Studieren in den Beneluxländern:
Warum in die Ferne schweifen?
Um während des Studiums Auslandserfahrungen zu sammeln, muss man nicht immer weit reisen. Europa hat ebenfalls interessante Destinationen zu bieten. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Auslandssemester in einem der Beneluxstaaten Belgien, Niederlande oder Luxemburg?
In Emden nahe der niederländischen Grenze ist Anna Lambertus aufgewachsen. Belgien, das nur ein paar Autostunden entfernt liegt, kannte die 23-Jährige noch nicht. Das wollte sie ändern – ein Auslandssemester schien ihr dafür eine gute Möglichkeit. „Ich war nach meinem Abitur für ein Jahr in Thailand, wollte nun aber ein Land in Europa besser kennenlernen“, berichtet die junge Frau. Da passte es, dass die Fachhochschule Kiel, wo sie den Bachelor Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation studiert hat, eine Kooperation mit der Universität Antwerpen hat.
„Ich habe Studierende, die an der Partneruni in Antwerpen waren, nach ihren Erfahrungen gefragt und war schnell überzeugt, dass das für mich eine gute Wahl wäre.“ Im Sommersemester 2019 ging es für Anna Lambertus an die belgische Uni. Dort nahm sie am „European Project Semester“ teil, wo sie in internationalen Gruppen interdisziplinär an unterschiedlichen Projekten mitarbeitete. Dabei beschäftigte sie sich mit nachhaltiger Mode – und konnte mehrere Kurse wie Project Management, Academic English und Integrated Design belegen, die ihr nachher auch von der Kieler Hochschule anerkannt wurden.
Auch mit der Finanzierung gab es keine Probleme. „Sobald ich die Zusage für die Partneruni hatte, lief das Verfahren für Erasmus+ an, sodass ich während der Auslandsmonate finanzielle Unterstützung bekam.“ Was ihr das Semester außerdem gebracht hat? „Total viel!“, findet sie. „Ich habe meine Komfortzone verlassen und viel Neues kennengelernt.“
Anna Lambertus
Foto: privat
Anna Lambertus gehört damit zu den vielen Studierenden aus Deutschland, die sich für ein Auslandssemester in einem der Beneluxländer Belgien, Niederlande oder Luxemburg entscheiden – oder dort ihr gesamtes Studium absolvieren.
„Generell ist ein Auslandssemester einfacher zu organisieren und zu finanzieren als ein ganzes Studium“, meint Claudia Silvestroni von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. „Meist fallen dann nämlich keine Studiengebühren an und man kann über Erasmus+ finanziell bei den Reise- und Lebenshaltungskosten unterstützt werden.“ Für ein komplettes Studium im Ausland ist hingegen mehr Organisationsaufwand nötig. „Dafür rate ich, mindestens ein Jahr vor Studienbeginn mit der Planung zu beginnen.“ Wichtig sei in diesem Fall vor allem, die Finanzierung zu klären. „In den Niederlanden muss man zum Beispiel mit Studiengebühren von rund 2.300 Euro jährlich rechnen, wobei im ersten Studienjahr die niederländische Regierung die Hälfte übernimmt", weiß die Expertin.
Wer im Ausland studieren möchte, kann auch internationale Hochschulkooperationen nutzen: Die Universität der Großregion (UniGR) etwa ist ein Netzwerk von sechs Partnerunis in Deutschland, Belgien, Frankreich und Luxemburg; die Studierenden profitieren vom mehrsprachigen Unterricht und einem Studienaufenthalt in mehreren beteiligten Ländern. „Bei den internationalen Hochschulkooperationen muss man genau schauen, für wen und für welche Fachbereiche die Angebote gelten“, sagt Claudia Silvestroni. Am besten erfrage man die Bedingungen direkt bei der Hochschule. (Siehe auch den Erfahrungsbericht „Ich würde das sofort wieder machen“ zum grenzüberschreitenden Medizinstudiengang.)
