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Bildende Kunst – Interview: „Ein gutes Netzwerk ist essenziell“

Wie man es schafft, einen Platz an einer Kunsthochschule zu ergattern und worauf selbstständige Künstler achten müssen, erklärt Marcel Noack, freischaffender Künstler und Fotograf mit dem Schwerpunkt Langzeitdokumentarfotografie. Er studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und sitzt im Bundesvorstand des Bundes Bildender Künstler und im Vorstand der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste.

Eine Bewerbungsmappe mit einheitlichen, gold-schwarzen Fotografien.

abi» Herr Noack, welche Eigenschaften und Fähigkeiten braucht man, um als Bildender Künstler zu arbeiten?

Marcel Noack: Das Wichtigste ist sicherlich Talent, aber es gibt andere Punkte, die man nicht unterschätzen sollte, weil sie helfen, auf sich und seine Werke aufmerksam zu machen: Man sollte in der Lage sein, sich selbst zu vermarkten, indem man beispielsweise auf Kunstmessen präsent ist und Galeristen anspricht. Ein gutes Netzwerk ist essentiell. Außerdem sollte man bereit sein, sich auch mit Themen wie Steuern und Versicherungen auseinanderzusetzen – auch wenn das nicht gerade das ist, was man sich unter dem Leben eines Künstlers vorstellt. Und nicht zuletzt hilft eine große Prise Idealismus und ein gesundes Durchhaltevermögen, denn es ist gut möglich, dass man auch mal die eine oder andere Durststrecke überstehen muss. Nur wenige Künstler können vom ersten Tag an von ihrer Kunst leben und nur die allerwenigsten schaffen es zu Weltruhm.

abi» Bevor es soweit ist und man sich bemühen kann, sich als Künstler einen Namen zu machen, besucht man in der Regel eine Kunsthochschule oder eine Akademie. Wie schwierig ist es, einen Studienplatz bekommen?

Marcel Noack: Als ich mich damals für mein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig beworben habe, kamen auf rund 15 Plätze etwa 400 Bewerber. Das ist heute nicht mehr so stark ausgeprägt. Dennoch gibt es natürlich weitaus mehr Bewerber, als Studienplätze zur Verfügung stehen. Nur konkurrieren die Studienwilligen heute zusätzlich mit Bewerbern aus dem Ausland – aktuell vor allem aus Asien. Die Folge ist klar: Die Hochschulen müssen stark aussieben und nehmen vorzugsweise jene Bewerber, die auch dem eigenen Profil entsprechen. Daher ist es ratsam, sich bei der Hochschulauswahl vorab genau zu informieren und sich an mehreren Schulen zu bewerben.

abi» Wie kann ich mich auf die Bewerbung vorbereiten?

Marcel Noack: Ich empfehle den Besuch einer Mappenschule, also eines Kurses, in dem man mehrere Monate lang die Werke anfertigt, mit denen man sich später an der Hochschule seiner Wahl bewerben möchte. Dort lernt man, sein Auge zu schulen und Ideen zu entwickeln – und man bekommt einen ersten Einblick in die Tätigkeit eines Künstlers und merkt idealerweise schnell, ob das etwas für einen ist. Oft bieten die Hochschulen selbst sogar solche Kurse an. Für Schülerinnen und Schüler kann es auch spannend sein, ein Praktikum in einer Galerie zu machen, um einen Einblick in die Kunstwelt zu bekommen: Was will der Markt? Wie organisiert man eine Ausstellung?

abi» Angenommen, ich werde abgelehnt. Was tue ich?

Marcel Noack: Dann versuche ich es wieder! Wer einmal abgelehnt wurde, darf nicht denken, dass er talentlos ist. Manchmal passt man einfach nicht in die Mischung aus Studierenden, die der Professor haben möchte. Oder man erscheint den Lehrenden zu jung und unerfahren. Das wird dann auch häufig so im Ablehnungsschreiben kommuniziert. Dann heißt es: „Du bist gut, aber noch nicht reif genug. Versuch es im kommenden Jahr noch mal.“ Auch ich finde, dass eine gewisse Lebenserfahrung für einen Künstler wichtig ist, denn das macht seine Kunst erst interessant. Das heißt: Auch wer vorher schon eine andere Ausbildung gemacht hat, beispielsweise als Tischler, kann anschließend noch an die Kunsthochschule. Altersgrenzen gibt es keine. Der älteste Studienanfänger, den ich mal getroffen habe, war schon über 50 Jahre alt.

abi» Sie selbst arbeiten als selbstständiger Fotograf. Welche Alternativen zu der Tätigkeit als freier Künstler gibt es?

Marcel Noack: Die Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten ist groß: Viele ehemalige Kommilitonen sind in der Medienbranche tätig, manche arbeiten als Kunsterzieher in einer Schule. Mit den entsprechenden Weiterbildungen ist auch ein Quereinstieg in den Bereich Bühnenbild oder Kunsttherapie/-pädagogik möglich. Wer sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheidet, kann promovieren und anschließend an der Hochschule forschen und lehren.

abi» Welchen Tipp haben Sie für angehende Künstler?

Marcel Noack: Schließt euch zusammen! Die gegenseitige Unterstützung und der gegenseitige Austausch sind Gold wert. Zudem ist es in der Gruppe oft leichter, an Fördergelder und Stipendien zu kommen.