Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Batterieforscher:
Von Kokosnussschalen und Plastikglibber
Batterien müssen in Zukunft leistungsfähiger werden. Dafür müssen sie mehr Energie aufnehmen können. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) erforscht Dominik Steinle (31) zum Beispiel, wie Graphit in Akkus ersetzt werden kann.
„Lithium hat eine höhere Energiedichte als Graphit“, erklärt Dominik Steinle. Der 31-Jährige hat Chemie studiert und ist Experte für die kleinsten Bauteile unserer Materie. Er weiß, was passiert, wenn in einer Batterie die chemischen Stoffe miteinander reagieren: Sie erzeugen einen Elektronenfluss, also Strom. „Eine Batterie aus reinem Lithium-Metall kann mehr Energie speichern. Allerdings ist sie auch reaktiver“, ergänzt er mit Blick auf das gefährliche, hochexplosive Handling solcher Akkus und erläutert, dass in heute gängigen Lithium-Ionen-Batterien deshalb für die unterschiedlich geladenen Elektroden einerseits ein Metall-Oxid und andererseits Graphit verwendet wird, während eine giftige, ätzende Lithiumsalzlösung als Elektrolyt dient.
Dominik Steinle
Foto: Patrick von Rosen
Seit Mai 2019 ist Dominik Steinle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) tätig. Das Institut, das zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gehört, erforscht und entwickelt elektrochemische Batteriekonzepte. Der 31-Jährige hat hier bereits während seines Masterstudiums an der Universität Ulm als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet und mit zerriebenen Kokosnuss-Schalen als natürlichen Graphitersatz experimentiert. Derzeit untersucht er Alternativen zum gängigen Elektrolyt, also der Flüssigkeit, die normalerweise die positiv geladenen Lithium-Ionen zwischen der Anode und Kathode transportiert. Dabei nimmt er Feststoffe unter die Lupe, nämlich Polymere – eine glibberige Plastikmasse, klein geschnitten in feine Scheiben, noch dünner als eine Kontaktlinse.
In einem Trockenraum synthetisiert er die Polymere und bereitet anschließend in einem Handschuhkasten, der „Glovebox“, seine Experimente vor. Die Glovebox ist ein mit dem Edelgas Argon gefüllter luft- und wasserfreier Glaskasten. Dort klebt Dominik Steinle die Polymermasse vorsichtig zwischen zwei Lithium-Streifen und legt schließlich Strom an. Eine Stunde lang. Nach einer kurzen Pause kehrt er dann die Fließrichtung um. „Je nachdem, wie hoch der Strom ist, den ich durch die fertige Zelle durchfließen lasse, und wie oft ich das wiederhole, verhält sich das Lithium anders. Wenn sich Verästelungen auf der Elektrode bilden, ist es schlecht“, sagt er. „Diese Verästelungen sind der Grund, warum Lithiumbatterien explodieren, sie könnten nämlich einen Kurzschluss verursachen.“ Im Anschluss schaut er sich das Ergebnis mithilfe eines Röntgenphoto-Elektronenspektroskop oder Raster-Elektronenmikroskop an.
„Die meiste Zeit bin ich wirklich am Experimentieren. Wenn ich Fachliteratur lese oder wissenschaftliche Texte verfasse, sitze ich darüber hinaus am Computer“, schildert er. Etwa zwei Tage dauert es, bis er eine neue Polymer-Membran synthetisiert hat. „Die Membranen so hinzubekommen, wie man sie braucht, ist nicht so einfach. Ich musste Luftblasen rausdrücken, die Rezeptur verändern, mit der Temperatur variieren. Viel ist wirklich Trial and Error“, schmunzelt er. Die Ergebnisse fließen in seine Doktorarbeit ein, die er in eineinhalb Jahren abgeben will. „Ich kann noch nicht sagen, welche Erkenntnisse letztlich dabei herauskommen. Viele Verfahren benötigen die richtigen Ideen und Kreativität.“
Der Theorietyp sei er eigentlich nie gewesen, erzählt Dominik Steinle. Nach dem Abi hatte er deshalb eigentlich vor, Chemielaborant zu werden. „Alles, was uns umgibt, ist Chemie. Das hat mich schon in der Schule fasziniert“, erinnert er sich. Leider klappte es nicht mit dem gewünschten Ausbildungsplatz in einem Pharmakonzern, also wurde es doch ein Chemie-Studium. „So richtig glücklich war ich damit nicht. In den ersten Semestern war ich immer wieder kurz davor abzubrechen, weil es so hart war.“ Er hält zähneknirschend durch, auch weil er und seine Mitstudierenden zu einer Leidensgemeinschaft zusammenwachsen, wie er sagt. Für eine Spezialisierung auf elektrochemische Energiespeicher entscheidet er sich am Ende des Bachelorstudiums, um später schnell den Einstieg in die Industrie zu schaffen. „Im Master hatte ich dann speziellere Vorlesungen“, schildert er.
Heute ist er sich nicht mehr ganz so sicher, ob er mit dem Doktor in der Tasche wirklich in einen Konzern einsteigen will. „Mir würde es fehlen, im Labor zu stehen und zu experimentieren. Viele Chemiker, die zum Beispiel in die Automobilindustrie gehen, machen später eher ingenieurtechnische Sachen“, sagt er. Stattdessen kann er sich immer besser vorstellen, in der Wissenschaft zu bleiben oder alternativ in einem Start-up mitzuarbeiten.
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