Foto: Rolf Schulten
Saskia Wittmer-Gerber ist Bereichsleiterin beim TransferLAB der Stiftung der Deutschen Wirtschaft.
Eine Behinderung oder chronische Krankheit, ein sozial oder einkommensschwaches Elternhaus: Jugendliche mit besonderen Bedarfen bei der Berufsorientierung zu unterstützen, stellt Lehrkräfte vor Herausforderungen. Saskia Wittmer-Gerber, Bereichsleiterin TransferLab bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, rät Lehrkräften, Jugendliche zu ermutigen, eigene Lebensentwürfe zu entwickeln – und sich selbst nicht unter Druck zu setzen.
Saskia Wittmer-Gerber: Berufsorientierung muss stets auf die individuellen Voraussetzungen zugeschnitten sein – egal, welche das sind. Sie ist Prozessbegleitung und beginnt bei den Fragen: Was kann ich, was will ich, was gibt es?
Saskia Wittmer-Gerber: Ich denke nicht. Entscheidend ist die Grundhaltung: Ich schaue nicht defizitär auf dich, ich schaue auf deine Potenziale. Stärken und Schwächen sind keine Eigenschaften. Sie definieren sich über das Ziel. Wenn ich Opernsängerin werden will, ist es eine Schwäche, nicht singen zu können. In vielen anderen Berufen ist es egal.
Saskia Wittmer-Gerber: Kinder kommen aus unterschiedlichen Kontexten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Lebensentwürfen. Nicht immer passen diese zu der Leistungsorientierung unseres Bildungssystems. Für Lehrkräfte ist entscheidend, hier habitussensibel zu agieren. Zu überlegen, mit welchen Jugendlichen man es zu tun hat und welche Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster ihnen eigen sind. Lehrkräfte glauben oft, sie könnten der starken Macht der sozialen Herkunft nichts entgegensetzen. Dabei ist es auch eine Frage der Haltung. Jugendliche, die es trotzdem geschafft haben – wofür auch immer trotzdem steht –, hatten meist jemanden, der an sie glaubte. Oft war es eine Lehrkraft. Zugang lässt sich oft über etwas finden, das sie stolz macht. So kann es gelingen, Bewusstsein für die eigene Bedeutsam- und Selbstwirksamkeit zu schaffen. Und es ist wichtig, die Selbstständigkeit zu stärken. Denn zu viel Hilfe kann auch hilflos machen. Dazu gehört auch, über spürbare Erfahrungen persönlich erlebtes Wissen zu erwerben. Indem man etwa einen Ausflug in einen Betrieb oder die Hochschule macht und später darüber redet, was einen bewegt hat.
Saskia Wittmer-Gerber: Sie denken, sie müssen die besseren Berufsberaterinnen oder -berater sein. Es gibt so viele hilfreiche Angebote von den Agenturen für Arbeit und anderen außerschulischen Partnern. Auch wir bieten viele Programme und hilfreiche Unterstützung. Schulen müssen sich öffnen und diese Ressourcen von außen einbeziehen. Und sie müssen die Jugendlichen ermutigen, die Angebote zu nutzen.
Foto: Rolf Schulten
Saskia Wittmer-Gerber ist Bereichsleiterin beim TransferLAB der Stiftung der Deutschen Wirtschaft.
Stand: 22.11.2024
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