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Bühnenbild-Assistentin: Man muss flexibel sein

In ihrem Beruf muss Bühnenbild-Assistentin Julie Wiesen (34) Durchhaltevermögen beweisen und bereit sein, verschlungene Wege zu gehen. Ihren Platz hinter der Bühne suchte sie schon während der Schulzeit in der Theater-AG.

Eine Frau macht auf einer Bühne eine Pose.

Es waren Vorhänge, die Julie Wiesen fast zum Verzweifeln brachten. Für die Aufführung eines Stücks von Friedrich Schiller hatte sich die Bühnenbildnerin, mit der die 34-Jährige zu diesem Zeitpunkt zusammen arbeitete, eine ganz besondere Dekoration in den Kopf gesetzt: Vorhänge aus Gitterfolie, semitransparent.

Die Idee klang gut, das fand auch Julie Wiesen, doch es gab ein Problem: Die Vorhänge waren nirgendwo zu finden. Eine Lösung musste her, denn der einfache Weg – andere Vorhänge zu nehmen – kam für niemanden der Beteiligten in Frage, schließlich sollte das Bühnenbild am Ende perfekt sein. Also begann Julie Wiesen mit der Suche: Sie telefonierte herum, schrieb E-Mails, kontaktierte Firmen in Deutschland, Österreich und Belgien. Sie bestellte Folienmuster – viele Muster. Immer in der Hoffnung, dass die richtige Folie dabei sein würde. „Am Ende hatte ich so viele in meiner Wohnung herumliegen, dass ich fast den Überblick verlor“, erinnert sich die Kölnerin. Keine leichte Zeit, doch der Aufwand hat sich gelohnt: Am Ende fand Julie Wiesen die passende Folie. „Ich war stolz auf mich, dass ich zum Gelingen des Stücks beitragen konnte.“

Auf Umwegen zum Theater

Porträt von Julie Wiesen Porträt von Julie Wiesen

Julie Wiesen

Durchhaltevermögen, Perfektionismus, Neugier, Kreativität – diese Eigenschaften sind für Julie Wiesens Beruf ebenso wichtig wie der Glaube daran, dass es sich lohnt, nicht gleich aufzugeben, und die Bereitschaft, verschlungene Wege zu gehen. Dass Julie Wiesen das kann, zeigt nicht nur die Geschichte mit den Folien, sondern auch ihr beruflicher Werdegang. Nach dem Abitur begann sie zunächst Soziale Arbeit zu studieren, schwenkte dann nach ein paar Semestern auf den Studiengang Kulturpädagogik mit dem Schwerpunkt Theater um. „Dieser Fokus war für mich naheliegend, denn Theater hatte mich schon immer interessiert. In der Schule war ich in der Theater-AG, allerdings schon damals nicht auf der Bühne, sondern dahinter – ich habe kleinere Arbeiten am Bühnenbild übernommen.“

Nach dem Bachelorabschluss schrieb sie sich für den Masterstudiengang Szenografie an der FH Dortmund ein – und legte damit den Grundstein für ihre heutige Tätigkeit: In einem Seminar kam sie mit einer Dozentin in Kontakt, die hauptberuflich als Regisseurin arbeitet und kurz darauf am Deutschen Nationaltheater in Weimar inszenierte. Julie Wiesen wurde Hospitantin des Bühnenbildners und ergatterte kurz darauf eine Assistenz am gleichen Theater. Dort half sie dann das erste Mal dabei, ein Bühnenbild für eine Aufführung umzusetzen.

Engagement meist nur für eine Produktion

Auf Weimar folgten – parallel zum Studium – weitere Assistenzen. 2016 machte die gebürtige Grevenbroicherin ihren Master und bewarb sich an einem guten Dutzend Theatern. Sie erhielt mehrere Einladungen, unter anderem nach Nürnberg. „Wer in der Bühnenbildszene erfolgreich sein will, muss flexibel sein und auch bereit dazu, häufig den Wohnort zu wechseln oder viel herumzufahren“, erklärt sie. „Denn die Engagements der Bühnenbildner, die in der Regel freiberuflich arbeiten, sind meistens nur auf eine Produktion angelegt.“

Als Assistentin ist Julie Wiesen dagegen festangestellt und blieb insgesamt drei Jahre in Nürnberg. „Es ist spannend, an unterschiedlichen Theatern zu arbeiten und so immer wieder die Fähigkeiten der Kollegen erleben zu dürfen.“ Bühnenbild ist Teamarbeit, erklärt sie. Bühnenbildner denken sich das Bühnenbild aus und schaffen zunächst einen Entwurf im Miniaturformat. In enger Abstimmung mit der Regie und der Technik werden mögliche Änderungen besprochen, anschließend kümmern sich die Werkstätten um die Umsetzung.

Ein vielseitiger Beruf – mit Entbehrungen

Mittlerweile arbeitet Julie Wiesen an den Kölner Bühnen. Das Theater ist ihre Welt – auch wenn diese Welt Entbehrungen mit sich bringt. Wer wie Julie als Bühnenbild-Assistentin arbeiten möchte, muss sich auf lange Tage einstellen: „Gerade wenn die Proben in die heiße Phase gehen, sind wir selten vor Mitternacht zu Hause. Während der Spielzeit hat man folglich wenig Freizeit und der Verdienst ist nicht üppig.“

Frustriert klingt Julie Wiesen allerdings überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie kann sich keinen besseren Beruf vorstellen und ist fest entschlossen in den kommenden Jahren mit genug Erfahrung als Assistenz als freiberufliche Bühnenbildnerin durchzustarten: „Man ist eine Immer-Lernende. In jeder Spielzeit stehen neue Stücke und damit neue Herausforderungen auf dem Programm. Es gibt keinen Alltag, alles ist immer im Fluss, das liebe ich.“

Video: Bühnenbildner/in

Der Artikel enthält ein Video mit weiteren Informationen.

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