zum Inhalt

Ghost – feel it!: Gründen ist keine Geisterbahn!

„Ghost – feel it“ heißt das Start-up, das Laura Bücheler (29) und Isabella Hillmer auf die Beine gestellt haben. Den Gründerinnen geht es um ein sehr lebensnahes Thema: Menschen mit Nervenschäden sollen wieder etwas spüren können.

Eine junge Frau berät einen Mann

Dafür hat „Ghost – feel it“ haptische User-Interfaces zur Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung entwickelt, die Prothesen eingesetzt werden. „Das Gehirn ist lernfähig“, erklärt Laura Bücheler. „Säuglinge lernen, indem das Gehirn verschiedene Reize und Wahrnehmungen kombiniert und interpretiert. Wir lösen vergleichbare Prozesse aus, die zum Beispiel den Druck des Zeigefingers auf einen Gegenstand wieder spürbar machen.“

Dabei werden in der Prothese Sensordaten vom Druck des Zeigefingers aufgenommen und über Kabel oder Bluetooth an andere Orte im Körper weitergeleitet, wo ein kleiner Motor eine Vibration verursacht. In Kombination mit optischen Signalen lernt das Gehirn, dass die Vibration den Druck des Zeigefingers wiedergibt. Das Ergebnis: die verlorene Hand spürt wieder etwas.

Alte Freundschaft – neue Ideen

Portraitfoto von Laura Bücheler Portraitfoto von Laura Bücheler

Laura Bücheler

Entstanden ist das Projekt in Teamarbeit: Die 29-Jährige Laura Bücheler hat Ingenieurwissenschaften und Medizintechnik studiert und ihren Master in Biomedical Engineering gemacht. Ihre Mitstreiterin Isabella Hillmer kennt sie aus Schulzeiten. Sie hat vor ihrem Master in Industriedesign Philosophie und Neurowissenschaften studiert und sich der Frage, wie geschädigte Nerven wieder „zum Leben erweckt“ werden können, von der menschlichen Seite genähert. Zu diesem Zeitpunkt kam den beiden die Idee, haptische User-Interfaces für Prothesen zu entwickeln. Isabella Hillmer behandelte das Thema in ihrer Masterabeit und wurde von ihrem Betreuer darin bestärkt, sich mit dem Projekt selbstständig zu machen – der Startschuss für das gemeinsame Unternehmen.

Als Partner standen den beiden die TU Berlin und die Charité zur Seite, bei der Konzeptentwicklung und der praktischen Umsetzung. „Die Charité hat uns Hinweise zu den Anforderungen für medizintechnische Anwendungen gegeben“, sagt Laura Bücheler. „Und der Ausgründungsmanager dort hat mit Tipps zu Stipendien und Netzwerken geholfen“. Mit dem Berliner Start-up Stipendium meisterten die Gründerinnen die erste Phase. Zusätzlich war die Bewerbung um ein EXIST-Gründerstipendium erfolgreich: bis Ende 2019 wurde „Ghost – feel it“ über dieses Programm unterstützt. Die beiden jungen Frauen haben die Zeit gut genutzt. 

„Im März 2019 haben wir eine GmbH gegründet“, berichtet Laura Bücheler. „Das ist wichtig, da wir uns auch international aufstellen wollen.“ Seit Januar 2020 steht das Start-up auf eigenen Füßen und wird zwei weitere Mitarbeiter und einen Werkstudenten finanzieren. „Wir sind in der Erprobungsphase von Prototypen und erarbeiten mit Prothesenherstellern Anwendungsfälle“, erklärt die Ingenieurin. Das bringt bereits Geld ein – viele Unternehmen kooperieren in dieser Form mit Start-ups als ausgelagerten Forschungseinheiten.

Konzentration auf das Wesentliche

 „Ghost – feel it“ profitiert von einem Strategiewechsel, der die Entwicklung zunächst verzögert hatte. „Ursprünglich wollten wir selbst Prothesen herstellen“, berichtet Laura Bücheler. „Das wäre aber sehr aufwendig und teuer gewesen. Daher haben wir beschlossen, uns auf unsere Kernkompetenz zu konzentrieren.“ Statt Prothesenherstellern Konkurrenz zu machen, arbeiten die Gründerinnen nun mit ihnen zusammen. Wenn die Lösung anwendungsreif ist, verdient das Start-up über ein Lizenzmodell. Laura Bücheler betont einen weiteren Vorteil dieser Neuausrichtung: „Wir sind flexibler in den Anwendungsbereichen“, sagt sie. „Wir arbeiten auch an Lösungen für die Automobilindustrie, etwa der Steuerung von Lenkradausschlägen über haptische Interfaces.“

Und die Zukunft? Die 29-Jährige ist optimistisch. „Ich hätte mir früher nicht vorstellen können, selbst zu gründen, aber mit diesem Team und diesem Thema war klar: Die Selbstständigkeit ist genau das richtige!“