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Neurowissenschaftlerin: Forschungsgegenstand Gehirn

Die Neurowissenschaftlerin Dr. Meike Rogalla (36) erforscht in Michigan (USA), wie das Gehirn nach einem einseitigen Hörverlust räumliches Hören wieder neu lernen kann.

Rückenansicht einer Probandin am Bildschirm, deren Gehirnströme gemessen werden.

Meike Rogalla ist regelmäßig auch samstags oder sonntags im Labor anzutreffen. Denn um ihre wichtigsten Mitarbeiter, die Mäuse, die sie für ihre Forschungsarbeit braucht, kümmert sie sich natürlich auch am Wochenende. Nur wenn es den Tieren richtig gut geht, verhelfen sie der Wissenschaftlerin zu den Ergebnissen, die sie benötigt, um ihre Forschungsarbeit am Kresge Hearing Research Institute der University of Michigan im Norden der USA voranzubringen. Die Idee: Das Gehirn soll nach einem einseitigen Hörverlust das räumliche Hören wieder lernen.

Die wissenschaftlichen Experimente sind das Kernstück ihrer Arbeit. Sie erforscht, wie räumliches Hören funktioniert, also wie wahrgenommen wird, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Dafür trainiert sie den Mäusen mit sogenanntem Belohnungslernen ein entsprechendes Verhalten an und überprüft, wie die neuronalen Antworten in den Gehirnen der Mäuse aussehen. Mindestens genauso viel Zeit benötigt Meike Rogalla aber für die Planung der Versuche, die Auswertung und die Veröffentlichung der Ergebnisse. Zu ihrer Forschungsarbeit gehört es, zu recherchieren und viel zu schreiben, meist auf Englisch – nicht nur, weil sie gerade in den USA lebt und arbeitet, sondern weil das die international gängige Wissenschaftssprache ist. E-Mails bearbeiten, sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen, Studierende, die an ihrem Forschungsprojekt mitarbeiten, anleiten – das sind alltägliche Aufgaben. Darüber hinaus muss sie sich um die Finanzierung ihrer Forschung kümmern und sogenannte Drittmittelanträge verfassen. Allein das kann mehrere Monate in Anspruch nehmen.

  • Ein Porträt-Foto von Meike R.

    Es ist unglaublich spannend, dass so kleine molekulare Bausteine dazu führen, dass ich hören kann!

    Meike Rogalla

Ein komplexer Sinn

Faszinierend findet Meike Rogalla an ihrer Arbeit ihren Forschungsgegenstand, das gesamte sensorische System – vom kleinsten Bestandteil einer Zelle, einer Synapse zum Beispiel, über lokale Netzwerke und das ganze Gehirn bis hin zum Verhalten des Individuums. „Es ist unglaublich spannend, dass so kleine molekulare Bausteine dazu führen, dass ich hören kann“, begeistert sich die 36-Jährige. Hören sei ein unglaublich komplexer Sinn, „es basiert zu 90 Prozent darauf, was das Gehirn mit dem Schall macht, der im Ohr ankommt. Ohne dass wir irgendwas davon bemerken, berechnet das Gehirn, woher ein Ton kommt – das würde ich gerne verstehen.“

Ein Genie müsse man für Neurowissenschaften aber nicht sein. „Man darf sich da nicht abschrecken lassen. Man wächst langsam rein, und ja, es ist manchmal schwierig. Aber es ist durchaus machbar, vor allem, wenn man Spaß dran hat und es einen wirklich interessiert“, versichert Meike Rogalla. Auch die Art und Weise, wie sie jetzt als Postdoc, also als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach der Promotion, arbeitet, gefällt der Forscherin: „Ich habe mich noch nie so frei gefühlt wie in diesem Job, weil er mir ermöglicht, überall auf der Welt arbeiten zu können. Und weil ich mein Leben dadurch so gestalten kann, wie ich es möchte.“

Über Umwege zum Ziel

Lange Zeit war das nämlich nicht so. Nach der Mittleren Reife machte Meike Rogalla zunächst eine Ausbildung zur Erzieherin, wurde früh Mutter, holte dann aber ihr Abitur nach. „Ich war plötzlich sehr gut in Biologie“, erinnert sich die heute 36-Jährige, die sich daraufhin für ein Bachelor-Studium in diesem Fach an der Universität Bremen entschied. Weil sie zweimal durch eine Chemieprüfung fiel, musste sie den angestrebten Studienschwerpunkt ändern und kam so zur Neurobiologie. „Das war für mich wie eine Offenbarung“, erinnert sie sich. Das darauffolgende Masterstudium „Neuroscience“ an der Universität Bremen schloss sie – ebenso wie schon den Bachelor – in Regelstudienzeit ab und promovierte anschließend in nur dreieinhalb Jahren mit Bestnote an der Uni Oldenburg. „Nicht weil ich das alles unbedingt so schnell machen wollte, sondern weil ich als Alleinerziehende finanziell gar keine andere Möglichkeit hatte.“

Als Professorin ein eigenes Labor leiten

Postdocs wie Meike Rogalla sind sehr gefragt. Die Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher werden etwa im Bereich künstliche Intelligenz, für die digitale Gesichtserkennung oder das autonome Fahren genutzt. Und sie fließen als sogenannte Neuroökonomie oder als Neuromarketing in die Unternehmensberatung ein. Hier geht es beispielsweise darum, das Zustandekommen von Kaufentscheidungen zu verstehen.

Da die Bezahlung in der Industrie attraktiver ist, kehren die meisten nach der Promotion der Forschung den Rücken. Nicht so Meike Rogalla. Sie möchte Wissenschaftlerin bleiben, irgendwann ihr eigenes Labor leiten – und gerne nach Deutschland zurückkehren. Der Weg zur Professur führt über viele eigene wissenschaftliche Publikationen, die in hochrangigen Fachblättern veröffentlicht und möglichst oft von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zitiert werden sollten. Außerdem ist Erfahrung in der Akquise von Drittmitteln hilfreich, ebenso Auslandserfahrung. Beides hat Meike Rogalla bereits gesammelt.

Ihre jetzige Stelle ist noch für weitere zwei Jahre finanziert. Was danach kommt, wird sich zeigen. „Auch mit dieser Unsicherheit muss man klarkommen“, sagt Meike Rogalla. „Aber wenn ich immer denjenigen geglaubt hätte, die gesagt haben ‚Das schaffst du nicht‘, dann wäre ich heute nicht hier.“

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 aktuellen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: Neurowissenschaftler/in)
berufenet.arbeitsagentur.de

studienwahl.de

Infoportal der Bundesagentur für Arbeit und der Stiftung für Hochschulzulassung
www.studienwahl.de

Studiensuche der Bundesagentur für Arbeit

In der Studiensuche kannst du recherchieren, welche Studiengänge an welchen Hochschulen in Deutschland angeboten werden.
www.arbeitsagentur.de/studiensuche​​​​​​

JOBSUCHE der Bundesagentur für Arbeit

www.arbeitsagentur.de/jobsuche

Hochschulkompass

Infoportal der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu deutschen Hochschulen, deren Studien- und Promotionsmöglichkeiten sowie internationale Kooperationen
www.hochschulkompass.de

Neurowissenschaftliche Gesellschaft e.V. (NWG)

Die NWG vertritt die Interessen von Grundlagenwissenschaftlern, die sich mit der Entwicklung, der Funktionsweise, den Leistungen und den Störungen von Gehirn und Nervensystem beschäftigen.
www.nwg-info.de

Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN e.V.)

www.dgkn.de