zum Inhalt

Berufe jenseits des Schreibtischs: Reporter

Wir sehen sie im Fernsehen, hören ihre Stimme im Radio oder lesen ihre Artikel in der Zeitung: Reporterinnen und Reporter, die für Informationsmedien recherchieren, sind stets am Puls aktueller Geschehnisse und berichten oft live vor Ort. Um einen klassischen Bürojob handelt es sich dabei nicht – auch, weil sich Reporterinnen und Reporter oftmals in brenzligen Situationen wiederfinden, wie etwa in von Naturkatastrophen oder Kriegen betroffenen Gebieten.

  • Porträtfoto von Bartholomäus Laffert

    Eine große Herausforderung ist es, Leuten immer wieder zu erklären, wie Journalismus funktioniert, wie wir arbeiten, wie wir vorgehen. Dass wir Journalistinnen und Journalisten uns eben nicht einfach an unseren Schreibtisch hinsetzen und irgendwelche Dinge erfinden, sondern dass wir rausgehen, wenn wir Hinweise kriegen, diesen nachgehen, zu den Leuten fahren, die betroffen sind, und diese dann dazu unvoreingenommen befragen.

    Bartholomäus Laffert arbeitet als freier Journalist.

Textversion des Podcasts zum Lesen (Audio-Transkript)

Jingle: abi», dein Podcast für die Berufsorientierung

abi» Hallo und herzlich willkommen zu deinem abi» Podcast. Mein Name ist Elena und ich habe mich heute mit dem Reporter Bartholomäus Laffert unterhalten. Er hat mir erzählt, wie oft er so am Schreibtisch sitzt, welche Herausforderungen der Beruf Reporter/in mit sich bringt und warum es sich dennoch lohnt, diese auf sich zu nehmen. Viel Spaß beim Zuhören.

Bartholomäus lebt als freier Journalist in Wien und überall dort, wo er sonst gerade so eine Geschichte findet. Er schreibt unter anderem für den Spiegel, den SWR, die Neue Züricher Zeitung und das ZDF Magazin Royale. Für seine journalistische Arbeit erhielt er bereits mehrere Stipendien und Auszeichnungen.

Bartholomäus, schön, dass du heute bei uns bist!

Bartholomäus Laffert: Schön, dass ich bei dir sein kann, Elena.

abi» Das waren ja so einige Tätigkeiten, die ich da eben aufgezählt habe. Gibt es für dich dann überhaupt so etwas wie einen beruflichen Alltag oder hast du den gar nicht?

Bartholomäus Laffert: Ich würde sagen, irgendeine Form von Alltag habe ich schon. Routinen habe ich leider ganz, ganz wenige. Wobei ich mir manchmal mehr wünschen würde, was, glaube ich, weniger mit meiner Arbeit als Reporter zu tun hat, als mehr damit, dass ich frei arbeite. Das heißt, es gibt zwei Wege, wie ich Geschichten mache. Entweder ich habe Themen, die ich gerne bearbeiten wollen würde und gehe damit auf Redaktionen zu, wo ich denke, dass ich diese Themen gut unterbringen könnte. Oder Redaktionen kommen inzwischen auch manchmal auf mich zu und fragen mich, ob ich dieses oder jenes Thema für sie bearbeiten will. Und dann werden Aufträge vergeben und an denen arbeite ich mich dann ab, was dazu führt, dass ich manchmal sehr, sehr, sehr viel zu tun habe und keine Wochenenden. Und manchmal, wie jetzt gerade im Moment, ein bisschen einen luftigeren Alltag, wo ich mir meine Zeit recht frei einteilen kann.

abi» Verstehe. Und: Text, Bild, Film, Video, Audio – wir haben jetzt alles gehört. Welche Medien bedienst du, welche nicht?

Bartholomäus Laffert: Ich weiß nicht, ob es so richtig ein Medium gibt, was ich nicht bediene. Ich arbeite vor allem selber für Print- und Online-Magazine sowie fürs Radio. Ich habe jetzt aber auch, wie gesagt, schon ein paar Sachen fürs Fernsehen gemacht, unter anderem für die Tagesschau aus Äthiopien oder für das ZDF Magazin Royale und Jan Böhmermann. Da haben wir aber vor allem Recherchen gemacht und weniger selbst gefilmt.

abi» Unsere Rubrik heißt ja „Berufe jenseits des Schreibtischs“. Sitzt du jemals am Schreibtisch? Und wenn ja, wofür?

