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Studieren mit Behinderungen: „Es ist jeden Behördengang wert“

Rund elf Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen haben eine studienerschwerende Beeinträchtigung. Auch Monique Mischnik (23) lebt mit einer Behinderung. Doch mit Mut, Hartnäckigkeit und der richtigen Unterstützung meistert sie ihr Studium trotz dieser Hürde.

Blick auf eine Rampe am Eingangsbereich eines Gebäudes.

„Ich wollte immer studieren“, sagt Monique Mischnik mit fester Stimme. „Das stand für mich nie außer Frage.“ Die 23-Jährige hat eine bilaterale spastische Zerebralparese aufgrund eines Sauerstoffmangels bei der Geburt. Ihr Muskeltonus ist erhöht, die Muskulatur verhärtet. „Die meisten kennen das unter Spastik“, erklärt sie. Sie kann zwar laufen, aber nur kurze Strecken. Im Alltag ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen – und auf die Unterstützung von anderen.

Die bekam sie, vor allem von ihrer Mutter. Sie war bei jedem Arztbesuch, bei jedem Behördengang dabei. Monique Mischnik ging in einen integrativen Kindergarten, wechselte in der siebten Klasse von einer Schule für körperbehinderte Schülerinnen und Schüler auf ein allgemeinbildendes Gymnasium, wo sie Unterstützung von Schulhelferinnen und -helfern bekam. Das Abitur machte sie mit einem Einser-Schnitt.

„Ich zieh das durch!“

Ein Porträtfoto von Monique M. Ein Porträtfoto von Monique M.

Monique Mischnik

Dann stand der nächste große Schritt an. Gender Studies, sprich Geschlechterforschung, wollte sie studieren. Ein Studiengang, der oft nur als Master angeboten wird, doch zumindest an der Universität Göttingen auch als Bachelor. Über 300 Kilometer weg von ihrer Heimat Berlin. Ihre Mutter bekam Zweifel. „Das war ja keine Distanz mehr, wo sie kurz mal vorbeikommen konnte.“ Doch ein anderes Studium kam für Monique Mischnik nicht infrage. Sie bewarb sich – und hielt wenig später die Zusage in den Händen. „Ab da war klar: Ich zieh das durch!“

Dann begann ein „Behördenmarathon“, wie die 23-Jährige es nennt. Es galt, eine Fülle von Anträgen zu stellen. So konnte sie zum Beispiel als Nachteilsausgleich mehr Zeit bei den Prüfungen beantragen. Darüber hinaus bekommt sie auch die Pflegestunden, die sie beansprucht, finanziert. Monique Mischnik nahm Kontakt zu Katrin Lux auf, der Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen der Uni Göttingen. „Ich kann nur jedem raten, das möglichst früh zu tun. Das Gespräch hat mir sehr weitergeholfen und alles etwas übersichtlicher gemacht“, zieht die Studentin Bilanz.

Schritt für Schritt zur inklusiven Uni

Ein Porträtfoto von Katrin L. Ein Porträtfoto von Katrin L.

Katrin Lux

„Es ist gut, wenn Studieninteressierte schon im Vorfeld Kontakt aufnehmen, um so viele Fragen wie möglich bereits vor Studienbeginn zu klären“, sagt Katrin Lux. Sie unterstützt Studieninteressierte und Studierende durch individuelle Beratung und Begleitung, damit das Studium möglichst barrierefrei ablaufen kann. Oft müssen dabei für den konkreten Einzelfall Lösungen gefunden werden. Durch die Beratungsarbeit wird aber auch deutlich, wo bestehende Prozesse und Regeln angepasst und weiterentwickelt werden müssen, um Barrierefreiheit von vornherein herzustellen. Entscheidend sind auf jeden Fall transparente Informationen. Ein Lageplan zur Barrierefreiheit der Uni zeigt etwa, was die Studierenden vor Ort erwartet: Wo sich Aufzüge und Rampen befinden, wie die Eingänge und Türen genau aussehen. „Es geht nicht von heute auf morgen, aber wir arbeiten Schritt für Schritt daran, dass die Uni sich zu einer inklusiven Einrichtung entwickelt.“

Für Monique Mischnik war die Unterstützung, die sie sowohl im Studium als auch im Alltag braucht, eine große Herausforderung. Bei all diesen Themen helfen die Beauftragten weiter und kennen Ansprechpartnerinnen und -partner. Etwa den Verein Selbsthilfe Körperbehinderter in Göttingen, mit dem Monique Mischnik Kontakt aufnahm. Dieser vermittelte ihr drei Assistierende, die die Studentin abwechselnd unterstützen. Die Wohnungssuche empfand sie dagegen als recht entspannt, auch weil das Studentenwerk Bewerbende mit Behinderungen bevorzugt berücksichtigt.

Der eigene Alltag als große Freiheit

Im Wintersemester 2019 nahm Monique Mischnik schließlich ihr Studium auf und zog nach Göttingen. Sie lebt seitdem mit zwei weiteren Studentinnen in einer WG in einem Studentenwohnheim in Campusnähe. Ihre Assistierenden helfen ihr zu festgelegten Zeiten im Alltag und begleiten sie zu ihren Veranstaltungen oder auch in die Mensa. „Mittlerweile weiß ich aber, wo ich gut allein zurechtkomme“, erzählt Monique Mischnik. Dass aufgrund der Coronapandemie keine Präsenzveranstaltungen stattfanden, bedauert sie sehr. „Eigentlich kam mir das digitale Lernen ja entgegen. Aber ich vermisste meine Mitstudierenden. Das hatte wenig mit dem zu tun, was viele gern als ‚beste Zeit ihres Lebens‘ beschreiben.“

Monique Mischnik will Abiturientinnen und Abiturienten mit Beeinträchtigungen Mut machen. „Der ganze Prozess, die ganzen Behördengänge haben schon Nerven gekostet – aber es lohnt sich auf alle Fälle, hartnäckig zu bleiben! Ich habe hier in Göttingen mein eigenes Leben, meinen eigenen Alltag und empfinde das als große Freiheit.“ Und dafür lohne sich jeder Aufwand.

Weitere Informationen

Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit gibt Menschen mit Behinderungen beziehungsweise Beeinträchtigungen einen Überblick über Beratungen und Hilfsangebote, bietet Berufs- und Studienorienterierung und eine Jobsuche.

arbeitsagentur.de/menschen-mit-behinderungen

studienwahl.de

Infoportal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung mit der Rubrik „Studieren mit Behinderungen oder chronischer Erkrankung“

studienwahl.de/orientieren/studieren-mit-behinderungen 

IBS im Deutschen Studierendenwerk

Tipps und Informationen der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)

studentenwerke.de/de/behinderung

 

Einfach teilhaben

Ein Wegweiser rund um das Thema Studieren mit Berhinderungen, von der Vorbereitung bis zur Promotion

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