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Entwicklungsingenieur für Speichertechnologie: Die Energiewende in Schwung bringen

Rotierende Massen nehmen kinetische Energie auf – und geben sie bei Bedarf als Strom wieder ab. Auf diesem Prinzip beruhen Schwungradenergiespeicher. Allerdings rechnet sich das derzeit noch nicht. Genau daran arbeiten Andreas Weller (36) und sein Entwicklungsteam bei Stornetic in Jülich.

Ein Gang zwischen zwei Reihen Schwungradenergiespeichern.

Wumm – ein lauter Knall erschüttert den Teststand. Diesmal hat der Prototyp den Magnetisierungskräften nicht standgehalten. „Manche finden das spannend, für mich ist das richtig nervenzehrend. Ich leide immer sehr, wenn etwas kaputtgeht“, sagt Andreas Weller. Der 36-Jährige ist Projektleiter eines Teams, das aus Elektroingenieuren, Konstrukteuren, Experimentalphysikern, Elektrikermeistern und Software-Entwicklern besteht. „In der Vorentwicklung braucht man eine hohe Resilienz, denn Rückschläge sind an der Tagesordnung.“ Selbst hat er Maschinenbau an der RWTH Aachen studiert, arbeitet seit neun Jahren bei Stornetic in Jülich und ist dort seit einem Jahr mit einer wichtigen Machbarkeitsstudie betraut. Das Ziel: technische Lösungen zu finden, um Schwungradenergiespeicher wirtschaftlich zu machen. Sie können Stromschwankungen im Netz ausgleichen, die zum Beispiel durch den Ausbau der regenerativen Energien entstehen.

„Die Technologie steckt in den Kinderschuhen“, erklärt der Projektleiter. „Noch ist sie zu teuer und bisher nur in Pilotanlagen im Einsatz.“ Derzeit versuchen er und sein Team die aktiven Elektromagnetlager, also Magnetlager, die Strom und Steuereinheiten brauchen, durch günstigere, passive zu ersetzen. Die Magnete lagern die Rotoren berührungslos, also schwebend und somit reibungs- und verlustarm. Andreas Weller ist der Kopf des Ganzen, überlegt sich Konzepte, führt Testergebnisse zusammen, analysiert Rückschläge, packt aber auch in der Werkstatt mit an. Die Prototypen werden von Hand gefertigt, gefräst und gedreht. Manchmal muss Werkzeug hergestellt oder etwas repariert werden. „Der Magnet, der beim Test kaputtgegangen ist, den habe ich eigenhändig eingeklebt“, erzählt er. Auch wenn er selbst lieber denkt als werkelt, wie er selbst sagt, ist für ihn klar, dass er alles dafür tut, um einen Prototypen zu retten.

Dranbleiben und weitermachen

Ein Porträtfoto von Andreas W. Ein Porträtfoto von Andreas W.

Andreas Weller

„Ich bin ein Generalist“, sagt der 36-Jährige, der betont, dass er grundsätzlich Spaß an Naturwissenschaften und Erfindergeist hat. „Ich habe das große Ganze im Blick. Mich reizt die Herausforderung, dass es noch keiner hinbekommen hat, das Prinzip kommerziell attraktiv zu machen.“ Dass er mal hier landen würde, ganz nah an Lösungen für die Energiewende, hätte er als Abiturient nicht gedacht. „Ich war ziemlich ‚Lost in Space‘, hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Ich hatte Spaß am Flugzeugmodellbau, also habe ich mich einfach mal für Maschinenbau eingeschrieben.“

Auch im weiteren Studienverlauf ließ er sich von seinen Interessen leiten und vertiefte im Master in Richtung Flug- und Raumfahrtantriebe. Er machte Praktika in unterschiedlichen Firmen, auch bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und begann nach seinem Abschluss ein Traineeprogramm für Ingenieurinnen und Ingenieure bei einem Energieunternehmen. Dabei durchlief er mehrere Abteilungen und lernte alle Aspekte von Forschung bis Produktion kennen, auch die wirtschaftlichen. „In einer Großserienfertigung oder auf einem einsamen Raketentestgelände zu arbeiten, nur einen kleinen Teil eines Prozesses im Blick zu haben, sich nur darauf zu spezialisieren, das wäre nichts für mich“, erklärt er.

Technologie in der Schwebe

Vom Flugzeugantrieb zum Schwungradspeicher ist es ingenieurtechnisch betrachtet nicht sehr weit, schließlich nutzen beide rotierende mechanische Energie, also bewarb er sich bei Stornetic und durfte dort bald große Kundenprojekte betreuen. In Japan installierte er eine ganze Pilotanlage vor Ort mit und übernahm schließlich die Projektleitung in der Entwicklung. Dass er in einer Branche arbeitet, die im Umbruch ist und die Technologie, die heute noch als innovativ gilt, morgen bereits überholt sein könnte, bereitet ihm keine Sorge. „Ich bin nicht naiv: Unser Business ist kein Selbstläufer. Umso wichtiger ist es, dass wir das jetzt hinbekommen. Ich möchte unsere Zukunft mitgestalten.“