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Josef Nelson (33) studierte Slawistik in Tübingen und arbeitet heute als Ethik-, Latein- und Russischlehrer an einem Gymnasium in München.
Jeden Dienstagabend taucht Josef Nelson ein in die literarische Welt von Anton Tschechow und Alexander Puschkin. Er spricht über die Geschichte berühmter Gebäude in Moskau oder St. Petersburg wie das Bolschoi-Theater oder die Eremitage. Und er debattiert über aktuelle Geschehnisse im Ukraine-Krieg – alles auf Russisch.
Josef Nelson ist Lehrer am Städtischen Theodolinden-Gymnasium in München. In den Kursen, die einmal die Woche stattfinden, unterrichtet er zusätzlich Muttersprachlerinnen und Muttersprachler, die seit langem in Deutschland leben oder hier geboren wurden, und die sich nun mit der Sprache der Eltern und der Kultur des Landes beschäftigen wollen. Für ihn sind diese Abende stets ein Vergnügen, weil er sich in der Sprache austauschen kann, die er seit seiner Kindheit in den Ohren hat.
Die Aussicht Russisch unterrichten zu können, beflügelte mich, auch wenn ich wusste, dass nicht viele Schulen das Fach überhaupt anbieten.
Josef Nelson, Slawist
Josef Nelsons Eltern kamen 1990 als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland. Der heute 33-Jährige wurde in einem kleinen Ort auf der Schwäbischen Alb geboren. „Meine Eltern sprachen zu Hause einen Mix aus Deutsch und Russisch, legten aber nie Wert darauf, dass ich ihre Muttersprache lerne.“ Er selbst allerdings empfand die fehlenden Kenntnisse später als Hindernis. Er hätte die Sprache gerne von der Pieke auf gelernt, doch an seiner Schule wurde kein Russischunterricht angeboten.
So musste er bis nach dem Abitur warten, um seiner Idee nachzukommen. Er bewarb sich an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen, studierte Philosophie, Theologie und Slawistik mit dem Schwerpunkt Russisch. Im fünften Semester entschied er sich Lehrer zu werden, belegte Pädagogikkurse und studierte zudem Klassische Philologie und Politikwissenschaften. „Die Aussicht Russisch unterrichten zu können, beflügelte mich, auch wenn ich wusste, dass nicht viele Schulen das Fach überhaupt anbieten.“
Doch der Zufall kam Josef Nelson zu Hilfe. Als seine Frau eine Stelle in München erhielt, entschied er sich – das gerade beendete Referendariat in der Tasche – sie nach Bayern zu begleiten. Er bewarb sich an verschiedenen Schulen und erhielt eine Vertretungsstelle an Münchens fast einzigem Gymnasium, das Russisch als Unterrichtsfach anbietet. „Das war tatsächlich wie ein 6er im Lotto, einfach ein riesiges Glück“, erinnert sich Josef Nelson, der heute eine von drei Russischlehrkräften an der Schule ist.
Die Nachfrage nach dem Fach sei in letzter Zeit wieder leicht angestiegen, nachdem es einen kurzzeitigen Einbruch nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gegeben habe. „Damals gab es eine starke Skepsis gegenüber allem, was mit Russland zu tun hat – und dadurch verlor auch die Sprache an Attraktivität.“ Dass die Zahl der interessierten Schülerinnen und Schüler nun wieder steigt, freut Josef Nelson. Gerade viele ukrainische Schülerinnen und Schüler wählten Russisch als Unterrichtsfach, erzählt er: „Sie haben oft schon sehr gute Grundlagen, können Russisch auch in der Abiturprüfung auswählen.“
Josef Nelson hofft, dass das so bleibt. Auch für ihn persönlich ist der Russischunterricht ein Gewinn. „Ich hatte so viele Fragen bezüglich der Heimat meiner Eltern, der Sprache oder der Geschichte – durch das Studium und meine Arbeit an der Schule konnten sie nun endlich beantwortet werden.“
Das Onlinelexikon der Bundesagentur für Arbeit bietet über 3.000 aktuelle Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Slawist/in).
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Stand: 25.09.2024
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