Logopädie – Hintergrund:
Sprechen lehren
Die Logopädie hat Zukunft, sagt die Leiterin des Referats Bildung des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie: Einem steigenden Versorgungsbedarf steht eine sinkende Zahl von Therapeutinnen und Therapeuten gegenüber. Interessenten am Fach bieten sich spannende Fortschritte in der Medizin und Digitalisierung.
Wie wichtig eine klare, verständliche Kommunikation ist, fasste schon der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick in einem bekannten Satz zusammen: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wer sich nicht artikulieren kann und dennoch, etwa durch Gestik oder Mimik, unbewusst kommuniziert, wird zwangsläufig Verständigungsprobleme bekommen – oder sich in Behandlung bei einem Logopäden oder einer Logopädin begeben.
Ein Beruf mit Zukunft, wie Azzisa Pula-Keuneke feststellt. „Analysen haben ergeben: Einem steigenden Versorgungsbedarf steht eine sinkende Zahl von Therapeutinnen und Therapeuten gegenüber“, sagt die Leiterin des Referats Bildung des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (DBL). Die Zahl derjenigen, die eine schulische Ausbildung zur Logopädin oder zum Logopäden absolvierten, ist ihr zufolge in den letzten zehn Jahren um etwa 14 Prozent gesunken. Es gebe zwar mehr Bachelorabschlüsse in der Logopädie, aber noch keine gesicherte Statistik. Also werde dringend logopädischer Nachwuchs gesucht: in eigenen Praxen, als Angestellte in Kliniken oder der ambulanten Versorgung und in Lehre und Forschung. „Das Berufsfeld entwickelt sich stets weiter, auch aufgrund medizinischer Fortschritte und der Digitalisierung.“
Azzisa Pula-Keuneke
Foto: Firma Porst
Die Logopädie ist ein mehr als 100 Jahre altes Berufsfeld, wurde jedoch nicht immer so bezeichnet. Im Zuge der Industrialisierung begann man im 19. Jahrhundert, sich mit Störungen der Sprechfähigkeit und ihrer Therapiemöglichkeiten zu beschäftigen. 1924 führte der Wiener Mediziner Emil Fröschels den Begriff für die medizinische Sprachheilkunde ein. 1962 entstand in Berlin schließlich die erste Logopädieschule.
„Wir Logopädinnen und Logopäden sehen den Menschen mit seinen individuellen Wünschen, Bedürfnissen und der persönlichen Lebenssituation“, sagt Azzisa Pula-Keuneke. „Unser Hauptziel ist es, ihm oder ihr eine aktive Teilhabe am Leben und einen unbeschwerten Alltag zu ermöglichen – sowohl was Kommunikation angeht als auch beim Essen und Trinken, denn Schluckstörungen gehören ebenso zu unserem Fachgebiet.“
Eine Behandlung beginnt stets mit der Diagnose, welche Fähigkeiten beeinträchtigt sind: „Das können Artikulation, Redefluss, Wortschatz, Grammatik, Sprachverständnis, Schreib- oder Leseleistungen, Atem-, Stimm- oder eben die Schluckfunktion sein“, weiß Azzisa Pula-Keuneke.
Auch die Auswirkungen auf den Alltag würden erörtert und Beratungsangebote für Angehörige bereitgestellt. Außer in der Früherkennung, Frühförderung, Rehabilitation und Palliation, also der Linderung ohne vollständige Heilung, beschäftigen sich Logopädinnen und Logopäden in der Prävention, so die Expertin – etwa in der vorschulischen Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen oder bei der Vorbeugung von Stimmstörungen bei Menschen, die in Sprechberufen arbeiten, wie Lehrkräfte oder Mitarbeitende von Call-Centern.
Traditionell wurden Logopädinnen und Logopäden an Berufsfachschulen ausgebildet. Der praktische Unterricht fand dabei meist an Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen statt. Da in den letzten Jahren die überwiegende Mehrheit der Bewerberinnen und Bewerber für den Beruf Fach- oder Hochschulreife hatte und zudem die Tätigkeit immer komplexer wird, möchte der DBL erreichen, dass sich die Ausbildung internationalen Normen anpasst, so Azzisa Pula-Keuneke: „Die Hochschulausbildung soll wie in anderen Ländern Standard werden.“ Momentan ermöglicht dies eine Modellklausel aus dem Jahr 2009, die - zunächst begrenzt bis Ende 2024 - die Hochschulausbildung als Alternative zur berufsfachschulischen Ausbildung erlaubt. Dabei ist die praktische Ausbildung im gleichen Umfang integriert.
Die Hochschulen bieten verschiedene Studienmodelle an: grundständige Vollzeitstudiengänge, die zum Bachelor mit der Berufsbezeichnung Logopäde/Logopädin führen, ausbildungsintegrierende Studiengänge, während derer man parallel Ausbildung und Bachelorabschluss erwirbt, duale Studiengänge und sogenannte additive Studiengänge, in denen man nach der Ausbildung einen Hochschulabschluss in der Tasche hat.
Die Ausbildungswege haben gemeinsam, dass im Vorfeld geprüft wird, ob die Bewerberinnen und Bewerber für den Beruf geeignet sind, erklärt die Expertin: „Man sollte ein differenziertes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen mitbringen, keine Sprech- oder Sprachfehler machen, eine gute belastungsfähige Stimme und ein gutes Gehör haben, musikalisch, einfühlsam und aufmerksam sein, gut und gerne im Team arbeiten und sich für Medizin, Psychologie und Pädagogik interessieren.“ Da die Muttersprache einer steigenden Zahl von Patientinnen und Patienten nicht Deutsch ist, seien Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen vorteilhaft.
Video: Logopäde/Logopädin
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studienwahl.de
Informationsportal der Stiftung für Hochschulzulassung in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit
www.studienwahl.de
BERUFENET
Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 ausführlichen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Logopäde/Logopädin)
berufenet.arbeitsagentur.de
Deutscher Bundesverband für Logopädie
1964 gegründet, Berufs- und Fachverband der freiberuflichen und angestellten Logopäden, auch für Angehörige anderer sprachtherapeutischer Berufe
www.dbl-ev.de
Verband deutscher Logopäden und Sprachtherapeuten
vdls-ev.de
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