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Was tun nach dem Abi?: Haare

Schatten von Bloggerin Melissa.

Autor:
Melissa

Rubrik:
auszeit nach dem abi

15.07.2022

„Nach meinem Abi rasiere ich die Haare ab“ – mein Plan seit etwa einem Jahr.

Was daraus geworden ist? Bisher nichts. Der Rasierer liegt vor mir, die Rasur steht auf meiner To-do-Liste und ich sitze hier mit langen Haaren und schreibe diesen Text, weil ich mich nicht traue.

Aber jetzt erst mal ganz von vorne. Die meisten würden mich wahrscheinlich für verrückt erklären, weil ich aus meiner Frisur so ein Drama mache. Es sind ja nur Haare, die wachsen ja nach. Hab ich auch gedacht, aber dann kamen die Zweifel.

Auf Social Media gibt es einige Menschen, die sich die Haare abrasieren, darunter eine meiner liebsten YouTuberinnen – Jana von Janaklar. Sie ist einer der Gründe dafür, warum ich meine Haare unbedingt mal abschneiden möchte.

Auch passt eine neue Frisur irgendwie zu einem neuen Lebensabschnitt. Nach meinem Abi fühlt es sich so an, als ob auch ich anders sein sollte und nicht nur mein Leben. Dafür ist ein neuer Haarschnitt die perfekte Veränderung, die den Abschied deutlich macht.

Außerdem könnte es mir helfen, mehr an meinem Inneren zu arbeiten. Mein ganzes Leben war ich so auf mein Äußeres fokussiert, dass der Kern meines Selbst in Vergessenheit geraten ist. Wenn ich mir meine Haare abrasiere, sehe ich nicht mehr aus wie die Frau, die uns die Gesellschaft als Vorzeigefrau aufzwängt. Auch wenn meine Frisur meinen Wert als Mensch nicht ändert, sondern lediglich einen kleinen Teil meines Aussehens, wird es Menschen geben, die das anders sehen.

Trotz dieser positiven Aspekte, die durchaus Sinn ergeben, habe ich Angst.

Ich habe Angst davor, ausgegrenzt und nicht länger geliebt zu werden. Ich habe Angst davor, herauszustechen und verurteilt zu werden. Ich habe Angst vor den Tagen, an denen ich an meiner Entscheidung zweifle und meinen Selbstwert herabstufe, denn solche Tage wird es ohne Zweifel geben.

Auch mein Umfeld steht der Veränderung kritisch gegenüber. Meine Mama war sehr geschockt, da sie abrasierte Haare mit der Krebskrankheit meines Vaters in Verbindung bringt. Meine Schwester sagt mir, ich werde es bereuen, weil die Haare meinen Selbstwert beeinflussen. Mein Freund hat aus unerklärlichen Gründen ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Die drei haben alle ihre Gründe, mir von der Entscheidung abzuraten und das kann ich gut verstehen. Sie unterstützen mich sonst immer.

Allerdings verspüre ich trotzdem eine tiefe Traurigkeit. Besonders von meiner Familie habe ich mir Unterstützung gewünscht, damit ich die Kraft finde, meinen Wunsch zu verwirklichen. Ohne diesen Rückhalt fühle ich mich alleine und kraftlos. Ich traue mich nicht, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Deshalb bleiben die Haare jetzt erst mal.

Und um noch einmal zum Anfang zurückzukommen: Ob ich meinen Plan jemals in die Tat umsetzen werde, steht noch in den Sternen. Wenn ja, werdet ihr davon hören, wenn nicht, dann ist nichts daraus geworden. Beide Optionen sind durchaus möglich und okay, weil wie schon gesagt: Es geht nur um Haare, also eigentlich um nichts Weltbewegendes.