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Interview: „Dahinter steckt meist Narzissmus“

Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Köhler, der am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg lehrt, spricht im Interview über die Motive hinter dem Wunsch nach Ruhm und darüber, was berühmte Menschen antreibt.

Mann allein im Kinosaal

abi» Ist der Traum vom Berühmtsein ein Phänomen, das besonders Jugendliche betrifft?

Thomas Köhler: Nein, den Wunsch hegen sowohl jüngere als auch ältere Menschen. Dahinter steckt meist Narzissmus: Man will sich selbst lieben, sich gut fühlen. Das funktioniert am besten, indem man Beachtung findet und Bewunderung durch andere erfährt.

abi» Wie hat sich das durch die neuen Medien verändert?

Thomas Köhler: Früher war der Weg zum Ruhm ein langer: Wer im Mittelalter Bekanntheit erlangen wollte, dem gelang das nur über Mund-zu-Mund-Propaganda und indem er von Ort zu Ort zog. Im Internetzeitalter reicht heute unter Umständen ein Post, um eine Anhängerschaft auf der ganzen Welt zu gewinnen.

abi» Was sind neben der Selbstbestätigung weitere Motive für den Drang nach Ruhm?

Thomas Köhler: Zunächst einmal verdient man als berühmte Persönlichkeit in der Regel viel Geld. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass viele die Abwechslung im Arbeitsalltag reizt. Mal hier, mal dort zu sein, etwas von der Welt sehen – das verbinden viele mit Berühmtheit.

abi» In Ihrem Buch „Ruhm und Wahnsinn“ haben Sie psychische Erkrankungen bei berühmten Persönlichkeiten wie Virginia Woolf oder Ronald Reagan betrachtet. Laufen berühmte Menschen eher Gefahr, von einer psychischen Störung betroffen zu sein?

Thomas Köhler: Nein. Zumindest in den Fällen, die ich mir angeschaut habe, waren die Erkrankungen keine Folge des Berühmtseins. Es lässt sich aber sagen, dass viele Stars sicherlich nicht unbedingt stabile Persönlichkeiten sind. Vor allem, wenn sie sehr jung den Schritt ins Rampenlicht gemacht haben und ihr Geld mit permanenter Selbstdarstellung verdienen. Bei jemandem, der beispielsweise erst mit 40 in die Politik geht, zuvor einen Beruf erlernt und Kinder in die Welt gesetzt hat, und anschließend ein bekannter Politiker wird, sieht das sicherlich anders aus.

abi» Welche negativen Seiten kann der Ruhm noch haben?

Thomas Köhler: Je nach Bekanntheit kann man keinen Spaziergang mehr machen, ohne ständig angesprochen zu werden. Und je nach Beruf kann das Berühmtsein einem viel abverlangen: Eine erfolgreiche Geigerin muss jeden Tag viele Stunden spielen, darunter leidet irgendwann auch der Körper. Und gerade, wer früh zur öffentlichen Person wird und sein Geld beispielsweise im Showgeschäft verdient, ohne einen Beruf erlernt zu haben, läuft immer Gefahr, von heute auf morgen „out“ zu sein. Dann bleibt die Frage, wie es weitergeht und woraus man fortan sein Selbstbewusstsein zieht.

Zur Person

Ein Porträt-Foto von Thomas Köhler Ein Porträt-Foto von Thomas Köhler

Thomas Köhler

Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Köhler ist Professor im Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg.