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Die Crux mit der Praxiserfahrung – 2

Ein Porträt-Foto von Maril

Autor:
Maril

Rubrik:
studium

30.11.2023

So, nun der Schimpftirade zweiter Teil.

Da der Studiengang Humanmedizin in Leipzig mit über 300 Studierenden pro Jahrgang so groß ist, wird der Stundenplan sehr komplex. Einen UaK kann man nun mal nur mit maximal fünf Personen durchführen, für mehr ist meistens auch kein Platz. Schon fünf Studis in weißen Kitteln, die mehr oder weniger ahnungslos durch die Gänge streifen, wirken auf die meisten Patient*innen eher einschüchternd und beunruhigend. Und im Weg sind wir sowieso immer! Durch diese Organisation in Kleingruppen entsteht aber ein Problem. Die einen fangen z.B. mit dem UaK Gynäkolgie an, die anderen mit dem UaK Anästhesie oder dem UaK Gastroenterologie. Die Vorlesungen, die im Anschluss für den gesamten Jahrgang stattfinden, beschäftigen sich dann aber beispielsweise mit Umweltmedizin oder Strahlentherapie.

Der UaK passt demnach nur bei einem Bruchteil der Studierenden (und das auch nicht immer) zum aktuellen Vorlesungsinhalt und dementsprechend auch zu den Klausuren. Vorbereitet soll man in den UaKs jedoch trotzdem sein, und ab und zu gibt es dort auch mündliche oder praktische Prüfungen. In einem Kurs lernen wir Nahttechniken für die Chirurgie an Modellen. In einer Stunde dürfen wir das erlernen und üben, im Anschluss gibt es die Prüfung. Und danach sollte man es dann auch bitte können, denn es kann durchaus sein, dass du in der Famulatur in der Chirurgie bei einer OP aufgefordert wirst, diese Naht „mal fix zu machen“. Da kommt es ganz schlecht an, wenn du es nicht kannst. Learning by doing, so lautet das Motto. Mehr Übung als diesen einen Kurs im 7. Semester wirst du nicht bekommen.

Ein weiteres Beispiel sind die Patient*innengespräche. Natürlich will eine gute Anamnese gelernt sein und man kann es auch nur lernen, wenn man viel mit Patient*innen spricht. Mit einer schlechten Anamneseerhebung kann man zumindest nichts kaputt machen. Andererseits habe ich immer ein unglaubliches Störgefühl, wenn ich mit fünf Kommiliton*innen um Patient*innen herumstehe und wir sie wechselseitig ausfragen, manchmal sogar körperlich untersuchen. Die Patient*innen werden natürlich vorher um Erlaubnis gebeten, aber unangenehm ist es trotzdem. Von den Lehrenden wird unsere Zurückhaltung häufig missinterpretiert als fehlendes Wissen, fehlende Erfahrung und allgemeine Unsicherheit bezüglich des Berührens. Von allem mag da auch ein bisschen was dabei sein, aber in meiner hausärztlichen Famulatur hatte ich da z.B. weniger Probleme. Da gab es mehr Ruhe, weniger Zuschauer*innen und v.a. Gespräche mit den Patient*innen und nicht über sie. Denn oft werden dann zur Erklärung für die Studis Gespräche zu Diagnose, Therapie und Prognose im Beisein der Patient*innen geführt, die von all dem Fachchinesisch meist nicht viel verstehen.

Ich habe für all diese exemplarisch aufgeführten Probleme zugegebenermaßen auch keine Lösung. Schließlich müssen wir es irgendwie lernen, wir Studis brauchen die Praxis. Andererseits verstehe ich auch, dass die Lehre nicht genug Zeit und Ressourcen für mehr praktische Übungen und Erfahrungen hat. Die Lehrpersonen arbeiten schließlich ganz regulär im Krankenhaus. Selbst das beste Lehrkonzept kann nicht gegen den stressigen Klinikalltag ankommen. Und bei all dem sollten sich die Patient*innen auch nicht wie Versuchskaninchen fühlen müssen. Dass das alles insgesamt nur schwer miteinander zu vereinbaren ist, verstehe ich. Darüber aufregen kann und möchte ich mich trotzdem.