Hörakustiker/in – Hintergrund:
Immer ein Ohr für den Kunden
„Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht hören können von den Menschen“, soll der Philosoph Immanuel Kant gesagt haben. Wer Menschen helfen möchte, diesen Anschluss nicht zu verlieren, ist in der Ausbildung zum/zur Hörakustiker/in gut aufgehoben. Der Beruf verbindet handwerkliche, technische und soziale Kompetenzen.
Sie brauchen ein Hörgerät! – Wenn der Hals-Nasen-Ohren-Arzt diesen Satz sagt, sind viele zunächst geschockt. Aufgabe von Hörakustikerinnen und Hörakustikern ist es dann, den Betroffenen klarzumachen, dass ein Hörsystem Lebensqualität zurückgibt, dass sie endlich wieder Gespräche führen können – sogar, wenn es Drumherum lauter ist. „Wir sorgen dafür, dass Menschen wieder besser kommunizieren können“, bringt Maximilian Schwab von der Bundesinnung der Hörakustiker (biha) seinen Beruf auf den Punkt.
Maximilian Schwab
Foto: privat
Dazu führen Hörakustiker/innen Tests durch, beraten bei der Auswahl von Hörsystemen, stellen Formpassstücke her und passen die Technik an das individuelle Hörvermögen der Kundinnen und Kunden an. „Wenn sie ein Hörgerät anpassen, sitzen Hörakustiker über verschiedene Termine hinweg insgesamt acht bis zehn Stunden mit einer einzelnen Person in einer Kabine, um eine individuelle Hörlösung für sie zu erarbeiten“, ergänzt Andreas Bögl vom Unternehmerverbund Freier Hörakustiker (FDH). „Wichtig dabei ist, dass wir den Menschen zuhören, sie anleiten, motivieren, vielleicht auch mal aus der Reserve locken, um die Informationen zu bekommen, die sie benötigen.“
Hörakustiker/innen müssen zum Beispiel herausfinden, ob ihr Gegenüber etwa im Beruf viel mit Menschen zu tun hat oder Störlärm ausgesetzt ist, ob es seine Freizeit gerne allein oder in Gesellschaft, vor dem Fernseher, bei Familienfeiern oder in der Disco verbringt – und ob es das Hörsystem mit dem Handy oder dem Auto verbinden möchte.
Neben Feingefühl und Freude am Umgang mit Menschen müssen angehende Hörakustiker/innen vor allem teamfähig und lernbereit sein, da immer wieder neue Technologien entwickelt werden und sich die Bestimmungen der Krankenkassen ändern. „Die Ausbildung zum Hörakustiker vereint technische, medizinische, psychologische und gesundheitshandwerkliche Aspekte“, sagt Maximilian Schwab und verweist auf den fehlenden Nachwuchs im Beruf. „Eine Ausbildung zum Hörakustiker mündet in der Regel in einen sicheren Arbeitsplatz“, betont er.
Andreas Bögl
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Die Auszubildenden lernen nicht nur, wie sie ein Hörsystem anpassen oder reparieren, sondern sie sind auch Ansprechpersonen für moderne Hörassistenzsysteme, etwa Wecker, die mit Licht- oder Vibrationssignalen arbeiten, oder Sender, mit denen das gesprochene Wort eines Lehrers direkt in das Ohr eines hörgeschädigten Schülers gesendet wird.
„Der Trend geht immer stärker zur digitalen Anbindung – ob es um das Piepen der Waschmaschine geht, die das Programm durchlaufen hat, oder den Rauchmelder, der ein Warnsignal ablässt. In Zukunft wird es möglich sein, Hörgeräte mit anderen Gesundheitssystemen zu verbinden, so dass beispielsweise nach einem plötzlichen Sturz ein Notsignal und der Standort an eine bestimmte Stelle abgesandt werden“, ergänzt Andreas Bögl. Zudem lernen Hörakustiker/innen, wie sie Formpassstücke, die sogenannten Otoplastiken per 3-D-Druck fertigen können, mit denen sich das Hörsystem am Ohr anpasst.
Marcus Nissen
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Wer sich für den Beruf interessiert, bewirbt sich direkt in einem Fachbetrieb und schließt mit diesem einen Ausbildungsvertrag ab. Dort wird die Praxis vermittelt. Insgesamt acht Mal geht’s für jeden im Laufe der dreijährigen Ausbildung zirka einen Monat zur Bundesoffenen Landesberufsschule in Lübeck, der zentralen Ausbildungsstätte für alle angehenden Hörakustiker/innen bundesweit.
Darüber hinaus findet dreimal jährlich eine einwöchige überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, kurz ÜLU, an der Akademie für Hörakustik (afh) statt. „Nicht jeder Ausbildungsbetrieb hat alle Technologien vor Ort, mit denen Hörakustiker arbeiten. Deshalb vermitteln wir den Lehrlingen einen Überblick über die Möglichkeiten, die der Markt bietet“, erklärt Marcus Nissen, der das afh-Bildungsmanagement leitet. Während der Phasen des Blockunterrichts sind die Auszubildenden in einem Internat untergebracht.
Nach ihrer Ausbildung können Hörakustiker/innen in Kliniken arbeiten oder in die Industrie wechseln: „Firmenaudiologen zum Beispiel reisen zu den Hörakustikern in die Fachbetriebe und weisen sie technisch in die spezifischen Hörsysteme ein. In den Vertrieb können Hörakustiker ebenfalls wechseln, denn Verkäufer brauchen ein Verständnis dafür, wie die Geräte eingesetzt werden können“, erklärt Andreas Bögl und weist darauf hin, dass ein Hörakustik- beziehungsweise Audiologie-Studium mit anschließender Promotion möglich ist. „Bachelorabsolventen haben in der Entwicklung zusätzlich eine Perspektive“, sagt er.
Hörakustiker/innen können sich zudem durch Weiterbildungen spezialisieren: „Pädakustiker konzentrieren sich auf die Anpassung von Hörgeräten bei Kleinstkindern und Kindern und absolvieren beispielsweise Praktika in Kindergärten oder in der pädaudiologischen Abteilung eines Krankenhauses. Und Cochlea-Spezialisten kümmern sich um die wohnortnahe Nachbetreuung von Implantaten, die operativ ins Innenohr eingesetzt werden, wenn andere Hörsysteme nicht mehr helfen“, erläutert afh-Bildungsmanager Marcus Nissen.
Viele Hörakustiker/innen werden nach Angaben der Experten vom Ausbildungsbetrieb übernommen und arbeiten erstmal als Gesellen weiter – einige entschieden sich im Anschluss für eine Meisterweiterbildung, um einen eigenen Betrieb führen und selbst Auszubildende anleiten zu können. Was viele antreibt: zu erleben, wie sich Menschen die Welt des Hörens wieder erschließen. „Das ist ein besonders schöner Moment im Berufsalltag“, betont Maximilian Schwab.
BERUFENET
Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.500 ausführlichen Beschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Hörakustiker/in)
www.arbeitsagentur.de/berufenet
Video: Hörakustiker/in
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