Ralf König:
„Zeichnen, zeichnen, zeichnen!“
Schon als Kind war er begeisterter Comicleser, nach dem Kunststudium landete er einen Überraschungserfolg mit „Der bewegte Mann“. Heute ist Ralf König einer der berühmtesten Comiczeichner Deutschlands. Im Interview spricht er über seinen Berufsalltag, glückliche Zufälle – und gibt einen wichtigen Ratschlag.
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Herr König, wann und wo zeichnen Sie Ihre Comics?
Ralf König: Das ist ganz unspektakulär: Ich stehe jeden Morgen gegen 7 Uhr auf, gehe in mein Atelier, und dann zeichne ich von 9 bis etwa 17 Uhr. Dann habe ich so im Durchschnitt etwa zwei DIN-A4-Seiten fertig, aber noch ohne Farben.
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Aber müssen Sie zwischendurch nicht überlegen, was Sie nun zeichnen sollen?
Ralf König: Nein, denn die Geschichte habe ich vorher im Hinterkopf, die Hälfte meines Gehirns ist permanent mit dramaturgischem Grübeln beschäftigt. Nicht, dass ich die ganze Zeit nur an Comics denke – aber im Hintergrund läuft das oft mit, wenn es ein Problem in der Handlung gibt oder ich noch eine Pointe brauche. Ich schreibe vorher kein komplettes Drehbuch oder Story-Skript. Wenn ich in etwa weiß, wie die Geschichte ablaufen wird, zeichne und texte ich drauflos. Früher habe ich auch angefangen zu zeichnen, ohne zu wissen, worauf ich hinauswill – aber dann hatte ich 40 Seiten fertig und wusste nicht weiter. Dramaturgische Sackgasse. Das war nicht so klug.
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Zeichnen Sie auf Papier oder am Computer?
Ralf König: Ich zeichne nur auf Papier. Da habe ich Feingefühl für das Material, Stift und Papier, unschlagbar. Ich will zeichnen, keine Maus bewegen! Und ich mag nicht den ganzen Tag vorm Computer sitzen. Außerdem sind mir Computerzeichnungen meistens zu glatt, zu perfekt. Mich langweilt das.
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Wie sind Sie zu Ihrem Zeichenstil gekommen?
Ralf König: Ich habe mir eigentlich alles selber beigebracht. Und meinen Stil zu finden, dafür habe ich Jahre gebraucht, viele Jahre. Ich habe schon als Kind Comics wie Lucky Luke und Donald Duck gelesen und abgezeichnet, als Jugendlicher habe ich die Underground-Comics aus den USA entdeckt wie „Fritz the Cat“ von Robert Crumb, und später habe ich „Die Frustrierten“ von Claire Bretécher gelesen – das war eine Offenbarung! Ich habe Kunst studiert, aber da wurde mir das Comiczeichnen verboten. Ich hatte mich zwar mit meinen Comics beworben, aber als ich damit anfing, hieß es: Comics sind keine richtige Kunst. Klar, die wollten nicht, dass man etwas macht, was andere vorher schon gemacht haben. Ich hab den Comic ja nicht erfunden.
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Wann wussten Sie, dass Sie vom Comiczeichnen leben können?
Ralf König: Während der Kunstakademie hatte ich viel Zeit für meine Comics, ich bekam BAföG und hatte ausreichend Geld. Ich veröffentlichte vier Alben in einem schwulen Kleinverlag in Berlin, Schwulcomix 1–4. Dann war ich fertig mit dem Studium und wollte nicht zurück in die Schreinerei; ich hatte vorher ja eigentlich Schreiner gelernt! Also dachte ich mir, ich bewerbe mich mal bei einem größeren Verlag. Ich habe ein paar Kritzeleien zusammengesucht, sie in ein Kuvert gesteckt und an Rowohlt geschickt, mit der Frage, ob sie damit vielleicht was anfangen können. Die Post ging an eine Sekretärin, die hat das Kuvert geöffnet, die ganzen Männchen gesehen und fand das gar nicht lustig. Sie ist also zu meinem späteren Lektor und hat sich darüber empört. Da hatte ich wirklich Glück – der Mann fand die Comics super. Allerdings wollte er einen ganzen Comic-Roman. Gut, ich habe also losgelegt und es wurden 130 Seiten: „Der bewegte Mann“ gilt heute als die erste Graphic Novel. Das Buch hat sich super verkauft, das hätte ich selbst nie gedacht. Seitdem kann ich davon leben.
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Haben Sie einen Überblick über den Nachwuchs in der Comic-Szene?
Ralf König: Leider kenne ich im Moment keine großen Nachwuchs-Talente. Eigentlich wäre es schön, wenn es in der queeren Szene gute neue Leute geben würde, da würden sich viele Themen anbieten, für die ich womöglich langsam zu alt werde. Aber vielleicht ist das auch mittlerweile schwierig mit Satire und Ironie, weil die jungen Talente vorsichtig sind. Wenn man ein bisschen was Ungehobeltes schreibt oder etwas sagt, was vielleicht nicht szenekonform ist, kann man schnell einen Shitstorm ernten.
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Was würden Sie jemandem raten, der jung ist und Comiczeichner werden will?
Ralf König: Zeichnen, zeichnen, zeichnen! Und nicht vergessen: Zeichnen! Nicht nur einmal in der Woche, jeden Tag! Das ist wie Sport, Training macht den Meister. Gucken, was vorher die Idole gemacht haben und diesen nacheifern. Erst, wenn man etwas wirklich mit Leidenschaft macht und sich an seinen Fortschritten freut, findet man auch seinen Weg.
Ralf König wurde 1960 geboren, wuchs in Westfalen auf, absolvierte eine Tischlerlehre und studierte an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf Freie Kunst. 1979 veröffentlichte er erste kurze Comic-Storys in Underground-Magazinen und Schwulenzeitschriften. 1987 schrieb und zeichnete er „Der bewegte Mann“, die erste deutsche Graphic Novel. Später wurde sie auch als Kinofilm ein großer Erfolg. Königs Bücher wurden in bislang 15 Sprachen übersetzt; mit einer Gesamtauflage von fast sieben Millionen Exemplaren ist er heute der weltweit populärste Autor schwuler Geschichten.
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