Grenzüberschreitender Medizinstudiengang:
„Ich würde das sofort wieder machen“
Johannes Stalter studierte den grenzüberschreitenden Medizinstudiengang der European Medical School Oldenburg-Groningen. Zwei Semester in den Niederlanden gehörten fest dazu. Für abi» berichtet der 27-Jährige, der aktuell promoviert, von seinen Erfahrungen.
Dass ich Medizin studieren wollte, stand schon während meiner Schulzeit für mich fest. Als ich von der Universität Oldenburg und deren enger Kooperation mit der niederländischen Rijksuniversiteit Groningen erfuhr, wusste ich auch, wo ich studieren möchte – der internationale Kontext und der Aufbau des Studiums in Modulen hat mich gereizt.
Aber von Anfang an: 2012 habe ich mein Abitur in München gemacht. Mit meiner Abinote von 2,1 wurde ich nicht zum Medizinstudium zugelassen, deswegen habe ich zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr sowie eine Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht. Im September 2015 hatte ich genug Wartesemester gesammelt und konnte im niedersächsischen Oldenburg mit dem Studium beginnen. (Anmerkung der Redaktion: Seit 2022 erhöhen Wartesemester nicht länger die Chance auf einen Medizin-Studienplatz, alle Informationen zur Vergabe der Plätze und wie du deine Chancen verbesserst, findest du in unserer FAQ.)
Johannes Stalter
Foto: privat
Das Besondere am Medizinstudium in Oldenburg: Wir wurden von Anfang an in Modulen unterrichtet. Jedes Modul dauert etwa zehn Wochen, sodass wir pro Semester zwei Module belegen konnten. Unter anderem haben wir uns mit dem Bewegungsapparat, den Sinnesorganen und dem Immunsystem beschäftigt.
Ein Modul gab es zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wobei verschiedene Aspekte dieses Themas behandelt wurden: physikalische Strömungslehre genauso wie die Histologie des Lungen- und Herzgewebes. Die Module haben einen engen klinischen Bezug, in diesem Fall etwa das Krankheitsbild Herzinfarkt. Am Ende steht jeweils ein einwöchiges Praktikum bei einer Hausärztin, einem Hausarzt oder in der Forschung an. Die Organisation dafür übernimmt größtenteils die Uni Oldenburg, die Studierenden können aber Wünsche äußern, was sie machen möchten.
Das fünfte und sechste Semester habe ich in den Niederlanden absolviert. Nach Groningen ist es mit dem Auto zwar nur eine gute Stunde, aber ich bin umgezogen und habe mir eine WG gesucht: eine internationale Mischung mit Studierenden aus Bulgarien, den Niederlanden und Deutschland. Der Auslandsaufenthalt wird von Erasmus+ finanziell unterstützt. Das hat mir geholfen, die Mehrkosten für die Wohnung und die Lebenshaltungskosten zu decken – die sind in den Niederlanden in der Regel höher als in Deutschland.
Das Studium ist in Groningen ebenfalls in Modulen organisiert. Ich hatte dort Psychiatrie, Chirurgie und Traumatologie, Kinderheilkunde sowie Frauenheilkunde. Jeder Kurs wurde in zwei Varianten angeboten: auf Niederländisch und auf Englisch. Niederländisch musste ich daher nicht lernen, trotzdem war der Unterricht auf Englisch eine Umstellung, gerade wegen der Fachvokabeln. In Deutschland sind die Begriffe ja meist ans Lateinische und Griechische angelehnt, nun musste ich selbst grundlegende Fachvokabeln auf Englisch lernen. Aber letztendlich sind wir da alle schnell reingekommen.
Auch sonst gab es einige Unterschiede: In Oldenburg waren wir 40 Studierende pro Jahrgang, in Groningen 400. Die Vorlesungen waren damit deutlich voller, die Atmosphäre anonymer und der Kontakt zu den Dozierenden nicht so eng wie in Oldenburg. Gleichzeitig war das Flair internationaler. Groningen ist im Ausland bekannt; zahlreiche Studierende kamen aus Großbritannien, aus dem Nahen Osten und aus afrikanischen Ländern – ich habe viele andere Kulturen kennengelernt.
Alle Prüfungsergebnisse aus den Niederlanden wurden automatisch nach Oldenburg übermittelt. Ich musste mich um nichts kümmern, viel problemloser hätte es mit der Anerkennung aller Leistungen kaum sein können. Auch sonst war das Auslandsjahr eine tolle Erfahrung; ich würde das sofort wieder machen. Es war nicht nur fachlich super, persönlich nehme ich ebenfalls viel von dieser Zeit mit. Ich habe sehr viele nette Kontakte geknüpft, und weil Groningen nicht so weit weg ist, sehen wir uns auch regelmäßig.
Seit 2020 promoviere ich nun als Promotionsstipendiat der Hertie-Stiftung über neuropsychologische Einschränkungen. Dazu zählen etwa Gedächtnisleistungen bei Menschen mit Multipler Sklerose. Dabei sollen kognitive Defizite in einem möglichst frühen Stadium diagnostiziert werden, um so eine frühe Behandlung ermöglichen zu können. Mein Ziel? Ich würde mich nach dem Studium gerne auf Neurologie oder Psychiatrie spezialisieren – und am liebsten in Oldenburg bleiben.
Video: Studium der Medizin
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