Martin Randelhoff
Foto: Patrick Johannsen
Flugtaxis, selbstfahrende LKW und Personenfahrzeuge: Wie der Verkehr der Zukunft aussieht, darüber gibt es verschiedene Vorstellungen. Erste Entwicklungen zeigen jedoch, dass der Mensch vom aktiven zum passiven Nutzer wird und die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zunehmen werden.
Das durch den Onlinehandel gestiegene und durch die Pandemie nochmals beflügelte Paketaufkommen dürfte so manche/n Zusteller/in zur Verzweiflung bringen, doch scheinen die Tage dieses Berufs ohnehin gezählt zu sein: Der erste Linienflug einer Lieferdrohne zur Nordseeinsel Juist fand bereits vor sieben Jahren statt, in China gibt es seit Mai 2019 die erste innerstädtische Drohnenroute. Das Verschwinden der Postautos wird den Verkehr der Zukunft jedoch nicht so deutlich prägen wie das selbstfahrende Kraftfahrzeug, das etwa im niederbayerischen Bad Birnbach bereits Realität ist; dort wurde 2017 ein autonomer Elektrobus in Betrieb genommen. Wo Aufgaben sinnvoll von digitalisierter High-Tech übernommen werden können, setzt sich diese in der Wirtschaft zunehmend durch. Der Personen- und Güterverkehr bildet da keine Ausnahme.
Ganz so weit in die Zukunft denkt Tobias Kuhnimhof nicht, jedenfalls nicht beim selbstfahrenden Kraftfahrzeug: „Die Technik wird nicht so günstig sein, dass sie private PKW ersetzt“, sagt der Professor und Leiter des Instituts für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Den Individualverkehr prägen werden seiner Ansicht nach zunächst hybride Verkehrssysteme. „Die Grenze zwischen dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dem Individualverkehr wird verschwimmen und die Bedeutung des ÖPNV wird zunehmen“, lautet seine Prophezeiung. Auch neuen Technologien wie Flugtaxis sieht er noch nüchtern entgegen und vermutet einen Markt für solche Mobilitätsprodukte eher in Asien. Tobias Kuhnimhof: „Aber für den Verkehr in Deutschland wird das auch 2040 keine echte Rolle spielen.“
Martin Randelhoff
Foto: Patrick Johannsen
Im Güterverkehr indes bewegt sich die Fracht bereits wie von Zauberhand, zumindest auf den CargoBeamer-Anlagen des gleichnamigen Leipziger Unternehmens. Mit seiner Technologie müssen Container am Güterbahnhof nicht mehr aufwändig vom Fahrgestell gehoben oder gar Planen- bzw. Kofferauflieger entladen werden: Die LKW-Fahrer/innen koppeln ihre Anhänger nur noch auf den sogenannten CargoModulen ab, auf denen die Anhänger dann vollautomatisch auf einen speziellen Zug gleiten und am Zielort wieder herunter. Davon berichtet ein begeisterter Martin Randelhoff auf seinem Blog (www.zukunft-mobilitaet.net). Der 33-Jährige wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl Verkehrswesen und Verkehrsplanung der Technischen Universität Dortmund arbeitet derzeit an seiner Promotion zum Thema „Wirksamkeit strategischer Verkehrsplanung“.
Ob die CargoBeamer dazu beitragen, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern? Dass die Bahn auf der Langstrecke im Vorteil ist, steht für Martin Randelhoff außer Frage. Doch Tobias Kuhnimhof urteilt: „Neue Technologien wie autonom fahrende LKWs können dazu führen, dass der Gütertransport auf der Straße im Vergleich zur Bahn sogar günstiger wird.“
Für Tobias Kuhnimhof ist klar, dass ein Wandel im Güter- und Personenverkehr politisch angestoßen werden muss. Schnellere und günstigere Bahnverbindungen aufzubauen, kostet Geld. Der Staat wird in Zukunft allerdings weniger Einnahmen aus der Kraftstoffsteuer erzielen: „Bis 2030 sollen zehn Millionen Elektroautos unterwegs sein, das sind dann 20 Prozent des gesamten PKW-Bestands.“ Der Verkehr von morgen muss also anders finanziert werden. Am naheliegendsten ist eine PKW-Maut“, sagt er. Und zwar mit einer digitalen Lösung, die Tarife flexibel nach dem Verkehrsaufkommen gestaltet und so den Verkehr steuert.
Rolf Bulander von der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität
Foto: AEU e.V.