Kulturell und landschaftlich ähneln sich die drei Länder, doch jedes hat seinen eigenen Reiz. Belgien etwa, das Anna Lambertus für ihren Auslandsaufenthalt gewählt hat, ist als Hauptsitz der Europäischen Union (EU) und der NATO bekannt. „Belgien ist vor allem bei Studierenden beliebt, die internationales Flair mögen oder eine internationale Karriere anstreben“, sagt Claudia Silvestroni. Aber auch mittelalterliche Städte und die Architektur aus der Renaissance machen das Land zu einem attraktiven Ziel. Beachtet werden sollten die sprachlichen Besonderheiten. Denn obwohl Belgien ein eher kleines Land ist, gibt es drei Teile – mit unterschiedlichen Hauptsprachen. Neben dem deutschsprachigen Teil sind das die Wallonie mit Französisch und Flandern mit Niederländisch.
Denkt man an die im Norden Belgiens angrenzenden Niederlande, fallen vielen zuerst Tulpen, Grachten und Windmühlen ein. Das Land ist zudem reich an Kunst- und Architekturschätzen. „Für deutsche Studierende sind die Hochschulen in den Niederlanden attraktiv, weil sehr viele Studiengänge auf Englisch angeboten werden“, meint Claudia Silvestroni. Zudem können Fächer studiert werden, die es in Deutschland nicht gibt – zum Beispiel „Tiermanagement“ oder „Kreativtherapie“. Außerdem seien die Kurse meist relativ klein und der Kontakt zu den Dozierenden eng. Die Studiengänge sind häufig sehr praxisorientiert und die Hochschulen in der Regel sehr gut ausgestattet. (Siehe auch das FAQ „Studieren in den Niederlanden: Was muss ich beachten?".)
Und was spricht für Luxemburg? Das Großherzogtum ist bekannt für seine hohe Lebensqualität sowie seine gastfreundliche und multikulturelle Bevölkerung. Trotz seiner Größe hat das kleine Land viele Sehenswürdigkeiten zu bieten: So ist die Altstadt Luxemburgs Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und unter den vielen Schlössern befinden sich einige der bedeutendsten Bauwerke Europas. Luxemburg ist vor allem für Studierende interessant, die Französisch sprechen: „Die Studiengänge sind zwar oft international ausgerichtet, trotzdem wird nicht alles auf Englisch angeboten – stattdessen braucht man oft sehr gute Französischkenntnisse“, weiß Claudia Silvestroni. Das kann von Fachbereich zu Fachbereich variieren, am besten informiert man sich vorab genau, welches Niveau für die mündliche Mitarbeit, aber auch für die schriftlichen Prüfungen erforderlich ist. (Siehe auch den Erfahrungsbericht Studium in Luxemburg „Jung und international“.)
Ist die Entscheidung für eines der drei Länder gefallen, gilt es, die Voraussetzungen für einen Studienaufenthalt zu klären. Generell gibt es wenige Zulassungsvoraussetzungen. Das deutsche Abitur wird problemlos anerkannt. Manchmal wählen die Hochschulen auch nach Noten oder anderen Kriterien aus. Nicht außer Acht gelassen werden sollten die benötigten Sprachkenntnisse: „Bei einem Auslandssemester kann man meist Kurse auf Englisch besuchen“, sagt Claudia Silvestroni. Dann müsse man zwar nicht zwingend Niederländisch beziehungsweise Französisch sprechen, sollte aber prüfen, ob die eigenen Englischkenntnisse wirklich ausreichen – und ob man darüber einen Nachweis erbringen muss.
Darüber hinaus sind einige persönliche Eigenschaften hilfreich: „Man sollte anderen Kulturen gegenüber offen sein und ein gewisses Maß an Flexibilität und Organisationstalent mitbringen, um sich unter den neuen Bedingungen gut zurechtzufinden“, sagt die Beraterin.
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