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Frithjof Seidel: „Außerhalb der Norm liegt häufig das größte Potenzial“

Frithjof Seidel ist derzeit der einzige männliche Synchronschwimmer Deutschlands auf internationalem Wettkampfniveau. Mit abi» spricht der 26-Jährige über Erfolge, Entwicklungen und Rollenklischees im Synchronschwimmen.

Portraitfoto von Frithjof Seidel

abi» Herr Seidel, seit 2022 sind Sie als Synchronschwimmer erfolgreich und waren davor lange Turmspringer. Wie sind Sie zum Schwimmsport gekommen?

Frithjof Seidel: Im Alter von fünf Jahren habe ich mit dem Turmspringen angefangen. Wie auch beim Synchronschwimmen handelt es sich dabei um eine Randsportart, die mit Nachwuchsmangel zu kämpfen hat. Deshalb gehen die Vereine oft in Grundschulen und suchen gezielt nach geeigneten Sportlerinnen und Sportlern. So wurde zuerst mein älterer Bruder entdeckt und dann ich.

abi» Und wie kam es, dass sie zum Synchronschwimmen gewechselt sind?

Frithjof Seidel: Ich habe mich vor etwa drei Jahren entschieden, meine Karriere als Wasserspringer zu beenden. Während meiner letzten Saison meldete sich meine jetzige Duett-Partnerin, Michelle Zimmer, bei mir. Sie fragte, ob wir beim Wasserspringen Nachwuchs haben, weil sie beim Synchronschwimmen händeringend nach männlichen Athleten suchten. Da war mein Interesse geweckt. Wir haben uns getroffen – und seitdem bin ich dabei.

abi» Männer sind beim Synchronschwimmen noch gar nicht so lange zugelassen, oder?

Frithjof Seidel: Tatsächlich dürfen Männer schon seit 2015 bei Weltmeisterschaften starten, aber ursprünglich nur bei den gemischten Duetten. Seit 2023 ist es so, dass Männer auch solo und im Team starten dürfen. In einem Team sind insgesamt acht Personen – da dürfen nun auch zwei Männer mit dabei sein.

abi» In Ihrem Team sind Sie ja der einzige Mann. Wurden Sie schon mal mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen konfrontiert?

Frithjof Seidel: Die Menschen werden schon hellhörig, wenn man sagt, man ist Synchronschwimmer. Die meisten fragen dann: ‚Ach, das gibt es auch für Männer?‘ Die meisten sind aber einfach sehr interessiert. In meinem Freundeskreis sind viele Leistungssportler. Die interessieren sich vor allem, was das von der sportlichen Leistung her bedeutet.

abi» Gibt es denn Unterschiede?

Frithjof Seidel: Es gibt beim Synchronschwimmen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Man versucht im Team zwar, eine möglichst homogene Gruppe zu sein und nicht aufzufallen, aber man bringt als Mann allein von der Konstitution andere Voraussetzungen mit.

abi» Als Synchronschwimmer können Sie ja bereits auf einige Erfolge zurückblicken. Was waren Meilensteine in Ihrer Karriere?

Frithjof Seidel: Ich verbinde sehr viele Meilensteine mit meiner Duett-Partnerin. Sehr prägend war für mich der Start bei der Europameisterschaft 2022. Es war sehr aufregend, das erste Mal mit einer neuen Sportart auf der internationalen Bühne zu stehen. Meine Duett-Partnerin hat mir da sehr viel Sicherheit und Rückhalt gegeben. Ich schwimme am besten, wenn ich mit ihr schwimme. Als Team haben wir bei der Europameisterschaft letzten Sommer Silber gewonnen. Das war auf jeden Fall ein Highlight. Ebenso wie bei der Weltmeisterschaft im Finale zu stehen.

abi» Bei Wettkämpfen ist also bis heute eine gewisse Anspannung da?

Frithjof Seidel: Auf jeden Fall. Ich habe sogar das Gefühl, es wird von Jahr zu Jahr mehr.

abi» Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Synchronschwimmens?

Frithjof Seidel: Gerade sind wir in einer Zeit, in der sehr viel Neues passiert. Der Sport entwickelt sich immens, er wird athletischer, akrobatischer. Ich wünsche mir, dass sich Synchronschwimmen für Männer noch mehr etabliert, und dass sich mehr Jungs trauen, den Sport auszuprobieren.

abi» Gibt es etwas, das Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben möchten?

Frithjof Seidel: Es lohnt sich immer, seinen Wünschen zu folgen und daran festzuhalten, auch wenn es außerhalb der Norm ist. Gerade da liegt häufig das größte Potenzial. Rückschläge in Kauf zu nehmen gehört einfach mit dazu, deswegen ist es sehr wichtig, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben.

Über Frithjof Seidel

Synchronschwimmer Frithjof Seidel mit seinem Team im Einsatz Synchronschwimmer Frithjof Seidel mit seinem Team im Einsatz

Nach einer langjährigen Laufbahn als Wasserspringer wechselte der Berliner Frithjof Seidel im November 2021 zum Synchronschwimmen. Dort gewann er bei den Europaspielen 2023 mit dem deutschen Team als erster Mann eine Medaille in einem internationalen Wettkampf.

Nebenher studiert Frithjof Seidel Verkehrswesen an der Technischen Universität Berlin.