Foto: WILA Bonn
Krischan Ostenrath ist Chefredakteur vom Wissenschaftsladen Bonn.
Was sind die Herausforderungen eines nachhaltigen Konsums? Warum ist Nachhaltigkeit an sich keine erlernbare Kompetenz? Das weiß Krischan Ostenrath vom Wissenschaftsladen Bonn.
abi» Herr Ostenrath, inwieweit wirkt sich Nachhaltigkeit auf den Arbeitsmarkt aus?
Krischan Ostenrath: Es gibt keine Branche, die sich von dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit freimachen kann. Das Konzept vom verantwortungsvollen Handeln wirkt sich jedoch nur dann aus, wenn sich aus dem Nachhaltigkeitsgedanken für die Arbeitgeber Mehrwerte ergeben. Bedeutet: Ein Unternehmen, beispielweise aus der Textilbranche oder Lebensmittelindustrie, setzt nur dann auf das Thema, wenn sich dahinter ein potenzieller Markt verbirgt, mit dem sich Geld verdienen lässt. Bei einigen Produkten, zum Beispiel fair produziertem Kaffee, ist es inzwischen gelungen, den Nachhaltigkeitsgedanken so zu verkaufen, dass die Konsumenten darauf anspringen. Im Bereich Mode etwa gestaltet sich das schwieriger.
abi» Warum?
Krischan Ostenrath: Weil die Mehrheit der Konsumenten auf dem Fast Fashion-Zug mitfährt und in Läden einkauft, die T-Shirts für einen Euro verkaufen. So lang dieser Hebel stark genug ist, hat es die nachhaltige Textilwirtschaft extrem schwer – und nicht nur die. Es sei denn, es gibt gesetzliche Richtlinien, die für alle Unternehmen gelten. Dann würden wiederum neue Arbeitsplätze entstehen, weil diese Regelungen von Fachkräften mit entsprechendem Know-how überprüft werden müssten.
abi» Findet die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens dann eher auf Nebenschauplätzen statt?
Krischan Ostenrath: Fakt ist: Kein Produzent, kein Arbeitgeber kann es sich – gerade vor dem Hintergrund der Generation der „Fridays for Future“-Bewegung – leisten, nicht in irgendeiner Form nachhaltig zu sein. Über das Tempo der Umsetzung lässt sich streiten, aber die Richtung ist kaum noch umkehrbar. In der Praxis ist die Durchsetzung des Nachhaltigkeitsthemas oft ein Kompromiss, da selbst im Bereich „Erneuerbare Energien“ nicht alles Gold ist, was glänzt. Im Einzelfall ist es nicht leicht nachzuvollziehen, ob es sich um ein nachhaltig produziertes Produkt handelt oder ob sich da jemand nur ein grünes Mäntelchen angezogen hat, um Kundschaft zu gewinnen. Es ist gut, dass das Thema Nachhaltigkeit im Massenkonsum angekommen ist. Möglichweise sind die Tendenzen, Greenwashing (PR-Maßnahmen, um ein Produkt besonders nachhaltig oder umweltfreundlich darzustellen, um hohe Verkaufszahlen zu erreichen, Anmerkung der Redaktion) zu betreiben, der Preis, den wir in der Übergangsphase bezahlen müssen.
abi» Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Berufswelt?
Krischan Ostenrath: Nachhaltigkeit ist keine Schlüsselqualifikation, keine Kompetenz, in der man sich ausbilden lassen kann und die man für die Erfüllung einer Tätigkeit braucht. Es ist vielmehr ein Grundgedanke, der sich durch alle Tätigkeiten hindurch zieht. Kein Unternehmen, egal wie nachhaltig es ist, bezahlt dafür, dass Arbeitnehmer an etwas glauben, sondern dafür, dass sie etwas Bestimmtes können. Gesucht werden keine Propheten, sondern Fachkräfte, die diese Philosophie teilen. Durch das Thema Nachhaltigkeit gibt es Bewegung auf den Arbeitsmärkten. Meiner Meinung nach können alle Wege letztlich nach Rom führen – in Form eines nachhaltigen Arbeitgebers.
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Krischan Ostenrath ist Chefredakteur vom Wissenschaftsladen Bonn.
Stand: 07.11.2024
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