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Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt: Wenn Maschinen wie Kinder lernen

Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt der Zukunft prägen. Für Nina Kadisch ist sie schon jetzt Alltag: Die 30-Jährige arbeitet seit 2015 als Softwareentwicklerin für Sensortechnologie bei der SICK AG in Waldkirch.

Ein Foto von einem Roboter.

Im Jahr 2017 kam Nina Kadisch erstmals mit Künstlicher Intelligenz (KI) in Berührung. Damals arbeitete sie im Team des ersten Deep Learning Projekts der SICK AG, einem Hersteller von Sensoren für die Fabrik-, Logistik- und Automatisierungstechnik in Waldkirch im Breisgau. Heute bestimmt die KI ihren Berufsalltag. Deep Learning bezeichnet eine Methode des maschinellen Lernens (diesen und weitere Begriffe erklärt das Glossar).

Die 30-Jährige beschreibt, wie ein Kunde maschinelles Lernen in seinem Logistikzentrum nutzt. Dort werden Pakete und Versandtüten automatisch für den Versand sortiert. Dafür müssen Bilder ausgewertet werden, was mit Deep Learning funktioniert – in künstlichen neuronalen Netzen. Den Unterschied zu klassischer Bildverarbeitung erklärt Nina Kadisch so: „Ich programmiere nicht Schritt für Schritt einen Algorithmus und schreibe ihm die Analyseschritte vor, sondern der Algorithmus lernt selbst anhand von Beispielen – wie ein kleines Kind.“ So filtert das neuronale Netz aus einer Fülle von Bildern die relevanten Merkmale heraus und entscheidet, auf welchem Förderband die Pakete und Tüten landen.

Den Rahmen setzt der Mensch

Ein Foto von Nina Kadisch Ein Foto von Nina Kadisch

Nina Kadisch

Wesentlich sind dabei die Menge und die Qualität der Daten, mit denen der Algorithmus gefüttert wird. „Deep Learning arbeitet mit einer Vielzahl an Parametern und Merkmalen und kann komplexe Probleme lösen“, erklärt Nina Kadisch. „Möglich ist das nur mit entsprechend leistungsstarken Rechnern – deshalb hat es über dreißig Jahre gedauert, bis diese Prozesse anwendungsreif wurden.“ Den Rahmen setze aber immer noch der Mensch, betont sie. „Ich muss klären: Was ist meine Aufgabenstellung und mit welchen Daten muss ich den Algorithmus füttern, um sie zu lösen?“

Fest steht: in der KI lernen nicht nur Algorithmen. Für Nina Kadisch gehört es zum Alltag, sich in neue Themen einzuarbeiten. Die Entwickler und Anwender müssen immer auf der Höhe der Zeit sein. „Meist tauschen wir uns im Kollegenkreis aus oder nutzen Internet-Tutorials. Mein Arbeitgeber ermöglicht es mir, mich passgenau weiterzubilden“, sagt sie.

Ihr Mathematikstudium in Freiburg hat sie 2014 mit dem Master of Science abgeschlossen. „Für eine Softwareentwicklerin ist das kein typischer Werdegang“, weiß sie. „Das Studium hat mich aber darauf vorbereitet, mich in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten und abstrakt zu denken.“

Keine Panik bei der Berufswahl

Foto von Katharina Dengler Foto von Katharina Dengler

Katharina Dengler

Der Einsatz von KI verändert die Arbeitswelt. Manche Aufgaben werden künftig von Algorithmen übernommen und ersetzen die menschliche Arbeitskraft. Welche Berufe am stärksten betroffen sind – mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Katharina Dengler als Expertin beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Im so genannten Job-Futuromat des IAB kann dies jeder konkret online abfragen. „Die stärksten Auswirkungen gibt es bei den Fertigungsberufen und fertigungstechnischen Berufen“, sagt Katharina Dengler. „Menschliche Arbeit in sozialen und kulturellen Berufen wird dagegen kaum durch KI abgelöst werden.“

Entscheidend ist das Qualifizierungsniveau. „Expertenberufe mit einer Hochschulausbildung von mindestens vier Jahren sind am wenigsten betroffen“, erklärt sie. Auch dort hinterlässt KI aber Spuren, und das nicht nur in technischen Berufen, sondern etwa bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen. „Juristen, Personalverantwortliche oder Experten in Versicherungen müssen sich darauf einstellen, dass Teile ihrer Aufgaben künftig von KI übernommen werden könnten“, weiß Katharina Dengler. Aber: „Niemand sollte sich von solchen Aussichten abschrecken lassen“, rät sie. „Die wenigsten Berufe werden komplett verschwinden, aber Berufsbilder und Anforderungsprofile werden sich stetig verändern.“

