Bühnenmalerin und Bühnenplastikerin – Malerei:
Alles nur Illusion?
Nele Lemke (23) wird am Theater im rheinland-pfälzischen Koblenz zur Bühnenmalerin und Bühnenplastikerin in der Fachrichtung Malerei ausgebildet. Mit ihren täuschend echten Bildern schafft sie die passende Kulisse für die Aufführungen.
Eigentlich wollte Nele Lemke nach dem Abitur nur eine Auszeit nehmen. Dass ihre Reise nach Indien sie hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft inspirieren würde, hatte die damals 19-Jährige nicht geahnt. „Im Rahmen eines Projekts habe ich Kinder an einer Grundschule unterrichtet und erfahren, was Kunst alles bewirken kann, über Sprachbarrieren hinaus“, erzählt sie. Kunst als Verständigungsmittel – diese Idee begeisterte die gebürtige Bremerin so sehr, dass sie sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland für einen künstlerischen Ausbildungsberuf entschied.
Eine Ausbildung zur Bühnenmalerin und Bühnenplastikerin in der Fachrichtung Malerei sollte es werden, doch die Anforderungen sind hoch, die Plätze an den Theatern und Schauspielhäusern äußerst begehrt. Um zu erkennen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, über räumliches Vorstellungsvermögen sowie künstlerisches Talent verfügen, müssen sie eine Kunstmappe einreichen. Diese sollte Zeichnungen und Malereien enthalten, darunter anatomische Studien sowie Landschaftsbilder.
Im ersten Anlauf hatte es für Nele Lemke nicht gereicht. Ihre anatomischen Studien waren noch nicht gut genug, außerdem fehlten großformatige Bilder. Die Absage war für sie Motivation, sich intensiver um ihre Wunschausbildung zu bemühen. In der Zwischenzeit bis zur nächsten Bewerbungsphase machte sie ein Praktikum im Malsaal des Theaters Koblenz, anschließend am selben Ort ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ Kultur). Die Einblicke in den Beruf bestätigten sie noch mehr in ihrem Vorhaben. An fünf Theater schickte sie ihre Mappe, alle boten ihr einen Ausbildungsplatz an. Die 23-Jährige entschied sich für Koblenz: „Ich hatte hier einfach schon Fuß gefasst – jetzt bin ich ein echtes Hausgewächs“, sagt sie schmunzelnd.
Mit Beginn der Ausbildung im Jahr 2019 lernt Nele Lemke nicht nur das praktische Malen, sondern auch die dazugehörige Theorie. An der Berufsschule in Baden-Baden – neben Berlin die einzige für diese Ausbildung in Deutschland – belegt sie alle zwei bis drei Monate jeweils zwei bis drei Wochen Unterricht zu Themen wie Materialkunde und Kunstgeschichte. Auch Deutsch, Englisch und Mathe stehen auf dem Stundenplan.
Zurück in Koblenz heißt es dann wieder: malen, malen, malen. Zu Übungszwecken erhält sie beispielsweise von ihrem Chef, dem Bühnenmalermeister, eine DIN-A4-Vorlage eines Werkes von Michelangelo, das sie maßstabsgetreu vergrößern soll. „Dabei muss ich auf jedes Detail achten, sogar Fehler, etwa einen fehlenden Finger an der Hand einer Figur, muss ich übernehmen“, erklärt sie.
Für die Gestaltung des Bühnenbildes arbeiten die Auszubildende und ihre Kolleginnen und Kollegen eng mit den Abteilungen Bühnenbild und Requisite zusammen. „Wenn für die nächste Aufführung ein Marmorboden benötigt wird, übe ich wochenlang, den perfekten Marmorboden zu malen.“ Wird ein Vorhang gebraucht – es aber kein echter sein soll –, muss sie die Illusion eines Vorhangs schaffen. „Den Faltenwurf habe ich im ersten Ausbildungsjahr bis zur Erschöpfung geübt“, erinnert sie sich. Dabei muss sie sich des Öfteren selbst bremsen: „Ich kann mich komplett in den Bildern verlieren. Das Entscheidende ist aber, dass die Bilder aus der Ferne wirken“, erklärt die 23-Jährige.
In wenigen Wochen wird Nele Lemke ihre Abschlussprüfung ablegen. Danach will sie erneut auf Reisen gehen und nach ihrer Rückkehr ein Studium im Fach Bildende Kunst beginnen. Irgendwann, wenn sie sich noch mehr Fachwissen angeeignet hat, kann sie sich vorstellen, wieder ans Theater zurückzukehren. Bis dahin ist sie überzeugt: „Es gibt noch so viel zu lernen und zu entdecken.“
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