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Frauenstudiengänge – Erfahrungsbericht: Informatik studieren im Safe Space

Dilek Ogur (24) studierte „Informatik und Wirtschaft“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Das Besondere daran? Sie hatte keinen einzigen männlichen Kommilitonen. Der Grund dafür: Sie besuchte einen Frauenstudiengang.

Eine junge Frau sitzt vor zwei Bildschirmen und setzt Änderungen am Programm um.

Gerade einmal etwas über 20 Prozent der Informatik-Studierenden in Deutschland sind Frauen. Dabei garantiert ein Abschluss in diesem Studienfach gute Berufsaussichten und hohe Einkommen, denn die Wirtschaft sucht händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften mit MINT-Abschluss (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Bei vielen Frauen liegt es selten am mangelnden Interesse an der Thematik, dass sie sich nicht für ein technisch-mathematisches Studienfach wie Informatik entscheiden – sondern häufig an mangelndem Selbstbewusstsein.

  • Portraitbild der Informatik-Studentin Dilek Ogur.

    Die Sorge, sich vor den vermeintlich besseren männlichen Kollegen zu blamieren, existiert nicht. Wir Frauen unterstützen uns gegenseitig.

    Dilek Ogur, Masterstudentin Wirtschaftsinformatik

Begeisterung wichtiger als IT-Vorkenntnisse

2009 wurde der Frauenstudiengang „Informatik und Wirtschaft“ an der HTW Berlin ins Leben gerufen, um Frauen eine sichere Umgebung für den Einstieg in die klassische Männerdomäne IT zu bieten. Mit Erfolg: „Wäre ich nicht durch eine Freundin auf dieses Angebot aufmerksam gemacht worden, hätte ich vermutlich niemals Informatik studiert“, sagt Dilek Ogur.

Das Studieren ohne Männer habe so einige Vorteile, meint die frischgebackene Bachelorabsolventin. „Man traut sich, Fragen zu stellen und zu diskutieren, weil man nicht blöd angeguckt wird. Die Sorge, sich vor den vermeintlich besseren männlichen Kollegen zu blamieren, existiert nicht. Wir Frauen unterstützen uns gegenseitig.“ Das schaffe eine sehr angenehme Atmosphäre, die auch aufgrund der kleinen Gruppe ohnehin ruhiger sei. Insgesamt 40 Studienplätze stehen pro Semester zur Verfügung.

Besondere IT-Vorkenntnisse braucht es nicht, da der Unterricht mit den Grundlagen beginnt. Faszination für das Tüfteln, logisches Denken und Teamarbeit sowie Motiviertheit seien jedoch die Basis, um in diesem anspruchsvollen Studiengang happy zu sein, weiß die IT-Begeisterte.

Alles wie immer – nur eben ohne Männer

Die Inhalte des Frauenstudiengangs sind deckungsgleich mit denen des regulären Studiengangs, auch die Dozierenden sind dieselben. Den Studentinnen werden umfangreiche IT-Expertise, grundlegende Kenntnisse der BWL, Sprachen und Softskills vermittelt. „Wir lernen zum Beispiel IT-Systeme zu konzipieren und zu bauen. Wir verbessern Arbeitsprozesse, entwickeln Datenbanksysteme und erarbeiten kreative Software-Lösungen mittels Programmierung. Ich habe im Laufe des Studiums mein Faible für Web-Technik entdeckt“, erzählt Dilek Ogur.

Auf dem Studienplan stehen außerdem Module wie Geschäftsprozesse, Verteilte Systeme und Projektmanagement.

Anwendungsbezug und Praxisnähe

Praxisorientierung wird an der HTW großgeschrieben: So steht im dritten und fünften Semester das Modul „Projekte“ an: „Das erfolgt in Kooperation mit Unternehmen, von denen wir einen Auftrag für eine Produktentwicklung erhalten, die wir in Teamarbeit erledigen und am Ende in der Uni vorstellen“, berichtet Dilek Ogur. Darüber hinaus besteht das vierte Semester aus einem Fachpraktikum über 17 Wochen.

Die 24-Jährige, die nebenbei als Werkstudentin in der Frontend-Entwicklung arbeitet, studiert seit April 2024 den Masterstudiengang „Wirtschaftsinformatik“ an der HTW – mit männlichen Kommilitonen, denn einen Masterstudiengang nur für Frauen gibt es nicht. Weil sie weiß, was sie kann, braucht sie den aber auch nicht: „Nach drei Jahren Bachelorstudium mit viel Praxiserfahrung weiß ich, dass ich auch in einem regulären Studiengang – und mit den Männern – sehr wohl mithalten kann.“