Radiologe:
Mehr Durchblick mit KI
Dr. med. Johannes Haubold arbeitet als Radiologe am Universitätsklinikum Essen. Künstliche Intelligenz gehört für den 30-jährigen Assistenzarzt nicht nur zum Berufsalltag, sondern ist für ihn auch Gegenstand von Forschungen.
Wird ein Gehirntumor entdeckt, muss dieser meist chirurgisch biopsiert werden (Anm. d. Red.: d.h. man entnimmt eine Gewebeprobe), um eine Behandlung festzulegen. Die dafür notwendige Operation jedoch ist riskant: Hirnblutungen und Schlaganfälle können auftreten und die Situation der/des Patientin/Patienten weiter verschlechtern. Viel schonender sind Analysen über die Bildgebung – und das ist nur mit Künstlicher Intelligenz (KI) möglich. „Das menschliche Auge, auch das geübte Auge eines Radiologen, ist nicht in der Lage, diese Varianzen zu erkennen und zu analysieren“, erklärt Dr. med. Johannes Haubold.
Kürzlich haben Johannes Haubold und seine Kolleginnen und Kollegen ein künstliches neuronales Netz entsprechend trainiert und die Ergebnisse in einer Studie publiziert. „Ich hoffe, dass wir uns chirurgische Biopsien in fünf Jahren sparen können“, sagt er. Wie die selbstlernenden Algorithmen in diesem Fall arbeiten, erklärt er so: Eine spezialisierte Software übersetzt Bildwerte aus einem möglichst großen Datenpool in Zahlenwerte. Die Algorithmen können eine Vielzahl dieser Zahlen auswerten. „Der Algorithmus lernt dabei auch Zusammenhänge und Korrelationen zwischen den Zahlen herzustellen“, erklärt Johannes Haubold. „Damit erreichen wir eine andere Dimension in der Diagnose.“
Johannes Haubold
Foto: privat
Die Radiologie hat er während des Medizinstudiums als sein Fachgebiet entdeckt. „Man muss Spaß an Bildrätseln haben“, beschreibt er die Voraussetzungen. Schließlich geht es generell darum, Krankheitsbilder anhand von Aufnahmen zu identifizieren – sei es mit dem Röntgen, in der Computertomographie oder der Magnetresonanztomographie.
„Die Arbeit an der Schnittstelle verschiedener Fachrichtungen finde ich spannend“, berichtet er. Radiologie ist eine zukunftsträchtige Disziplin mit neuen Entwicklungsmöglichkeiten. Die Zahl minimalinvasiver Eingriffe, die von Radiologinnen und Radiologen durchgeführt werden, steigt stetig. Bei der Diagnose dagegen kommen zunehmend selbstlernende Algorithmen unterstützend zum Einsatz. Sie helfen dabei, hochpräzise Diagnosen zu treffen, Bildrauschen zu entfernen und zeitaufwendige Aufgaben zu automatisieren. Wie bei der Erkennung von Gehirntumoren.
Künstliche Intelligenz hilft auch bei der Bildbearbeitung. Bei der Computertomographie werden Patientinnen und Patienten mit Hilfe von Röntgenstrahlen durchleuchtet: viel Strahlung resultiert in einer guten Bildqualität, wenig Strahlung in einem hohen Bildrauschen. Mit KI lässt sich das Bildrauschen reduzieren und so die Strahlendosis bei gleicher Bildqualität reduzieren. „Bei der Magnetresonanztomographie lässt sich der für Patienten sehr belastende Aufenthalt in der Röhre deutlich verkürzen“, verspricht Johannes Haubold. „Hier berechnen Algorithmen sogenannte virtuelle Sequenzen – und das kann nur KI.“
Johannes Haubold versteht den Einsatz von KI in der Medizin als perfekte Ergänzung für den Menschen. „Die meisten Studien zeigen, dass Mensch und KI gemeinsam die höchste Präzision liefern – mehr als der Mensch oder die KI allein. Der Mensch erkannt Fehlanalysen der KI und die KI erkennt Muster in Bildern, die für den Menschen nicht sichtbar sind.“ Auch den Überblick behält der Mensch. „Algorithmen sind aktuell meist auf eine Fragestellung spezialisiert. Für die Gesamtschau braucht man das Wissen um Zusammenhänge und den Kontext des Patienten,“ erklärt er. Mit seinem Hintergrundwissen kann der Radiologie auch Verzerrungen in der Bildgebung ausmachen, die die Interpretation durch die Software beeinflusst haben könnten.“
Beim Einsatz von KI gibt es jedoch auch Risiken. „Entscheidend ist, dass die Software zum Beispiel über Visualisierungen Kontrollmöglichkeiten erlaubt,“ mahnt er. Die Auswertung durch den Algorithmus sollte möglichst nachvollziehbar sein. Auch in der Medizin steht und fällt die Qualität einer KI-Software mit den Ausgangsdaten. Die Möglichkeiten und Risiken kennt Johannes Haubold aus seinen eigenen Forschungsprojekten. Um sicherzustellen, dass die Algorithmen belastbare Ergebnisse liefern, muss er sie mit möglichst vielfältigen Daten füttern. „Wir arbeiten bei der Entwicklung im zweiten Durchlauf möglichst mit externen Datensets einer anderen Einrichtung, um zu prüfen, ob die Algorithmen zuverlässig funktionieren.“
Für Radiologinnen und Radiologen wird KI in Zukunft zum täglichen Handwerkzeug gehören. Johannes Haubold freut sich darauf.
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