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FIJ mit Behinderung: „Einfach machen!“

Dass einem Freiwilligen Internationalen Jahr (FIJ) auch mit Sehbehinderung nichts im Weg steht, beweist Emilia Dorfner (22), die ihren Freiwilligendienst 2019 und Anfang 2020 in Ghana absolvierte.

Emilia Dorfner steht vor einem Gewässer in Ghana.

Zwar war die Idee, in ihrer Überbrückungszeit allein ins Ausland zu reisen, für Emilia Dorfner anfangs mit Unsicherheiten verbunden. Doch die ehemalige Freiwillige betont: „Zum ersten Mal allein in einem fremden Land zu sein, ist für jeden Menschen herausfordernd – ob mit Behinderung oder ohne.“

Andere Perspektiven

Emilia Dorfner

Da sie als Schülerin schon länger in der freizeitlichen Kinder- und Jugendarbeit aktiv war, informierte sich Emilia Dorfner über Überbrückungsmöglichkeiten in diesem Bereich. „Im Gespräch mit anderen und bei der Eigenrecherche kristallisierte sich heraus, was mir wichtig ist und mit meinen Einstellungen zusammenpasst“, erklärt sie. Da sie darüber hinaus eine Faszination für afrikanische Länder mitbrachte, erwog sie schließlich, ein FIJ in Afrika zu machen. „Mich hat es vor allem gereizt, eine andere Perspektive einzunehmen als meine eigene europäische.“

Die 22-Jährige ist sehbehindert mit einem Restsehvermögen von fünf Prozent. Das bedeutet, dass sie Farben, Kontraste und Umrisse ausmachen kann. „Mit Blindenstock und verschiedenen technischen Hilfsmitteln kann ich mich allerdings sehr gut selbstständig fortbewegen“, erklärt sie. Über Internetrecherchen stieß sie schließlich auf den weltwärts Freiwilligendienst in Kooperation mit der Organisation Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev), den sie schließlich in Ghana absolvierte, an einer inklusiven Schule mit Fokus auf Sehbehinderungen.

Die nötige Unterstützung

Der Verein bezev hilft jungen Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung bei der Planung und Durchführung ihres Freiwilligendienstes. „Es wurde viel Wert auf eine gute Kommunikation und ein Netzwerk vor Ort gelegt“, berichtet Emilia Dorfner. „Vor allem im außereuropäischen Ausland sind die Strukturen komplett anders als in Europa, weshalb es wichtig war, jemanden zu haben, der meine Sprache spricht und mich unterstützen kann.“ So wurde etwa darauf geachtet, dass sie in ihren Unterkünften jeweils andere deutsche Freiwillige als Ansprechpersonen hatte. In der Regel dauert ein FIJ 10 bis 24 Monate mit Aufenthalt in einer Gastfamilie oder Freiwilligen-WG. Pandemiebedingt verkürzte sich Emilia Dorfners Aufenthalt auf sieben Monate.

Während ihres Aufenthalts fuhr die junge Frau unter der Woche jeden Tag mit dem Tuktuk in die Schule. Dort half sie im Unterricht und bei der Erstorientierung auf dem Campus. „Ich habe viel mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam gelernt, da ich die Brailleschrift zum Beispiel noch nicht konnte und mich anfangs selbst erst auf dem Campus orientieren musste“, erinnert sich Emilia Dorfner zurück. Auch jenseits des Campus sei der Dienst eine Bereicherung gewesen: „Ich habe die Menschen dort als sehr offen und hilfsbereit erlebt, was mir half, selbst offen zu sein und mich auf das Ungewohnte einzulassen.“

Die Kosten für das inklusive FIJ (Flug und Reise, Unterkunft und Verpflegung, Taschengeld und Versicherung) werden vom weltwärts-Freiwilligenprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und bezev als Entsendeorganisation übernommen.

Neu gefundenes Selbstbewusstsein

Seit einem Jahr studiert Emilia Dorfner Rehabilitationspädagogik in Berlin. Ob sie ohne ihre Erfahrung im Freiwilligendienst so weit von zu Hause weggezogen wäre, bezweifelt die Studentin, die ursprünglich aus der Nähe von Karlsruhe stammt: „Die Zeit im FIJ hat mir das nötige Selbstbewusstsein gegeben, um mich in einer komplett neuen Umgebung zurechtzufinden und über meinen eigenen Schatten zu springen.“ Zuvor hatte sie etwa Unsicherheiten, den Blindenstock zu verwenden, weil sie sich beobachtet fühlte. „Ghana war dafür ein gutes Lernumfeld, da ich sowieso auffiel. Das war ein wesentlicher Teil meines Entwicklungsprozesses im Umgang mit meiner Sehbehinderung.“

Wichtig ist es der ehemaligen Freiwilligen, andere Jugendliche mit Behinderungen zu ermutigen, den Schritt ins Unbekannte zu wagen. „Mit Behinderung ins Ausland zu gehen, sollte nichts Besonderes sein, sondern Normalität!“, betont sie. Im Entscheidungsprozess sei es in erster Linie wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und selbst einzuschätzen, ob man sich bereit fühlt oder nicht. „Es lohnt sich, offen und mutig zu sein, denn mindestens genauso schön sind die gesammelten Erfahrungen. Von daher: Einfach machen!“

Weitere Informationen

Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.

Die Organisation bezev berät Menschen mit jeder Art von Beeinträchtigung oder Behinderung und hilft ihnen bei der Suche nach einem passenden Freiwilligendienst. Im weltwärts-Programm ist bezev, neben dem Kompetenzzentrum für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung, auch selbst als Entsendeorganisation aktiv und vermittelt Freiwillige an verschiedene Partnerorganisationen im Ausland.

www.bezev.de

www.bezev.de/kompetenzzentrum

weltwärts

weltwärts ist ein Gemeinschaftswerk des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Zivilgesellschaft.

www.weltwaerts.de