Abgesehen von der finanziellen Frage steht für die beiden Experten fest, dass neben technischem Wissen auch vernetztes Denken auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Martin Randelhoff setzt auf sein einstiges Studienfach, die Raumplanung: „Der Studiengang wird unterschätzt“, sagt er. Man arbeite im Querschnitt zu vielfältigen Themen wie Klima, Umwelt und sozialer Teilhabe. „Die sind alle entscheidend für den Verkehr der Zukunft.“ Seiner Meinung nach sind Soziologinnen und Soziologen sowie spezialisierte Juristinnen und Juristen gefragt, die mit neuen Technologien umgehen können. Und Maschinenbauer/innen, die sich zusammen mit Psychologinnen und Psychologen mit der Frage auseinandersetzen, wie ihre technischen Lösungen auf den Menschen wirken. „Sich mit Menschen jenseits der eigenen Branche zu vernetzen und über den Tellerrand hinauszublicken“, das ist für Martin Randelhoff entscheidend.
Auf persönliche Motivation setzt Rolf Bulander. Der ehemalige Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH und Vorsitzende des Unternehmensbereichs Mobility Solutions leitet heute, im Ruhestand, die Fokusgruppe Wertschöpfung der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität. Er ist der Ansicht, dass der technisch-naturwissenschaftliche Nachwuchs aller Fachrichtungen Hochkonjunktur hat, unabhängig davon, wie der Mix bei den Antriebstechnologien aussehen wird. Ingenieurinnen und Ingenieure, Elektrotechniker/innen und Verfahrenstechniker/innen, Chemiker/innen, Biologinnen und Biologen sowie Informatiker/innen seien in allen Fällen gefragt. Auf die Einstellung komme es an.
„Im Studium geht es darum, sich Methoden und das Handwerkszeug anzueignen und sie in verschiedenen Themengebieten anzuwenden“, sagt er. Damit könne man jede geforderte Spezialisierung meistern. „Wer im Ingenieurstudium die numerische Simulation gelernt hat, der kann sie bei der Magnetfeldberechnung für Elektromotoren genauso einsetzen wie bei der Strömungssimulation für Verbrennungsmotoren.“ Entscheidend sind für Rolf Bulander die Begeisterung für die Spezialisierung und der Spaß am Gestalten und Erfinden.
Andreas Sinzinger, Berufsberater der Agentur für Arbeit Nürnberg, rechnet damit, dass sich für den Verkehr der Zukunft weitere spezialisierte Studiengänge entwickeln werden. „Gerade im technischen Bereich sind die Hochschulen hier sehr nah am Bedarf“, sagt er. Grundsätzlich rät er: „Spezialisierte Studiengänge sind der richtige Weg, wenn man schon genau weiß, wo es hingehen soll und seine Nische entdeckt hat. Alle anderen verpassen auch für den Verkehr der Zukunft nichts, wenn sie zum Beispiel ein grundständiges Studium der Informatik oder der Elektrotechnik beginnen und sich im Lauf des Studiums spezialisieren.“
Mit völlig neuen Berufen rechnet er im Bereich Verkehr und Mobilität nicht. „Revolutionen wird es aller Voraussicht nach nicht geben, aber existierende Berufe und die Anforderungsprofile werden sich weiterentwickeln.“ Ein Beispiel: die Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung. Die Aufgaben hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. „Wohl aber das Berufsbild und die Anforderungen: Kommunikationstechnologien, Trackingsysteme und Datenverarbeitung spielen eine große Rolle und mit denen muss man im Beruf umgehen.“
Die Informatik ist für ihn einer der Themenbereiche, in denen es für den Verkehr der Zukunft eine große Nachfrage geben wird. „IT-Spezialisten wie Programmierer und Netzwerkadministratoren sind sicher gefragt“, sagt Andreas Sinzinger. Mit einem einschlägigen Studium oder einer Ausbildung als Fachinformatiker/in für Anwendungsentwicklung oder Systemintegration könne man dann auch beim Verkehr der Zukunft punkten.
Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 aktuellen Berufsbeschreibungen in Text und Bild. (Suchworte: Verkehr, Mobilität)
www.berufenet.arbeitsagentur.de
Von der Bundesregierung initiierte Webseite über Mobilität der Zukunft.
plattform-zukunft-mobilitaet.de
Anwendungsorientierte Forschung
ivi.fraunhofer.de
Stand: 31.12.2021
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