KI überall im Einsatz

Foto von Max Eifler Foto von Max Eifler

Max Eifler

„Keine Panik, sondern Mut und Offenheit für Veränderung“, ist auch das Rezept von Max Eifler. Er ist bei der Arbeitsagentur Stuttgart als Weiterbildungs- und Laufbahnberater der Lebensbegleitenden Beruflichen Beratung tätig. Aus seiner Praxis weiß er, welche Berufe sich verändern und wie: „Diplomierte Übersetzer sind mit Übersetzungsalgorithmen konfrontiert, die immer besser arbeiten. KI übernimmt auch Aufgaben von Entwicklungsingenieuren in der Antriebstechnik.“ KI hält ebenso in Sozialwissenschaften Einzug. „Es gibt neue Studiengänge wie Computational Social Sciences“, weiß Eifler. Computational Social Sciences bedeutet, dass Computer verwendet werden, um soziale Phänomene zu simulieren. Das bedeutet neue Möglichkeiten, und um die zu nutzen, ist eine gute Berufsausbildung nur der Ausgangspunkt. „Lebenslanges Lernen muss Programm sein,“ rät er. „Wer die Augen offenhält, was sich im Beruf verändert, und sich darauf mit neuen Qualifikationen einstellt, muss sich keine Sorgen machen: Vom Wunschberuf sollte man sich nicht abhalten lassen.“ Vorbereiten müssen sich Berufseinsteiger auf stete Veränderung und Beschleunigung. Fest steht: kluge Köpfe werden auch künftig gebraucht.

Verantwortung und Werte sind gefragt

Foto von Marit Hansen Foto von Marit Hansen

Marit Hansen

Aber der Einsatz von KI birgt auch Risiken. „KI braucht Kontrolle“, vermutet Marit Hansen, Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein und Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung. Persönliche Daten können missbraucht oder politische Meinungen in sozialen Netzwerken manipuliert werden. In Bewerbungsprozessen kann die Vorauswahl verzerrt werden und Entscheidungen über die Kreditwürdigkeit eines Menschen können diskriminierend sein. „Die Entscheidungsprozesse der Algorithmen sind nicht in allen Fällen durchschaubar“, erklärt Marit Hansen. „Daher brauchen wir zumindest Prüfmechanismen.“ Bei einer Brücke beispielsweise, für die KI die Statik berechnet hat, müssen Ingenieure mit klassischen Verfahren die Ergebnisse überprüfen.

Denn Haftung kann nicht an KI delegiert werden: „Wer die Software einsetzt, kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, mahnt Marit Hansen. Auch KI-gesteuerte Verfahren, die Menschen betreffen, müssen von Menschen gesichtet werden. „Nur so können wir unsere Werte wie Diskriminierungsfreiheit oder das Recht auf faire Behandlung weiter durchsetzen“, erklärt Marit Hansen. Die Politik setzt hierfür Gremien ein und macht rechtliche Vorgaben. Gefragt ist aber auch der Einzelne. „Man hat Verantwortung im eigenen Aufgabenbereich, aber auch für das große Ganze, um Fehler im System aufzudecken“, appelliert sie. „Wer jetzt ins Berufsleben einsteigt, hat die Chance, eine gute Zukunft der KI mitzugestalten.“

Der Artikel enthält ein Video mit weiteren Informationen.

Weitere Filme findest du auf der abi» Videoübersicht.

Video: Informatiker/in

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 aktuellen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Künstliche Intelligenz)
berufenet.arbeitsagentur.de

Studienwahl.de

Infoportal der Stiftung für Hochschulzulassung in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit. 
studienwahl.de

KI-Strategie der Bundesregierung

Informationen zum Thema, herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
ki-strategie-deutschland.de

Job Futoromat

Der Job-Futuromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit verrät für jeden Job, welche Arbeiten schon heute Roboter erledigen könnten.
job-futuromat.iab.de

Lernende Systeme – Plattform für Künstliche Intelligenz

Vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geförderte Plattform zum Thema KI, unter anderem mit einer Landkarte, die zeigt, wo KI-Technologien in Deutschland heute und in naher Zukunft zum Einsatz kommen.
plattform-lernende-systeme.de