zum Inhalt

Data Scientist: „Die Entwicklung ist rasant“

Data Scientist Robert Hager (30) arbeitet mit Künstlicher Intelligenz an der Auswertung großer Datenmengen, um Menschen die Arbeit zu erleichtern. Dabei blickt er sogar in die Zukunft.

Ein Foto von einer Wolke

Was sich am 28. Juli 2013 im baden-württembergischen Reutlingen abspielte, sollte in die Geschichte der Versicherungswirtschaft eingehen. Tagelang hatte sich die Luft erwärmt, eine regelrechte Hitzewelle, die sich am späten Nachmittag in Gewittern entlud. Doch nicht Wasser, sondern Hagelkörner groß wie Tischtennisbälle fielen vom Himmel – entlaubten binnen weniger Minuten die Bäume der Stadt, verstopften Einlaufschächte und sorgten so für Überflutungen, zerstörten Autos, Dächer und Fassaden. Sechs Tage lang waren Einsatzkräfte aus Stadt, Kreis und Land im Einsatz, um die Lage zu beruhigen.

Der „Hagelsturm von Reutlingen“ war mit einem Gesamtschaden von 3,6 Mrd. Euro nicht nur der bis dahin größte Hagelschaden in Deutschland. Die versicherte Schadenssumme in Höhe von 2,8 Mrd. Euro war hierzulande auch die höchste ihrer Art, die durch ein Einzelereignis verursacht wurde. Solche Ereignisse vorherzusagen, kann für Versicherungen, die danach in der Regel viele Fälle zu bearbeiten haben, nützlich sein. Und tatsächlich ist es mittlerweile möglich, in gewissem Rahmen in die Zukunft zu blicken: mit Predictive Analytics (vorausschauender Analyse).

Ressortübergreifende Arbeit

Foto von Robert Hager Foto von Robert Hager

Robert Hager

„Wenn ein Unwetter wie der Orkan Sabine Anfang Februar vorhergesagt wird, werten wir Daten vergleichbarer Stürme aus – wie zum Beispiel von Kyrill im Jahr 2009“, erklärt Robert Hager, Data Scientist bei der Versicherungskammer Bayern. „Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Variablen. Für kleinste Einheiten werden Luftfeuchtigkeit, Niederschlagsmenge, Temperatur und Windstärke ausgewertet.“ Über solchen immensen Datenmengen müssten Menschen eigentlich mehrere Jahre brüten. Müssen sie aber nicht, dank Künstlicher Intelligenz (KI).

Seinen Master als Versicherungs- und Finanzmathematiker an der Technischen Universität München hat Robert Hager 2015 abgeschlossen. Mit KI hatte der 30-Jährige schon in seinen studienbegleitenden Praktika zu tun. Wie stark KI seinen Arbeitsalltag prägen würde, war ihm im Studium allerdings noch nicht klar. „Die Entwicklung ist rasant“, sagt er. „Heute gibt es viel mehr spezialisierte Data-Scientist-Studiengänge.“

Seine tägliche Arbeit dreht sich um Daten, aber auch in der Kommunikation ist Robert Hager gefordert. Der Austausch mit Kollegen aus den Fachabteilungen ist ein wichtiger Teil seiner Aufgaben. Er muss ihre vielfältigen Themenstellungen und Anforderungen verstehen. „Ich arbeite über alle Ressorts hinweg an KI-Lösungen, die Prozesse weiter beschleunigen und verbessern“, erklärt er. Dabei kann es sowohl um die Schadenregulierung in der Kraftfahrzeug-Versicherung gehen, wie auch darum, Betrugsfälle zu identifizieren oder das Marketing zu unterstützen. Seine typischen Aufgaben beschreibt er so: Problemstellung und fachliche Anforderung verstehen, relevante Daten sammeln und visualisieren, den Algorithmus trainieren und testen und dann „scharf schalten“.

Menschlicher Sachverstand dennoch wichtig

„Bild- und Texterkennung sind ein wichtiges Thema“, erklärt Robert Hager. „So können wir Gutachten automatisch auswerten oder prüfen, ob alle Dokumente eines Antrags gültig sind. Und für Schadenmeldungen, welche die KI als nicht betrügerisch identifiziert hat, können schneller Auszahlungen erfolgen.“ Menschlicher Sachverstand ist weiter gefordert, „aber unsere Experten können sich auf die problematischen Fälle konzentrieren“.

Am Ende geht es immer um möglichst präzise Vorhersagen, die ein selbstlernender Algorithmus auf der Basis eines möglichst großen Datenpools trifft – wie Schadensprognosen bei Unwettern. Geschwindigkeit und Genauigkeit sind die Vorteile der KI. Ein Selbstläufer ist das aber nicht: Zu den Aufgaben von Robert Hager gehört es, die Ergebnisse der Algorithmen zu kontrollieren und sie bei Bedarf mit neuen Daten nachzutrainieren. „Wir erhalten zum Beispiel Feedback von Sachbearbeitern zu den Vorschlägen, die ein Algorithmus gemacht hat, um diesen zu überwachen und weiter zu optimieren“, beschreibt er.

Robert Hager muss offen für Inhalte und kommunikativ sein, sein wichtigstes Handwerkzeug bleibt aber die Technik: „ Einen Großteil meiner Zeit beschäftige ich mich mit Programmieren und IT Umsetzungen“, berichtet er. Sein Know-How hat er sich im Studium sowie im Arbeitsleben angeeignet und bleibt ständig am Ball. Weiterbildung ist für ihn selbstverständlich, und zwar mit viel Eigeninitiative. „Man muss links und rechts schauen und im Austausch mit Gleichgesinnten, über Online-Tutorials oder Meet-Ups, an den neuesten Entwicklungen dranbleiben.“ Stetes Lernen wird auch seinen weiteren Karriereweg prägen. „Als Data Scientist muss man sich immer breiter aufstellen“, erklärt er. Ihn schreckt das nicht, im Gegenteil. „Ich habe in jedem neuen Projekt dazugelernt, auch wenn ich zuerst dachte, das ist nicht mein Thema. Man fuchst sich in die neuen Aufgaben hinein und hat immer wieder Spaß dabei.“