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Studieren im Ausland: Interkulturelle Begegnungen im Auslandssemester

Anna

Autor:
Anna

Rubrik:
studium

15.12.2022

Das Beste am Auslandssemester ist meiner Meinung nach, dass man so viele tolle Leute aus aller Welt kennenlernt! Als ich vor einem Monat meinen Geburtstag gefeiert habe, waren ganze zehn Nationen vertreten. Und allein dank meiner drei Mitbewohner:innen habe ich so viel gelernt – über das Bildungssystem in Ecuador, das Verhältnis zwischen Russland und dem Baltikum, die politische Situation in Syrien. Oder ganz alltägliche Dinge, etwa dass man in Litauen im Haus niemals pfeift, da das einem Aberglauben nach böse Geister anlocken könnte.

Ich habe in den letzten Monaten oft darüber nachgedacht, wie schwierig und gleichzeitig wahnsinnig wichtig ich es finde, „Kultur“ nicht zu stereotyp zu begreifen. Das fängt schon bei dem Begriff an, dieser bezieht sich nämlich nicht nur auf Landesgrenzen. Zum Beispiel können auch Fußballfans oder Unternehmen eine Kultur haben. Und selbst innerhalb eines Landes kann es, wie in Deutschland, große Unterschiede geben – oder Traditionen und Werte können über Landesgrenzen hinweg sehr ähnlich sein. Und nur weil man einmal das Nationalgericht probiert hat, heißt das natürlich nicht, dass man eine „Kultur“ kennengelernt hat. Sicherlich kann man bestimmte Regeln lernen – zum Beispiel weiß ich jetzt, dass es unter anderem in der Ukraine, Usbekistan und Kasachstan extrem unhöflich ist, sich in der Öffentlichkeit zu schnäuzen. Selbst Kinder verlassen dazu das Klassenzimmer. Aber in vielen Fällen kann man „kulturelle“ Unterschiede gar nicht so genau benennen, ohne in Stereotype zu verfallen. Schließlich ist jeder von uns individuell und fühlt sich anderen Teilen der Kultur verbunden. Ich weiß aus Erfahrung, dass es beinahe unmöglich ist, zusammen mit anderen Deutschen die „deutsche Kultur“ zu skizzieren. Und natürlich ist unsere Welt heute so vernetzt, dass die Grenzen ohnehin verschwimmen. Andererseits muss ich zugeben, dass ich selbst oft Witze mache, weil ich selbst mit meiner zuverlässigen, pflichtbewussten Art und meiner Liebe für Brezeln so einige Klischees über Deutsche erfülle.

Ich bin so dankbar für die vielen Perspektiven, die ich in der kurzen Zeit hier gewinnen konnte. Selbst wenn es nur scheinbar einfache Dinge sind, wie dass es für Emily aus Ecuador beleidigend ist, wenn man beim Kennenlernen sagt, dass der Name „gar nicht südamerikanisch klingt“. Oder dass eine Freundin ihren russischen Pass nach eigener Aussage gerade am liebsten verbrennen würde. Das hier ist also ein Plädoyer dafür, offen zu sein und sich nicht von vorgefertigten Meinungen leiten zu lassen. Ich bin mir sicher, dass die Begegnungen mit verschiedensten Menschen, die ich in den letzten Monaten machen durfte, sowohl für mich persönlich als auch für meine spätere Tätigkeit als Psychologin extrem wertvoll sind.