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Katharina Hey ist Leiterin des Goethe-Instituts in Ruanda.
Erst wenn man sein angestammtes Umfeld verlässt, erfährt man, wer man wirklich ist, sagt Katharina Hey. Die Leiterin des Goethe-Instituts in Ruanda weiß, was es heißt, plötzlich an sich selbst „typisch deutsche“ Seiten zu entdecken – und vor dem Hintergrund einer anderen Kultur heraus zu hinterfragen. Ein Interview über Klischees, kulturelle Verantwortung und übers Brückenbauen zwischen unterschiedlichen Denkweisen.
Katharina Hey: Deutschland und auch wir Deutschen werden positiv wahrgenommen, als verlässliche Partner. Den weltweiten Klischees vom pünktlichen, korrekten Deutschen begegnen wir auch hier, sie werden aber mit einem Schmunzeln quittiert, das eher wohlwollend gemeint ist. Außerdem werden wir für flexibel, agil und sehr wertschätzend im kulturellen Austausch gehalten. Allerdings sind natürlich auch wir die Weißen, die Mzungu, die für eine ehemalige Kolonialmacht und den globalen Norden stehen.
Katharina Hey: Diese Frage ist für mich schwierig zu beantworten. Kigali ist mein erster Posten. Erst in diesem Jahr werde ich woanders hingehen, so sieht es die Rotation vor. Das ist das Essentielle der Goethe-Arbeit, dass wir Institutsleiterinnen und -leiter regelmäßig den Ort wechseln und in ein anderes Institut gehen. Es gibt 158 Goethe-Institute in 98 Ländern, so haben wir die Chance, in veränderten Situationen immer wieder neu zu erleben, was uns im kulturellen Austausch, als Land und auch persönlich als Mensch ausmacht. Genau das findet man heraus, wenn man dem Anderen begegnet, sich von einem neuen Blickwinkel aus mit der Welt auseinandersetzt, die eigene Perspektive hinterfragt und versucht, aus der Interaktion heraus neue Impulse für die eigene Kultur zu erhalten.
Katharina Hey: Jeder, der ins Ausland geht, wird nicht nur als Individuum, sondern als Teil seiner Herkunft wahrgenommen. Wir, die wir die offizielle Aufgabe haben, den interkulturellen Austausch zwischen Deutschland und dem Gastland zu fördern, tragen dabei eine kulturelle Verantwortung auch unserer Heimat gegenüber. Das ist bei Entsandten wie denen des Auswärtigen Amts, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder anderen Netzwerkorganisationen ähnlich. Diese Repräsentanten-Funktion kann man auch im Privatleben nicht abstreifen. Sie begleitet einen die ganze Zeit.
Katharina Hey: Wir sind Gast in diesem Land und können und wollen auch nicht einfach unsere Verhaltens- oder Arbeitsweisen aufzwingen. Wir sind ja hier, um voneinander zu lernen! Andererseits will und kann man seine eigene kulturelle Prägung nicht abstreifen. Das heißt, ich reflektiere – gerade im professionellen Kontext – häufig, was mir persönlich wirklich wichtig ist. Lasse ich mich auf ein anderes Zeitmanagement ein oder wie kann ich Mitarbeiter ermächtigen, in ihrem Verantwortungsbereich selbst Entscheidungen zu treffen, ohne auf die Anordnung ihrer Vorgesetzten zu warten. Das gilt es, im interkulturellen Austausch ständig auszutarieren. Das ist manchmal anstrengend, man braucht Energie, man muss selbstkritisch, geduldig, offen und neugierig sein. Es ist ein permanentes Lernen – und gleichzeitig ist es was Tolles. In welchem anderen Berufsalltag hat man so eine Riesenchance?
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Katharina Hey ist Leiterin des Goethe-Instituts in Ruanda.
Stand: 07.03.2023
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