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Gründerinnen und Gründer: Vorbilder gesucht?!

Ein Unternehmen zu gründen erfordert viel Mut und Einsatzbereitschaft. Diese Gründerinnen und Gründer haben es erfolgreich vorgemacht – und zwar in Branchen, in denen ihr Geschlecht noch stark unterrepräsentiert ist.

Ein Mann und zwei Frauen sitzen am Tisch in einem Meetingraum und unterhalten sich.

Kristina Nikolaus

Portraitfoto von Kristina Nikolaus Portraitfoto von Kristina Nikolaus

Name: Kristina Nikolaus
Alter: 28
Unternehmen: OKAPI:orbits GmbH
Gegründet: 2018, zusammen mit Christopher Kebschull, Jonas Radtke und Sven Mülle

abi» Wie kam es zur Gründung von OKAPI:Orbits?

Kristina Nikolaus: Das OKAPI-Team hat sich an der Technischen Universität Braunschweig mit der Langzeitvorhersage der Weltraumschrottumgebung im Orbit beschäftigt, ähnlich wie die Klimaforschung. In Anbetracht der steigenden Satellitenstarts haben wir den Bedarf gesehen, Space-Traffic-Management-Lösungen kommerziell anzubieten.

abi» Was genau macht dein Start-up?

Kristina Nikolaus: Unsere Aufgabe ist es, Kollisionen zwischen Satelliten, Raketen und über zwei Millionen Weltraumschrottteilchen zu verhindern. Vereinfacht gesagt nehmen wir verschiedenste Daten von Teleskopen, Radardaten oder Laser-Ranging, um den Orbit zu kartografieren. Eine Künstliche Intelligenz berechnet dann ein möglichst effizientes Ausweichmanöver. Der Satellitenbetreiber erhält eine Warnung und kann per Knopfdruck das Ausweichmanöver einleiten.

abi» Was sind deine Aufgaben als CEO?

Kristina Nikolaus: Die Vision unseres Unternehmens zu definieren, die strategische Unternehmensplanung sowie die Finanzierung sicherzustellen und das Unternehmen nach außen hin zu repräsentieren.

abi» Die Raumfahrtindustrie ist bekanntlich eine Männerdomäne. Hast du das schon mal zu spüren bekommen?

Kristina Nikolaus: Hin und wieder bekomme ich das zu spüren. Beispielweise wenn bei einer Messe meinen männlichen Kollegen unterbewusst mehr Expertise und technisches Wissen zugesprochen wird. 

abi» Welche Eigenschaften braucht man, um erfolgreich zu gründen?

Kristina Nikolaus: Selbstvertrauen und Optimismus sowie Flexibilität und Durchhaltevermögen.

abi» Hattest du im Rahmen deines Werdegangs schon einmal mit geschlechterspezifischen Vorurteilen zu kämpfen?

Kristina Nikolaus: Als junge Frau war das vor allem am Anfang eine Herausforderung. Meine positiven Erfahrungen überwiegen aber deutlich. Ich habe sehr oft Zuspruch von Investoren und Kunden bekommen. Außerdem ist der gegenseitige Support von Frauen in der Raumfahrtbranche wirklich super.

abi» Welche Tipps hast du für junge Gründerinnen und Gründer?

Kristina Nikolaus: OKAPI bestand bis vor Kurzem ausschließlich aus Studierenden, die sich gemeinsam für eine Idee begeistert und diese dann umgesetzt haben. Dies war nur mithilfe unseres Netzwerks möglich. Sie begleiten uns bis heute und hoffentlich noch viele Jahre. Daher ist es aus meiner Sicht immer wichtig, offen zu sein, auszuprobieren und sein Netzwerk zu den Ideen, die man hat, zu befragen. Aus den gesammelten Gedanken und Erfahrungen konkretisiert sich dann der eigene Weg. In Zukunft möchten wir bei OKAPI einen Girls’ und Boys’Day anbieten, um Jugendlichen einen Einblick in die Berufe bei uns zu ermöglichen.

Samuel Bongartz

Portraitfoto von Samuel Bongartz Portraitfoto von Samuel Bongartz

Name: Samuel Bongartz
Alter: 30
Unternehmen: Novaheal GmbH
Gegründet: 2021, zusammen mit Valentin Johannsen und Turan Tahmas

abi» Wie kam es dazu, dass ihr Novaheal gegründet habt? Was ist eure Vision?

