Gender-Studies-Absolventin:
Im Kampf für Gleichberechtigung
Wer Gender Studies studiert, hat keinen linearen Berufsweg vorgegeben. Einen bestimmten Karrierewunsch hatte auch Liviana B. (33) nicht. Ihr Ziel ist es, eine gerechtere Welt zu schaffen. Der Weg dahin ist – wie ihr Werdegang zeigt – vielseitig.
„Ich habe immer wieder Aha-Momente“, sagt Liviana B., wenn sie heute durch alte Film- und Literaturklassiker stöbert. Sie nimmt sie anders wahr – als könne sie ihre geheime Symbolsprache jetzt endlich entschlüsseln. Darin erkennt sie zum Beispiel das Parallelleben von Autorinnen und Autoren, „die ihre Homosexualität verbergen mussten, weil sie vor nicht allzu langer Zeit noch rechtswidrig war“.
Einen gesellschaftskritischen Blick hatte Liviana B. schon, bevor sie sich mit Gender Studies beschäftigte. Zu Schulzeiten startete sie zum Beispiel ihr erstes Fair Trade-Projekt. Nach dem Abitur nutzte sie das Privileg ihres Reisepasses und ging auf Weltreise. „Erst wenn wir aus dem Alltag ausbrechen, können wir einige Brillen, die uns ‚ansozialisiert‘ wurden, ablegen“, weiß sie.
Drei Jahre lang zog sie durch die Welt: per Anhalter durch Europa, mit dem Segelschiff über den Atlantik und anschließend zweieinhalb Jahre lang mit Fahrrad und Zelt durch Südamerika. In dieser Zeit hat sie so einiges erlebt. Und auch erkannt „wie systematisch, strukturell und institutionell sehr viel Gewalt an Personen mit einem als weiblich gelesenen und nicht weiß verorteten Körper ausgeübt wurde“. Ein markanter Lebensabschnitt. Für Liviana B. „die praktische Universität des Lebens“ und auch Anlass genug, sich künftig mit der Genderforschung und den verschiedenen Formen der Diskriminierung auseinanderzusetzen.
Der Hunger, in die Welt der Bücher einzutauchen, veranlasste die junge Frau aus Karlsruhe nach der Reise, einen Bachelor in Sozial- und Kulturanthropologie zu absolvieren. Geprägt von ihren Reiseerfahrungen, erlangte sie anschließend einen Master im Studiengang „Interdisziplinäre Lateinamerikastudien“ an der Freien Universität Berlin. Darin legte sie ihren Schwerpunkt auf Gender Studies mit Profil „Geschlechterverhältnisse, Lebensformen und Transformationen“.
Neben dem Studium forschte sie in Brasilien am Institut für Geschlechteridentitäten, leitete Theaterworkshops, publizierte Artikel und engagierte sich künstlerisch. Inspiriert vom „Theater der Unterdrückten“ in Brasilien und Berlin, inszenierte sie mit dessen Methoden feministische Stücke. Dieses Engagement außerhalb der Universität betrachtet Liviana B. als essenziell: „Weil die Sensibilisierung für das Thema ‚Gender‘ in Deutschland immer noch gering ist, musst du selbst kreativ sein und eigene Wege suchen.“
Heute lebt sie in Berlin. Im Dreiländereck an der Grenze zu Polen und Tschechien ist sie bei einem soziokulturellen Verein in Zittau als pädagogische Koordinatorin in Teilzeit angestellt. Dort leitet sie internationale Fortbildungen für Erwachsene zum Thema Diversität, um abseits der Großstädte mehr Bewusstsein dafür zu schaffen. Bei ihrer selbstständigen Arbeit in Berlin schlüpft sie in mehrere Rollen. Als Bildungsreferentin veranstaltet sie unter anderem Seminare über „Kritisches Weiß-Sein“. Mit ihrer Tätigkeit als Theaterpädagogin will sie auf Ungerechtigkeit verweisen. Als Autorin schreibt sie eigene Gedichte und Artikel.
Die abwechslungsreichen Aufgaben erfüllen sie: „Ich kann einen Beruf ausüben, hinter dem ich wirklich stehe, der mir Spaß macht und bei dem ich mich ständig weiterentwickeln kann.“ Ihren Fokus auf Gender Studies hat sie nie bereut, wünscht sich für dieses Thema aber mehr Anerkennung. Am liebsten würde sie irgendwann ihr eigenes Bildungsinstitut gründen.
Noch kann sie allein von ihrer Selbstständigkeit nicht leben, sieht in ihrem Themenfeld aber viel Handlungsbedarf: „In Sachen Gendergleichheit haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf und meine Motivation ist, dass wir eine gleichberechtigte Gesellschaft konstruieren, uns reformieren und eine neue Kultur erschaffen.“
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