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Berufe im Wandel der Digitalisierung: Übersetzerin: Lost in Translation?!

Emilia Gagalski (32) arbeitet seit vier Jahren als freiberufliche Übersetzerin für englische, polnische und spanische Literatur. Ein gedrucktes Buch hält sie erst in der Hand, wenn ein von ihr übersetzter Text veröffentlicht wird – denn von der Kundengewinnung über die Auftragsabwicklung bis zur Texterstellung läuft bei ihr alles digital.

Ein Foto von Emilia Gagalski

Ihren Computer und eine Internetverbindung – mehr braucht Emilia Gagalski nicht für ihre Arbeit. Wo und wann sie arbeitet, bestimmt sie als Freiberuflerin selbst. Bei den Texten, die sie übersetzt, handelt es sich um Romane und Erzählungen oder um Sachbücher zu Themen wie Feminismus oder Philosophie. Als vom Oberlandesgericht Düsseldorf ermächtigte Urkundenübersetzerin übersetzt sie außerdem offizielle Dokumente wie Heiratsurkunden und Zeugnisse.

Mit der Digitalisierung hat sich – wie in vielen anderen Branchen – auch die Arbeit professioneller Übersetzerinnen und Übersetzer verändert. Mit ihren Kunden, zum Beispiel Verlagen und Übersetzungsbüros, kommuniziert Emilia Gagalski fast ausschließlich per E-Mail. Für die Übersetzung nutzt sie häufig ein sogenanntes CAT-Tool (computergestützte Übersetzung). Das Softwareprogramm übersetzt nicht selbst, sondern erleichtert der Übersetzerin die Arbeit. Zum Beispiel legt es im Hintergrund automatisch Terminologie-Datenbanken mit den von ihr übersetzten Begriffen an. „Nachdem ich einen Begriff das erste Mal übersetzt habe, wird mir anschließend jedes Mal, wenn dieser Begriff auftaucht, dieselbe Übersetzung vorgeschlagen. Das hilft mir, den Text in einem einheitlichen Stil zu halten“, erklärt sie.

Zusätzlich hat sie die Möglichkeit, eigene Datenbanken in dem Programm zu erstellen und zu verwalten. „Mit der Zeit habe ich zum Beispiel ein Glossar mit Begriffen zu feministischen Themen angelegt, auf das ich bei meinen Übersetzungen immer wieder zurückgreife.“ Sind mehrere Übersetzerinnen und Übersetzer an einem Buch beteiligt, können sie über das Programm parallel an der Übersetzung arbeiten.

Online-Recherche statt Bibliothek

Finden sich in den Texten, die Emilia Gagalski übersetzt, Zitate anderer Autorinnen und Autoren, prüft sie, ob diese bereits zuvor ins Deutsche übersetzt wurden. „Dafür schlage ich im Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek oder dem Index Translationum, der Datenbank der UNESCO für Buchübersetzungen, nach.“ Ist das der Fall, sucht sie online nach dem Werk. „Manchmal kommt es vor, dass ich einen Text online nicht finde, dann leihe ich auch mal ein Buch vor Ort in der Bibliothek aus“, berichtet sie.

Während es bei einer Gebrauchsanweisung oder einem wissenschaftlichen Text auf eine möglichst präzise Übersetzung ankommt, hat Emilia Gagalski einen anderen Anspruch an ihre Arbeit: „Bei Literatur – egal ob Sachbuch oder Roman – geht es auch um den Klang des Textes und darum, die Stimmung des Originaltextes zu transportieren. Als Literaturübersetzerin ist man Idealistin und sieht den Text als Kunstwerk.“ Genau wie bei Autorinnen und Autoren fallen ihre Übersetzungen unter das Urheberrecht.

Von Philosophen bis Pippi Langstrumpf

Nach ihrem Bachelor in Anglistik und Romanistik an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn absolvierte Emilia Gagalski den Masterstudiengang Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihren ersten Auftrag erhielt sie noch während des Studiums. Als Freiberuflerin gehören die Buchhaltung und das Werben um Kunden zu ihrem Job.

„Manchmal spiele ich mit dem Gedanken einer Festanstellung, um mehr Planungssicherheit zu haben und auch im Urlaub oder bei Krankheit bezahlt zu werden. Trotz allem liebe ich meinen Beruf, weil ich immer wieder neue Werke kennenlernen und übersetzen darf. Und ich lerne sehr viel bei der Arbeit, gerade, wenn ich viel recherchieren muss“, sagt Emilia Gagalski, die in Polen geboren wurde und zweisprachig aufwuchs. In der Übersetzung, an der sie aktuell arbeitet, zitiert sie Schopenhauer, Kant und Albert Camus, aber auch Pippi Langstrumpf – alle in einem einzigen Text. „Manchmal geht es in den Büchern auch um Filme, Serien oder politische Slogans. Es ist wahnsinnig spannend, was ich so alles in den Texten finde und wiedergebe“, findet sie.