Samuel Bongartz: Zwei von uns drei Gründern sind gelernte Krankenpfleger. Wir entwickeln mit Novaheal eine multimediale Lern-App, die wir uns in der Ausbildung selbst gewünscht hätten. Mit der App lassen sich schnell alle pflegerischen Inhalte der Ausbildung auffinden, das Lernen macht so Spaß und es stehen auch in der Praxis alle wichtigen Informationen für Pflegehandlungen zur Verfügung – denn Wissen generiert Sicherheit im Handeln.

abi» Was sind deine Aufgaben?

Samuel Bongartz: Ich kümmere mich bei Novaheal vor allem um die Bereiche Sales, also Verkauf & Kooperationen, und People & Culture. Damit ist nicht nur die Personalverwaltung, sondern auch die Definition und Förderung unserer Unternehmenskultur gemeint.

abi» Welche Eigenschaften braucht man, um erfolgreich zu gründen?

Samuel Bongartz: Als Erstes braucht man eine echte und praktische Lösung für ein existierendes Problem. Dann sollte man für seine Idee brennen und Durchhaltevermögen haben, denn Gründen ist auf jeden Fall ein Auf und Ab der Gefühle. Auch nicht schaden kann eine Portion Mut und Pragmatismus, also die Fähigkeit, Dinge nicht komplizierter zu machen, als sie sind.

abi» Die Statistik sagt: Männer gründen häufiger als Frauen. Woran könnte das deiner Meinung nach liegen?

Samuel Bongartz: Ich denke, dass diesem Umstand unter anderem strukturelle Probleme zugrunde liegen. Männer erhalten häufiger als Frauen Risikokapital, wahrscheinlich, weil auch mehr Männer dieses vergeben. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch deutlich häufiger Care-Arbeit leisten und es vom System her wenig Möglichkeiten der Unterstützung gibt.

abi» Hattest du auf deinem Werdegang schon einmal mit geschlechterspezifischen Vorurteilen zu kämpfen?

Samuel Bongartz: Ich habe in der Pflegeausbildung schon ein paar dumme Sprüche abbekommen, warum ich das als Mann mache. Verglichen mit anderen marginalisierten Gruppen aber definitiv nichts Nennenswertes.

abi» Welche Tipps hast du für junge Menschen, die mitten in der Berufswahl stehen?

Samuel Bongartz: Traut euch, beruflich neue Dinge auszuprobieren oder den eingeschlagenen Weg abzubrechen, wenn er sich nicht richtig anfühlt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es sich lohnt, ein Ziel im Auge zu behalten und dieses zu verfolgen, auch wenn nicht immer gleich alles rundläuft. Redet viel mit Menschen über eure Ideen, aber auch Zweifel und Ängste – die sind nämlich völlig in Ordnung. Mir hat der Austausch bei der Verwirklichung meiner Ziele enorm geholfen und mich darin beflügelt, Novaheal ins Leben zu rufen.

Susanne Krehl

Portraitfot von Susanne Krehl Portraitfot von Susanne Krehl

Name: Susanne Krehl
Alter: 36
Unternehmen: Fabit GmbH
Gegründet: 2021, zusammen mit Robert Heim und Dr. Ralf-Michael Schmidt

abi» Für wen ist die App Fabit gedacht?

Susanne Krehl: Für Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Finanzen zu managen. Die App unterstützt sie, nachhaltiger mit Geld umzugehen und ein gesünderes Finanzverhalten aufzubauen.

abi» Du bist Kommunikations- und Finanztechnologieexpertin: Was sind konkret deine Aufgaben?

Susanne Krehl: Mein Schwerpunkt liegt primär in den Bereichen Investoren- und Partnermanagement und in der Kommunikation. Ich bin aber auch in die Produktentwicklung eingebunden. Wir haben die Aufgaben nach Expertise aufgeteilt: Unser CTO Robert programmiert, seitdem er Teenager war, und Ralf ist als Banker und Jurist prädestiniert für die Bereiche Finanzen und Personal.

abi» Welche Skills braucht man, um erfolgreich zu gründen?

Susanne Krehl: Was sicherlich nicht fehlen darf, ist Innovationsgeist, Motivation, Durchhaltevermögen, Entscheidungskraft und Flexibilität. Was ich jedoch für besonders wichtig halte, ist Kritikfähigkeit und dass man Entscheidungen nicht persönlich nimmt. Aber auch in Stresssituationen ruhig zu bleiben und die eigenen Emotionen in den Hintergrund stellen zu können, ist notwendig, um souverän auftreten zu können. 

abi» Was meinst du, warum gründen Frauen insgesamt seltener als Männer?