Bartholomäus Laffert: Leider denkt man sich immer so, Reporter sein ist geil, man ist die ganze Zeit draußen, man ist unterwegs, man trifft Leute und stellt denen spannende Fragen und lernt Orte der Welt kennen, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Das ist manchmal so, und das sind die schönsten Momente des Reporterseins. Die andere, die Kehrseite davon ist, dass man eben auch ganz viel am Schreibtisch sitzt. Zum einen, weil man natürlich das ganze gesammelte Material und diese Interviews irgendwie in Text gießen muss, was normalerweise am Schreibtisch passiert. Andererseits, weil auch viel bürokratisches Drumherum passiert. Da geht es um Texte anbieten, Pitches schreiben, Geld auftreiben durch Stipendien oder ähnliches, Rechnungen schreiben, immer wieder seinem Geld hinterherlaufen und all solche Sachen, wo ich sagen würde, das macht einen weiteren großen Teil meiner Arbeit aus, der mir vorher gar nicht so sehr bewusst war.

abi» Weshalb hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Bartholomäus Laffert: Das ist eine gute Frage. Ich glaube einfach, ich habe mir bis zu meinem Abi wenig Gedanken gemacht, was ich eigentlich machen will mit meinem Leben und was ich überhaupt soll. Und als ich dann mein Abi hatte, stand ich so ein bisschen vor der Wahl: Was tu ich jetzt? Was interessiert mich eigentlich? Das war schon auch immer auf eine Art Politik und Fußball damals. Und dann habe ich mir überlegt, wo war ich gut in der Schule? Das war definitiv nicht Mathe, sondern es war eher Deutsch. Und habe mir gedacht okay, was kann ich eigentlich? Das war dann irgendwie schreiben und reden. Und was macht man damit? Man wird Journalist, im Zweifelsfall. Was dann dazu geführt hat, dass ich nach meinem Abi ein Praktikum bei Reuters Fernsehen gemacht habe, was mir sehr gefallen hat. Es war damals kurz nach der Bundestagswahl 2013 und ich war bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin dabei, wo ich dann gemerkt habe, es ist irgendwie wahnsinnig spannend. Man ist dabei, während Geschichte passiert. Manchmal im Kleinen, manchmal im Großen. Und das hat dann dazu geführt, dass ich gesagt habe „Okay, ich will Journalist werden“. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

abi» Was ist für dich die größte Herausforderung an dem Beruf als Reporter?

Bartholomäus Laffert: Ich glaube, es gibt ganz, ganz viele Herausforderungen. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen, mit denen ich überhaupt gar nicht gerechnet hatte. Das eine sind natürlich diese ganzen Verhandlungen mit Redaktionen, was ich schon gesagt habe, wenn es irgendwie um Honorare etc. geht. Und ich glaube auch, gerade als freier Journalist, nicht zu vereinzeln. Deswegen habe ich vor ein paar Jahren mit mehreren Freundinnen und Freunden ein Journalistinnen und Journalisten-Kollektiv gegründet, wo wir uns gegenseitig helfen und unterstützen und zusammen Projekte machen. Und was natürlich auch eine riesige Herausforderung ist, gerade wenn man nicht in der Redaktion arbeitet, mit dem öffentlichen Druck klarzukommen. Wir haben gerade zusammen mit zwei Kolleginnen für den Spiegel eine große investigative Recherche gemacht, und da ist ein riesengroßer Backlash auf uns zugekommen. Im Sinne von: Uns wurden ganz viele Vorwürfe gemacht. Wir wurden von den Beschuldigten angegriffen, dass wir irgendwie Cancel Culture betreiben würden und Fake News verbreiten würden. Und dann immer wieder Leuten auch zu erklären, wie Journalismus funktioniert, wie wir arbeiten, wie wir vorgehen. Dass wir nicht einfach uns hinsetzen und unseren Schreibtisch und irgendwelche Dinge erfinden, dass wir rausgehen, wenn wir Hinweise kriegen, diesen nachgehen, dann zu den Leuten fahren, die betroffen sind, die darüber unvoreingenommen befragen. Und wenn wir dann das Gefühl haben, dass sich irgendwelche Vorwürfe tatsächlich verhärten, dann entscheiden, ob wir die Geschichte bringen oder nicht bringen. Und das immer wieder zu erklären, wie wir eigentlich arbeiten, gerade in so einer Zeit von Fake News und so weiter, ist definitiv auch eine der großen Herausforderungen.

abi» Ja, und wie wird man dann Reporter oder Reporterin? Du hast jetzt deinen Weg kurz erklärt. Was sind andere Wege?

