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Workcamp im Inland: Aus der Geschichte lernen

Nach ihrem Abitur reiste Agnes Würfel (20) nicht ins Ausland, sondern in die Vergangenheit. Vierzehn Tage lang arbeitete und lebte sie in der Gedenkstätte Buchenwald in der Nähe von Weimar.

Luftaufnahme vom Holocaust-Mahnmal in Berlin.

Der Name „Buchenwald“ ist tief ins Gedächtnis Deutschlands eingraviert. Inzwischen eine Gedenkstätte, dient das ehemalige Konzentrationslager (KZ) als Ort der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Der Verein Sühnezeichen Friedensdienste bietet Menschen aller Altersgruppen im Rahmen von Workcamps die Möglichkeit, sich freiwillig zu engagieren und mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus zu reflektieren.

Sinnvolle Arbeit zur Überbrückung

Einer davon ist Agnes Würfel. In ihrer Überbrückungszeit zwischen Abitur und Studium verbrachte die 20-Jährige im Sommer 2021 dort zwei Wochen. Nachdem Freundinnen und Freunde von ihren positiven Erfahrungen in Workcamps berichtet hatten, beschloss sie, daran teilzunehmen.

„Im Workcamp habe ich jeden Tag etwas Neues gelernt“, erzählt sie. „Nach einer Morgenrunde machten wir uns meist zuerst zum Gedenkweg auf. Das ist eine ehemalige Bahnstrecke, auf der viele Kinder deportiert wurden.“ Diesen Weg sauber zu halten, gehörte zu einer der Aufgaben der Volunteers. Ein weiteres Projekt umfasste die Gravur von Gedenksteinen, zur Erinnerung an die Kinder, die von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Neben diesen praktischen Arbeiten erfuhren die Teilnehmenden ebenfalls viel über die geschichtlichen Hintergründe des Orts. Nachmittags machte die Gruppe von zwölf Leuten oft Rundgänge auf dem Gelände des ehemaligen KZ. „Zwei unserer Betreuer waren Historiker, die in der Gedenkstätte arbeiten und uns lehrreiche Führungen auf dem riesigen Gelände gaben“, erzählt Agnes Würfel.

Sie selbst wohnte gemeinsam mit den anderen Freiwilligen in den außenliegenden Wächter-Quartieren. „Das fühlte sich anfangs schon etwas seltsam an“, erklärt die Abiturientin. Auch sei es grundsätzlich schwierig gewesen, sich mit einer solch schlimmen Thematik auseinanderzusetzen: „Anfangs ertappte man sich selbst, wenn man mal Spaß in der Gruppe hatte. Aber mit der Zeit lernten wir, die Balance zu schaffen zwischen der Auseinandersetzung mit einer heftigen Vergangenheit und dem Zugeständnis, uns auch mal ablenken und lachen zu dürfen, obwohl wir uns an diesem Ort befinden.“ Nicht zuletzt die täglichen Gespräche und Reflektionen in der Gruppe führten dazu, dass die Erfahrung für Agnes Würfel vor allem eins war: eine Bereicherung, die sie nicht missen möchte.

Die Mitarbeit in einem Workcamp erfolgt in der Regel gegen Kost und Logis oder einen niedrigen preislichen Aufwand. Dies variiert von Anbieter zu Anbieter.

Die Gegenwart mit der Vergangenheit verknüpfen

Einen nachdrücklichen Eindruck hinterließ vor allem ein Gespräch mit einer Zeitzeugin, die sich aus dem KZ retten konnte. So wurde den jungen Leuten vor allem klar, wie wichtig es ist, sich weiterhin mit den Schrecken des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen – „damit so etwas nicht noch einmal passiert“, betont Agnes Würfel. „Aus meiner Erfahrung habe ich neben neuen Freundschaften vor allem mitgenommen, dass uns die Vergangenheit noch immer betrifft“, ergänzt sie. Ihre Zeit im Workcamp inspirierte sie auch im letzten Semester dazu, eine Hausarbeit zum Thema Rassismus zu verfassen. Seit Oktober studiert die gebürtige Konstanzerin an der Uni Freiburg Bildungswissenschaften mit Politik im Nebenfach.

Am Ende gab die Reise in die Vergangenheit Agnes Würfel Anreize für die Zukunft: „Zwar hatte ich diese Studienfächer schon vor meinem Aufenthalt in Buchenwald ins Auge gefasst. Doch die Erfahrung hat mich definitiv bestärkt, sodass ich mir inzwischen gut vorstellen könnte, später im Bereich der politischen Bildung zu arbeiten.“

Weitere Informationen

Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

www.buchenwald.de

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

www.asf-ev.de

workcamps.org

www.workcamps.org

Raus von Zuhaus

www.rausvonzuhaus.de