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Logopäde: „Ohne Sprache ist alles nichts“

Dennis Thorndahl (31) hat einen Bachelor- und einen Masterabschluss in Logopädie. Er ist in einer logopädischen Praxis angestellt und lehrt parallel als Dozent an der Universität zu Köln.

Logopäde/Logopädin trainiert Aussprache mittels Bildergeschichte

Ein Dienstag in Dennis Thorndahls Berufsleben, der – wie er sagt – „perfekt illustriert, wie vielfältig meine Arbeit ist, wie sehr sie über die stereotype Vorstellung hinausgeht, dass Logopäd*innen nur Probleme wie Lispeln behandeln.“ Sein erster Patient an diesem Tag ist ein Zehnjähriger mit einer Autismus-Spektrum-Störung, der sich nicht lautsprachlich äußern kann, dies aber mit einer elektronischen Kommunikationshilfe lernen soll: „Als Therapeut muss ich eine Situation schaffen, in der er das Bedürfnis hat zu kommunizieren, und ihm zeigen, wie er das Gerät dafür nutzt“, erklärt der 31-Jährige. „Da es sich um ein Kind handelt, bespreche ich danach mit den Eltern, wie sie ihn unterstützen können.

Sein zweiter Schützling ist ein Jugendlicher mit einer Störung, die nach der Pubertät nicht vollständig verschwunden ist: Stottern. „Wir üben eine Sprechtechnik, mit der er das Stottern möglichst gut beherrscht. Außerdem spreche ich mit ihm darüber, welches Bild unsere Gesellschaft von Stotternden hat, und versuche sein Selbstbewusstsein so zu stärken, dass er damit umgehen kann.“

Sechs bis acht Patient*innen pro Tag

Ein Foto von Dennis Thorndahl Ein Foto von Dennis Thorndahl

Dennis Thorndahl

Gegen Mittag erscheint eine ältere Dame Mitte Siebzig bei Dennis Thorndahl, die nach einem Schlaganfall an einer Aphasie leidet – einer Störung der Sprachfähigkeit. „Es fällt ihr immer noch schwer, einzelne Wörter zu finden. Das trainiere ich mit ihr gezielt.“ Insgesamt sechs bis acht Patient*innen behandelt der Logopäde an einem Arbeitstag, der um neun Uhr beginnt und bis in den späten Nachmittag reicht. Morgens muss er sich anhand seiner Patientenakten zunächst auf die einzelnen Fälle vorbereiten und am Ende des Tages dokumentieren, was er getan hat, Berichte schreiben und telefonieren.

Seit 2016 ist er in einer Praxis in Köln angestellt. Zuvor hatte er ein dreieinhalbjähriges Bachelorstudium der Logopädie an der Hochschule für Gesundheit in Bochum abgeschlossen. Zwischen 2014 und 2019 folgte ein berufsbegleitendes Masterstudium der Lehr- und Forschungslogopädie an der RWTH Aachen.

„Nach dem Abitur wusste ich: Ich möchte etwas mit Medizin, Psychologie und Pädagogik machen“, berichtet Dennis Thorndahl. „Die Logopädie vereint all dies und widmet sich einem unverzichtbaren Bereich menschlichen Zusammenlebens: der Kommunikation. Ohne Sprache ist nämlich alles nichts.“ Ihn bestärkte zudem ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer psychiatrischen Einrichtung darin, wie essenziell Sprache ist und dass er gerne Menschen unterstützen möchte, die darin eingeschränkt sind.

Therapeut*innen sollten Studienergebnisse nutzen

War die Logopädie bis vor einigen Jahren noch ein reiner Ausbildungsberuf, wird das Fach inzwischen häufig an Universitäten gelehrt – ein richtiger Schritt, wie Dennis Thorndahl findet: „Das Studium zeigte mir: Zukünftig sollte die Mehrheit der Logopäden an Hochschulen ausgebildet werden. Als Therapeut muss man klinische Studien lesen und verstehen, die oft sehr abstrakt geschrieben sind und deren Ergebnisse in die Praxis einfließen lassen.“

Dennis Thorndahls eigener Werdegang demonstriert zudem: ein Studium erleichtert den Weg in Lehre und Forschung logopädischer oder artverwandter Fächer. „In unserer Praxis betreute ich Praktikantinnen von Hochschulen und Berufsfachschulen und fand das interessant. So bewarb ich mich für eine Dozentenstelle an der Hochschule und habe diese seit Anfang des Jahres inne.“ Nun teilt er seine Arbeitskraft auf: Montags und dienstags und den halben Freitag ist er als angestellter Logopäde in der Praxis in seiner Heimatstadt beschäftigt. Mittwochs, donnerstags und die andere Hälfte des Freitags unterrichtet er an der Universität zu Köln als Dozent für besondere Aufgaben am Lehrstuhl für Sprachbehinderungspädagogik. In seine Lehrtätigkeit kann er seine Kenntnisse einbringen, die er während eines Forschungsprojekts für Unterstützte Kommunikation erworben hat. Damit sind unter anderem technische Kommunikationshilfen, wie sie zum Beispiel der Physiker Stephen Hawking nutzte, oder die Kommunikation über Symbole und Gebärden gemeint.

Dennis Thorndahl ist momentan „superzufrieden“ mit seinem Beschäftigungsmodell. „Forschung ohne Praxis wäre für mich langweilig – und umgekehrt“, sagt er. Langfristig kann er sich vorstellen, den Forschungsaspekt auszubauen und zu promovieren.

Durch seinen Werdegang und seine Kontakte weiß er, wie vielfältig das Beschäftigungsfeld in seinem Beruf ist: Logopäd*innen ständen beispielsweise Jobs in Praxen, in Krankenhäusern, Reha-Kliniken oder in Zentren für Cochlea-Implantate – winzige Unterstützungsgeräte für Hörgeschädigte, die direkt im Ohr getragen werden – offen. „Logopäden werden überall gesucht. Dadurch sind die Verdienstmöglichkeiten auch besser, als sie es noch vor einiger Zeit waren.“

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