Entwicklungsingenieur:
Stillstand kommt nicht infrage
Autonomes Fahren: Für Christoph Hartwig (31) ist das keine Vision, sondern ein konkretes Projekt. Er arbeitet bei der iav GmbH und ist Technischer Verantwortlicher für den ersten autonomen Shuttlebus Deutschlands.
Wenn ein Projekt mit „HEAT“ (das englische Wort für „Hitze“) überschrieben ist, kann das etwa heißen, dass es hier um eine ganz heiße Sache geht. Das war bei dem Hamburger Verkehrsprojekt, im Hinblick auf sein Potenzial, sicher der Fall. Der Name jedoch ist schlicht eine Abkürzung: für Hamburg Electric Autonomous Transportation (Elektrischer Autonomer Verkehr). Dahinter verbarg sich ein Pilotprojekt für den ersten autonom fahrenden Kleinbus-Shuttleverkehr, der im regulären Straßenverkehr unterwegs war. Im Sommer 2021 war HEAT mit Fahrgästen auf einer Strecke von 1,8 Kilometern in der Hafencity unterwegs; die Hamburger Hochbahn bezeichnet es als Meilenstein, um autonome Systeme in den bestehenden ÖPNV zu integriegen.
Für Christoph Hartwig indes, Entwicklungsingenieur der Berliner Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV), gingen die Aufgaben weit über die reine Softwareentwicklung und die Steuerung der Algorithmen für das autonome Fahren hinaus. Er arbeitete nicht an Fahrassistenzsystemen, so der 31-Jährige: „Denn in unseren Shuttlebussen gibt es keinen Fahrer als Rückfallposition.“ Sie waren ganz selbstständig unterwegs. Damit so etwas klappt, müssen die verschiedensten Prozesse zuverlässig funktionieren: Das Fahrzeug muss seine Außenwelt präzise wahrnehmen, interpretieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Aber auch die Abstimmung im Fahrzeug und die Steuerung der Prozesse müssen reibungslos klappen.
Christoph Hartwig
Foto: privat
Christoph Hartwig erklärt das an einem Beispiel. „Wenn ein Fahrrad sich dem Kleinbus nähert, muss das System das potenzielle Hindernis erkennen, die Geschwindigkeit analysieren und berechnen, ob und wo es zu einem Zusammenstoß kommen könnte.“ Dazu braucht es unterschiedlichste Sensorsysteme, deren Daten blitzschnell verarbeitet und ausgewertet werden müssen.
Dabei kommen weitere Aspekte ins Spiel, wie der Insassenschutz: Eine Vollbremsung kann einen Zusammenstoß verhindern, birgt aber Gefahren für die Passagiere. Auch hierzu muss das System berechnen und interpretieren. Analyse allein reiche jedoch nicht, sagt Christoph Hartwig: „Das System plant die nächsten Schritte, konkret also: Ist es sinnvoller zu bremsen oder auszuweichen? Und die Systementscheidung muss durch reibungslose Regelungstechnik im Fahrzeug umgesetzt werden.“ Eine Leitstelle indes überwacht sowohl Fahrzeug als auch Route und bezieht Daten wie Verkehrslage und Fahrgastaufkommen mit in die Steuerung ein.
Für Christoph Hartwig ist das Projekt ein Schnellstart in die berufliche Zukunft: Im Jahr 2016, nach seinem Master in Elektrotechnik und Informationstechnik an der Technischen Universität Chemnitz, stieg er bei IAV direkt ins Thema autonomes Fahren ein, nachdem er im Vorjahr schon ein Praktikum in dem Unternehmen absolviert hatte.
Auch in Zukunft sieht sich Christoph Hartwig beruflich im Bereich des autonomen Fahrens. „Das ist eines der spannendsten Themen in der Automatisierungstechnik und ich sehe für mich viel Entwicklungspotenzial“, erklärt er. Lernen durch Erfahrung gehört zu seinen täglichen Arbeitsprozessen. Wenn sich in der Projektentwicklung besondere technische Herausforderungen ergeben, kann er sich vertiefende Fortbildungen in bestimmten Spezialgebieten gut vorstellen. Er schätzt in seinen Projektaufgaben bei IAV auch die enge Zusammenarbeit mit Universitäten, die an Forschungsprojekten zum autonomen Fahren arbeiten. „Die Entwicklungsergebnisse integrieren wir unmittelbar in unsere Projektarbeit.“
Besonders naheliegend sind für ihn hochautomatisiert fahrende Fahrzeuge im Überlandverkehr. „Autobahnszenarien sind im Vergleich zum innerstädtischen Verkehr verhältnismäßig leicht zu steuern“, erklärt er. Im Stadtverkehr wird die größte Herausforderung sein, dass automatisiert fahrende und von Menschen gesteuerte Fahrzeuge zeitgleich unterwegs sind. „Menschliche Reaktionen sind schwer vorherseh- und steuerbar“, sagt er. Für ihn steht fest: Hochautomatisiert fahrende Systeme können und müssen die Sicherheit erhöhen. Stillstand jedenfalls kommt für ihn nicht infrage.
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