Bartholomäus Laffert: Ich glaube, es ist immer noch gar nicht so easy. Und das ist irgendwie… Ich glaube, Journalismus hat immer noch ein großes Problem im Sinne von: Es ist immer noch ein oft sehr akademischer Beruf, ein sehr weißer Beruf, den Leute aus bürgerlicher Mittelschicht wählen. Ich glaube aber, es gibt gerade viel, was sich dementsprechend verändert. Also es gibt den ganz klassischen Weg über Journalistenschulen, an denen man sich bewirbt wie die DJS (Anmerkung: Deutsche Journalistenschule) in München, wie die Henri-Nannen-Schule in Hamburg, wie die Katholische Journalistenschule, auf der ich war. Und es gibt aber immer… also man geht auf die Schule, man kriegt seine, man besucht seine Kurse, meistens studienbegleitend, oder man hat davor schon was studiert, und dann macht man ganz, ganz viele Praktika. Also ich habe, glaube ich, sechs oder sieben Praktika gemacht über die Schule, schon davor und danach. Und das ist so ein bisschen der klassische Weg, der aber natürlich auch Leute aussortiert, die sich das nicht leisten können. Aber da gibt es jetzt einige Initiativen, wie von den Neuen Deutschen Medienmacherinnen und -machern zum Beispiel, die auch Journalistinnen und Journalisten oder angehende Journalistinnen und Journalisten mit Migrationsgeschichte unterstützen.

abi» Das passt auch sehr gut zu meiner letzten Frage. Und zwar: Was würdest du Jugendlichen raten, die sich für den Beruf Reporter/in interessieren?

Bartholomäus Laffert: Ich würde vor allem sagen, überlegt euch die Themen, über die ihr schreiben wollt. Und ich glaube, wenn dann eine gewisse – also es ist so easy gesagt, wenn eine gewisse Leidenschaft da ist, dann klappt das schon – aber so ist das natürlich überhaupt nicht. Es ist so, wie ich das vorher genannt habe, es gibt wahnsinnig viele Hürden, die einem in den Weg gelegt werden. Gerade wenn man nicht irgendwie Mittelschicht-Kind ist und seinen Bachelor in Politikwissenschaft macht (so wie wir beide). Und ich glaube, wenn man irgendwie Geschichten hat, für die man brennt und Leute hat, die einen auf diesem Weg unterstützen, wenn man die direkt anspricht – und die haben ja vielleicht auch weiterhelfen können, welche Möglichkeiten, welche Stipendien und so weiter gibt es dann? – dann kann das funktionieren. Und dann ist natürlich immer noch mal die Frage: Braucht man die Sicherheit, irgendwo fest angestellt zu sein? Will man das? Will man lieber frei arbeiten, so wie ich das jetzt mache, was bei mir den Vorteil hat: Ich kann fürs Fernsehen arbeiten, ich kann fürs Radio arbeiten, ich kann für Print arbeiten, ich kann für online arbeiten, ich kann über Flucht und Migration und europäische Außengrenzen schreiben oder ich kann Radio-Features über Sexarbeit und K.O.-Tropfen machen, wie zuletzt für SWR2 Wissen. Also es gibt so eine riesige Palette und Reporter/in sein bedeutet nicht immer Reporter/in sein, sondern es gibt ganz, ganz viele Möglichkeiten, was das angeht. Und ich glaube, wenn man sich da einigermaßen bewusstwird, was will ich eigentlich, was sind die Geschichten, die ich machen will und sich dann auch danach so ein bisschen das Medium und die Leute sucht, dann kann das auf jeden Fall funktionieren.

abi» Bartholomäus, vielen Dank.

Bartholomäus Laffert: Vielen Dank.

abi» Weitere Beiträge zum Thema Berufe in den Medien findest du auf abi.de unter „Ausbildung > Berufspraxis“ und „Studium > Berufspraxis“. Weitere Podcasts findest du auf „abi.de > Interaktiv > Podcasts“. Das war dein abi-Podcast. Redaktion und Produktion: Elena Trautwein für den Meramo Verlag im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit.

Gut zu wissen

Journalistinnen und Journalisten sind hauptberuflich an der Verbreitung und Veröffentlichung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien beteiligt. Dies kann in einer Redaktion oder in der freien Mitarbeit, im In- oder Ausland für Print- und Online-Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen geschehen.

Als Reporterinnen und Reporter bezeichnet man Journalistinnen und Journalisten, die über aktuelle Ereignisse berichten. Die Berichterstattung erfolgt in der Regel an Ort und Stelle vor allem in den Bereichen Politik, Ausland, Justiz, Sport, Wissenschaft, Lokales und Kultur.

Weitere Informationen

Deutscher Journalisten-Verband (DJV)

www.djv.de

Neue Deutsche Medienmacher

https://neuemedienmacher.de

Henri-Nannen-Schule

henri-nannen-schule.de

Deutsche Journalisten Schule (DJS)

djs-online.de

Katholische Journalistenschule ifp

journalistenschule-ifp.de