Rubrik:
orientieren
02.10.2019
Autor:
Maril
Rubrik:
orientieren
02.10.2019
Vor etwas mehr als einem Monat hat in Sachsen die Schule wieder begonnen. Die Sommerferien waren wie immer viel zu schnell vorbei und der Schulalltag hatte schon nach der ersten Woche auch die letzten wieder eingeholt. An meinem ersten Schultag in der 12. Klasse ist mir etwas bewusst geworden: Ich bin alt. Natürlich bin ich keine Greisin, aber ich bin auch kein Kind mehr. Mit meinen 17 Jahren bin ich so gut wie erwachsen, stehe kurz vor der Volljährigkeit. Manch einer in meinem Alter arbeitet schon längst, hat mit Rechnungen und der Steuererklärung zu kämpfen – Dinge, von denen ich noch keine Ahnung habe.
Wisst ihr, weshalb ich auf diese Gedanken gekommen bin? Es waren nicht die Predigten der Lehrer über Verantwortung in unserem Alter und die anstehenden Abiturprüfungen, sondern die Blicke der neuen Fünftklässler. Sie haben mich angeschaut, als wäre ich von einem anderen Stern, als ich mit meinen Büchern und meinem Kaffeebecher den Gang entlang schlenderte. Ich kann mich noch genau erinnern, was ich damals in ihrem Alter gedacht habe, wenn ich Zwölftklässler im Gang gesehen habe: Ich war irgendwie neidisch, weil sie schon so erwachsen waren. Ich bewunderte ihr Selbstbewusstsein, ihre Stärke und ihre Reife. Ja, so war das... Heute fühle ich mich jedoch weder selbstbewusst noch stark und ganz bestimmt nicht reif für das „richtige“ Leben. Heute blicke ich neidisch zu den Fünftklässlern hinüber. Sie lachen und albern herum – unbefangen und natürlich.
Bei mir stehen gerade so viele Entscheidungen an und ich fühle mich unsicher wie noch nie. Aber macht nicht genau das den Reiz aus? Diese vielen Möglichkeiten, die wir haben, sind doch eigentlich ein Geschenk und die Qual der Entscheidung ist ein Luxusproblem. Natürlich scheint der Fünftklässler von außen betrachtet glücklicher zu sein als der gestresste Zwölftklässler mit Augenringen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es tatsächlich so ist. Ich habe Augenringe und ich bin gestresst, weil eine Woche mit drei lernintensiven Klausuren und drei Leistungskontrollen ansteht. Aber soll ich euch was verraten? Ich lächle immer noch und vermutlich bin ich genauso glücklich wie der Fünftklässler. Natürlich ist das Abitur anstrengend. Das Studium wird nicht minder nervenaufreibend sein und ich glaube, niemand wird ernsthaft glauben, dass das Berufsleben ein Spaziergang im Sonnenschein ist. Das heißt noch lange nicht, dass es nicht schön wird. Ich werde meinen Weg schon finden, auch, wenn ich dabei nicht die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd grinsen werde.
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