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Migrationsforscherin: „Den Kitt des Sozialen ausfindig machen“

Dr. Mariella Falkenhain (38) forscht am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu Migrationsthemen. Außer der Bundesagentur für Arbeit werden die Ergebnisse von Politik, Verbänden und Gewerkschaften genutzt.

Das Logo der Bundesagentur für Arbeit auf einem Papierspender, aus dem eine Hand einen Notizzettel entnimmt

Sie sind meist platt und halten sich hartnäckig. Die Rede ist von Vorurteilen, etwa solche über Migrantinnen und Migranten und ihre Rolle auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Diesen setzt Mariella Falkenhain ein differenziertes Bild entgegen – sie und ihre Kolleginnen und Kollegen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg: Zum einen trägt Einwanderung positiv zur Arbeitsmarktentwicklung bei, zum anderen gibt es im Grundgesetz ein Hilfegebot. Die 38-Jährige plädiert daher für einen Perspektivwechsel: „Es ist die Aufgabe der Gemeinschaft, besonders Hilfebedürftige zu schützen.“

Als Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit arbeitet das IAB praxisnah – ein wichtiger Aspekt für Mariella Falkenhain. Das IAB ist Schnittstelle zwischen Forschung und Politikberatung. Mit seinen Erkenntnissen berät es verschiedene politische Akteure, beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Beschäftigung mit prekären Lebenslagen

Foto Mariella Falkenhain Foto Mariella Falkenhain

Mariella Falkenhain

In ihrem Forschungsbereich ‚Erwerbslosigkeit und Teilhabe‘ beschäftigt sich Mariella Falkenhain beispielsweise mit Menschen in prekären Lebenslagen, mit den Themen Armut, Arbeit und Integration im Kontext von Migration – unter anderem mit der Frage, wie Geflüchtete, die ab 2015 nach Deutschland gekommen sind, in den Arbeitsmarkt gefunden haben: „Welche Wege haben sie eingeschlagen? Wie wurden diese Wege durch die Pandemie verändert? Und geht Arbeitsmarktintegration mit gesellschaftlicher Teilhabe einher?“

Auch interkulturelle Verständigungsprozesse im Jobcenter sind Gegenstand ihrer Forschung. Außerdem untersucht sie, wie verschiedene Bereiche der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik gesteuert werden. In all ihren Forschungsprojekten ist die Frage zentral, wie Politik von der Verwaltung umgesetzt wird. Da gibt es Ermessens- und Gestaltungsspielräume, die unterschiedlich genutzt werden und oft zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen für die Betroffenen führen, berichtet sie.

„Den Kitt des Sozialen ausfindig machen und gleichzeitig auch das Trennende – das ist ein Kernanliegen meiner Arbeit“, sagt Mariella Falkenhain. Das sei nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise eine wichtige Aufgabe in einem Einwanderungsland wie Deutschland.

Beratungsanfragen aus der Politik

Ihren Job beschreibt sie als vielfältig. Am Anfang stehe stets die Forschungsidee. Ein zentraler Moment ist dann die Feldphase, in der etwa Interviews oder Umfragen durchgeführt werden. Nach der Analysephase folgt die Arbeit an wissenschaftlichen Aufsätzen. Wichtig sei der Austausch mit anderen: Das bedeutet viel Lektüre, aber auch Besuche von Konferenzen, wo sich die Forscher*innen austauschen und ihre Ansätze und Ergebnisse diskutieren können.

Mariella Falkenhain und ihr Team erhalten viele Beratungsanfragen aus der Politik oder von Verbänden und Gewerkschaften. „Dass die Ergebnisse unserer Forschung von der Politik gehört werden und hier Wirkung haben ist ein Aspekt, der meine Arbeit sehr spannend macht.“ Doch nicht nur mit der Politik, sondern insbesondere mit Menschen gibt es Berührungspunkte, und das gefällt ihr besonders: „Die Nähe zum 'Forschungsgegenstand', wie wir das nennen. Als Forscherin treffe ich ja die Menschen, über die ich etwas erfahren will. Und ich werde selbst Teil des untersuchten Themas, weil ich mit meiner Perspektive und meinen Fragen Einfluss nehme.“

Zum IAB kam Mariella Falkenhain 2017, war jedoch schon länger in der empirischen Sozialforschung tätig. Sie hat Politikwissenschaft und Romanistik an der FU Berlin und an der Sorbonne in Paris studiert. Sie promovierte an der Hertie School of Governance in Berlin und war Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. Davor arbeitete sie mehrere Jahre in einem Think Tank in Berlin.

Info

Ein Abschluss im Bereich Migration und Diversität öffnet nicht nur die Tür zu einer Arbeit in Forschungseinrichtungen wie dem IAB. Auch an Hochschulen gibt es zahlreiche nationale und internationale Stiftungen und Institutionen, die sich mit diesen Themen befassen, wie die Heinrich-Böll-Stiftung, die Bosch-Stiftung oder das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. Eine wichtige Rolle spielt das Thema auch im Bereich der Sozialen Arbeit, im Personalmanagement und im Bildungssektor.