtern?

Tanja Fendel: Ja, es gab wichtige Änderungen, vor allem im Rahmen der Weiterentwicklung des FEG. Besonders durch die Einführung der Chancenkarte zur Arbeitsuche wurde ein erleichterter Zugang geschaffen. Für die Erwerbsaufnahme müssen in den meisten Fällen vier Kriterien gleichzeitig erfüllt sein: ein Abschluss, dessen Anerkennung, ein Jobangebot und ein Mindestgehalt. Außerdem muss häufig die Bundesagentur für Arbeit der Erwerbsaufnahme zustimmen. Die Chancenkarte ermöglicht den Zuzug zur Jobsuche bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl, bei der verschiedene Faktoren berücksichtigt werden können. Für nicht reglementierte Berufe gibt es eine weitere Erleichterung. Personen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung können auch ohne Anerkennung arbeiten, sofern sie ein bestimmtes Mindestgehalt erzielen oder das Unternehmen tarifgebunden ist. Diese Maßnahmen könnten vielen Fachkräften einen schnelleren Einstieg ermöglichen.

abi» Welche Rolle spielen Arbeitgeber und Kollegium bei der Integration?

Tanja Fendel: Vorgesetzte können eine große Unterstützung leisten. Sie können Fachkräfte dazu ermutigen, Sprachkenntnisse zu erwerben. Das ist auch für Unternehmen vorteilhaft, da ausländisches Wissen häufig erst durch Sprachkenntnisse des Ziellandes erkenn- und nutzbar gemacht wird. Sie können zudem flexible Arbeitsmodelle anbieten und bei der Wohnungssuche helfen. Auch Kolleginnen und Kollegen sind oft die ersten Ansprechpersonen. Sie helfen beim Deutschlernen und ermöglichen soziale Kontakte. Deutsch ist eine schwere Sprache, die nur in wenigen Ländern gesprochen wird, daher ist es schwierig, sie bereits vor dem Zuzug gut zu beherrschen.

abi» Wie wird sich die Zuwanderung von Fachkräften in den nächsten Jahren entwickeln?

Tanja Fendel: Die nicht-EU-Migration wird aller Voraussicht nach weiter an Bedeutung gewinnen. Die gesetzlichen Änderungen zeigen sich bereits in den Visazahlen, aber das allein wird nicht ausreichen. Eine Studie des IAB zeigt, dass wir jährlich 400.000 zusätzliche Personen brauchen, um das Erwerbspotenzial aufrechtzuerhalten. Ich hoffe, dieser Fachkräftemangel führt dazu, dass internationale Arbeitskräfte in Zukunft noch mehr Wertschätzung erfahren.