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Interview Life Sciences: „Gesundheit ist ein Dauerbrenner“

Die Life Sciences sind ein zukunftsträchtiges Feld, das jungen Menschen spannende Herausforderungen bietet. Welche Trends und Entwicklungen sich darin abzeichnen und worauf es in diesem Bereich ankommt, erklärt Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender des Verbands Biotechnologie BIO Deutschland.

Darstellung einer Nervenzelle

abi» Herr Schacht, welche Berufe umspannt der Bereich Life Sciences?

Dr. Oliver Schacht: Die Entwicklungsmöglichkeiten in der Life-Science-Branche sind sehr breit gefächert. Sie reichen von klassischen Laborberufen, wie biologisch-, chemisch- oder medizinisch-technische Assistenten, über Wissenschaftsjobs für Biologen und Chemiker bis hin zu Medizinern. Viele Stellen gibt es im Bereich Bioinformatik und IT. In den Life-Science-Unternehmen gehören auch Produktentwickler für neue Medikamente, Diagnostika, Impfstoffe sowie die klassischen Verwaltungsbereiche von Buchhaltung über Personalwesen und Vertrieb dazu.

abi» Lassen sich im Bereich Life Sciences bestimmte Trends ablesen?

Dr. Oliver Schacht: Gesundheit ist ein Dauerbrenner, weil die Gesellschaft immer älter wird. Dadurch gehen der Life-Science-Branche die Patientinnen und Patienten bzw. Kunden nicht aus. Alzheimer, Krebs, Covid oder Volkskrankheiten wie Diabetes oder Rheuma sind hochkomplexe Krankheiten, die kreative Therapieansätze brauchen. Es handelt sich deshalb um einen Wachstumsmarkt. Aber auch die Felder wie Klimawandel, Nachhaltigkeit, Ernährung und Kreislaufwirtschaft funktionieren nicht ohne Life Sciences, weil in vielen Bereichen Biotechnologie drinsteckt: von Waschmitteln, die auch bei 30 Grad sauber waschen, über Nährstoffe und Vitamine.

abi» Lassen sich denn bereits Entwicklungen für die nähere Zukunft voraussagen?

Dr. Oliver Schacht: Die typischen Entwicklungszyklen in der Life Science – von der Forschung über die Entwicklung bis zur Zulassung zum Markt – dauern zwischen zehn und 15 Jahre. Von daher sind die Trends nicht sehr kurzfristig. Ein sehr spannendes Thema ist zurzeit zum Beispiel die Bioinformatik bzw. die Künstliche Intelligenz. Die Branche ist zudem durch Corona enorm ins Rampenlicht gerückt und Unternehmen wie Biontech haben viele neue Stellen geschaffen. Das Thema Life Science ist in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen und deshalb ein sehr zukunftsträchtiges, sicheres und spannendes Umfeld.

abi» In welchen Bereichen werden Fachkräfte derzeit besonders nachgefragt?

Dr. Oliver Schacht: Besonders gefragt sind Azubis und Studierende mit einem wissenschaftlich-technischen Hintergrund für den Bereich des Qualitätsmanagements und Regulatory Affairs (Anm. d. Red.: Zulassung von Medikamenten). Qualifizierte Kandidaten werden von Headhuntern heiß umkämpft.

abi» Mit welchem Know-how können potenzielle Nachwuchskräfte besonders punkten?

Dr. Oliver Schacht: Wissen aus den Bereichen IT, Bioinformatik sowie Qualitätsmanagement und Regulatory steht gerade sehr hoch im Kurs. Außerdem ist es sehr sinnvoll, neben dem Studium Praktika in verschiedenen Bereichen zu machen. Man könnte sich in einem Forschungslabor umsehen oder in die Industrie hineinschnuppern, sowohl in einem großen Konzern arbeiten als auch in einem kleinen Start-up. Je mehr Einblicke man gewinnt, desto besser.

abi» Ist denn auch ein Quereinstieg in die Branche möglich?

Dr. Oliver Schacht: In einem Life-Science-Unternehmen gibt es natürlich auch Bedarf in den klassischen Verwaltungsbereichen. Es ist zum Beispiel gar nicht so einfach, einen guten Buchhalter zu finden, der internationales Rechnungswesen beherrscht. Aber auch im Einkauf, im Personalwesen und in der Systemadministration sind Profis gefragt. Auch ich bin Quereinsteiger und mittlerweile seit über 25 Jahren in der Biotech-Branche tätig, obwohl ich von Haus aus Betriebswirt bin.

abi» Was können Sie jungen Menschen mit Interesse an Life Sciences noch mit auf den Weg geben?

Dr. Oliver Schacht: Es wird immer wieder neue Technologien und wissenschaftliche Ansätze geben. Heutige Fachkenntnisse sind im Zweifelsfall in ein paar Jahren inhaltlich obsolet. Eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung, Neugier und die Bereitschaft, lebenslang zu lernen, garantieren immer gute Chancen in diesem Bereich. Auch eine gewisse Frustrationstoleranz ist wichtig. Forschung und Entwicklung bringen es nämlich mit sich, dass viele Dinge, die man erforscht, irgendwann auch scheitern. Davon darf man sich aber nicht abschrecken lassen, sondern sollte immer wieder kreativ werden, um neue Ideen zu generieren. Der Spaß daran, immer wieder neu zu starten, macht diesen Bereich sehr abwechslungsreich und spannend.

Über Dr. Oliver Schacht

Portrait-Foto von Oliver Schacht. Portrait-Foto von Oliver Schacht.

Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender des Verbands Biotechnologie BIO Deutschland