Susanne Krehl: Es heißt oft, dass es Frauen dafür an Selbstbewusstsein fehlt. Das glaube ich nicht – Frauen kommunizieren nur häufig anders und setzen in der Gründung andere Schwerpunkte. Sie gründen nachhaltiger, tendenziell in späteren Lebensphasen Ü30 und sind in ihren Modellen reflektierter. Das hat auch zur Folge, dass weiblich geführte Unternehmen statistisch wirtschaftlich erfolgreicher sind. 

abi» Du engagierst dich seit mehreren Jahren für die FinTech Ladies und Netzwerk Chancen, warum? (FinTech ist die Kurzform von Financial Technology. Der Begriff steht für Unternehmen, die innovative, technologiebasierte Anwendungssysteme rund um Finanzen anbieten.)

Susanne Krehl: Anne Boden, Gründerin der Starling Bank, sagte einmal: „Fintech start-ups are all young white guys [...] – usually with rich parents.” Ich finde, das fasst die Situation ganz gut zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Branche mehr Diversität braucht. Nicht nur, was das Geschlecht angeht, sondern auch in puncto soziale Hintergründe, Herkunft, sexuelle Orientierung und Alter. Nur ein Bruchteil der Menschen, die gründen, sind Frauen. Ich engagiere mich, um die Branche diverser zu gestalten und mehr Menschen, die nicht dem Klischee eines FinTech-Gründers entsprechen, zum Gründen zu motivieren. Vorbilder zu schaffen und individuelle Hilfe und Unterstützung anzubieten, sind weiterhin wichtige Aufgaben, um Potenziale freizulegen und dabei zu unterstützen, führende Positionen in der Wirtschaft einzunehmen und den Mut zum Gründen zu geben.

Liam Metzen

Portraitfoto, Liam Metzen rechts Portraitfoto, Liam Metzen rechts

Name: Liam Metzen
Alter: 19
Unternehmen: Coffeecycle UG
Gegründet: 2021, zusammen mit Leonhardt Mücke

abi» Was steckt hinter Coffeecycle?

Liam Metzen: Coffeecycle zu gründen, das haben Leo und ich, damals noch Schüler am Gymnasium, bei einem gemütlichen Abendessen beschlossen – und kurz darauf in die Tat umgesetzt. Unsere Mission ist es, die Kaffeeabfälle der deutschen Cafés zu reduzieren und dieser nährstoffreichen Ressource einen erneuten Wert zu verleihen. Allein in Deutschland werden jährlich über 20 Millionen Tonnen an Kaffeesatz einfach weggeschmissen. Coffeecycle nutzt den Kaffeesatz, der bei der Produktion eines Kaffees übrig bleibt, und stellt daraus Naturkosmetik her – aktuell Seifen, im Frühjahr 2023 ist der Launch eines Shampoos geplant, Ideen für weitere Produkte befinden sich schon in der Pipeline.

abi» Welche Eigenschaften braucht man, um erfolgreich zu gründen?

Liam Metzen: Für den Erfolg ist es in meinen Augen wichtig, zielstrebig und hartnäckig zu sein. Immer wieder liegen unerwartet Steine im Weg, davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass weniger die Eigenschaften einer Person entscheidend sind als vielmehr ihre Einstellung. Jeder sollte sich im Klaren sein, dass eine Gründung mit viel Arbeit und Hingabe, aber auch Verantwortung verbunden ist. Schlussendlich ist es alles eine Frage der Leidenschaft, mit der man seine Vision in Form einer Gründung realisiert.

abi» Hast du es schon zu spüren bekommen, dass es eher unüblich ist, dass zwei junge Männer ein Kosmetikunternehmen führen?

Liam Metzen: Ja, wir haben schon blöde Sprüche abbekommen oder von Unternehmen nicht den nötigen Vertrauensvorschuss aufgrund unseres Geschlechts erhalten. Dabei sollten wir als Gesellschaft längst die Rollenverteilung und geschlechterspezifische Berufswahl abgelegt und vergessen haben. Ich hoffe, dass es diesbezüglich in den nächsten Jahren einen noch größeren Wandel gibt.

abi» Welche Tipps hast du für junge Menschen?

Liam Metzen: Wer am Anfang der Gründung steht, sollte sich für die ersten, oftmals zeitintensiven bürokratischen Hürden genügend Zeit nehmen, um diese zu überwinden. Grundsätzlich sollte man zwar nicht unüberlegt und leichtsinnig Entscheidungen treffen, aber auch nicht zu verkopft an die Sache rangehen und etwaige Chancen damit vertun. Gerade als junger Mensch hat man viel weniger Verantwortung im Privatleben und damit auch weniger Risiken auf der geschäftlichen Ebene, deshalb: Traut euch mehr! Wer noch vor der Berufswahl steht, dem kann ich nur raten, intensiv herauszufinden, was wirklich zu einem passt – und das ganz unabhängig von gängigen Geschlechterklischees.