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Compliance-Managerin (Wirtschaftsjuristin): Spielregeln für alle

Die Juristin Annika Keßler (27) ist Compliance Specialist bei der SSI Schäfer Gruppe im siegerländischen Neunkirchen. Dabei geht es um das Aufstellen und Einhalten von Regeln und um die Frage, wie sich Rechtsverstöße verhindern lassen.

Detailaufnahme vom Blättern in einem Gesetzbuch.

Compliance-Abteilungen in Unternehmen wachen darüber, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Ein gutes Compliance-Management soll helfen, dass es gar nicht erst zu Regelverstößen kommt. „Zugegeben: Der Begriff Rechtskonformität klingt erst einmal nicht besonders attraktiv, dabei ist das ein sehr spannendes Feld“, erzählt Annika Keßler. Die 27-Jährige arbeitet seit ihrem Masterabschluss in Wirtschaftsrecht bei der international operierenden SSI Schäfer Gruppe, die auf Intralogistik-Lösungen spezialisiert ist.

Ein Porträtfoto von Annika Keßler. Ein Porträtfoto von Annika Keßler.

Annika Keßler

In der Öffentlichkeit bekannt ist das Thema Compliance durch große Skandale wie die Dieselaffäre oder den Steuerbetrug mit „Cum Ex“-Wertpapieren, was aber viel zu kurz gegriffen ist, um die weitreichenden Facetten von Compliance zu beschreiben. Die Regeltreue bezieht sich nicht nur auf Gesetze und Rechtsprechung, sondern auch auf unternehmensspezifische Verhaltensregelungen, Gesellschafterbeschlüsse oder Anstellungsverträge. Damit umfasst das Thema alle relevanten Prozessfelder eines Unternehmens.

Im Fokus steht die Prävention

Das Hauptaugenmerk von Annika Keßler liegt auf der Prävention. Sie arbeitet in einem kleinen Team an der Weiterentwicklung eines Verhaltenskodex‘, der global für alle Mitarbeitenden gilt. Das betrifft immerhin über 10.500 Menschen, verteilt auf sechs Kontinente. Weltweit tätige Unternehmen wie SSI Schäfer müssen dabei auch kulturelle und juristische Unterschiede in den Ländern berücksichtigen. „Die Leitlinien entwickeln wir zentral, sie werden aber an lokale Gegebenheiten angepasst“, erklärt die Juristin.

In den vergangenen Jahren hat es einen Kulturwandel gegeben: „Was vor Jahren noch in Ordnung war, ist heute nicht mehr gerne gesehen. Das können Einladungen zum Essen, zu Turnieren oder Geschäftsreisen sein. Die Sensitivität und auch die Anforderungen an die Integrität sind hoch“, bestätigt Annika Keßler. In Workshops schult sie zum Beispiel Mitarbeitende, um ein Bewusstsein für die genannten Themen zu schaffen. Nicht immer geht es gleich um Korruption, Kartellabsprachen oder Verstöße gegen Exportkontrollen. Unsicherheiten fangen oft im Kleinen an, etwa bei der Frage, wie man regelkonform eine Stellenanzeige formuliert oder einen örtlichen Sportverein mit Spenden unterstützen kann. Es gibt zahlreiche Schnittstellen zu unterschiedlichen Abteilungen, was ihre Arbeit sehr abwechslungsreich macht.

Mit viel Fingerspitzengefühl

Manchmal kann es auch investigativ werden, etwa wenn ihr Team einen anonymen Hinweis bekommt, dem sie mit viel Fingerspitzengefühl nachgehen muss. „Das Einholen von Informationen kann ein Drahtseilakt sein“, erzählt sie. Sie muss alle Parteien ins Boot holen und auch Mitarbeitende vor ungerechten Vorwürfen schützen.

Viele klassische Aufgaben hingegen laufen mittlerweile automatisiert ab, etwa das Prüfen von Sanktionslisten. Laut EU-Verordnungen ist es untersagt, mit sanktionierten Personen, Organisationen und Vereinigungen, Geschäftskontakte zu unterhalten. Unternehmen müssen prüfen, ob ihre Kunden, Geschäftspartner und Zulieferer auf entsprechenden Listen geführt werden.

Die Frage der Fragen

Jura auf Staatsexamen oder Wirtschaftsrecht? Auch Annika Keßler stand nach ihrem Abitur vor dieser Frage. Da sie sich vor allem für wirtschaftliche Themen interessierte, entschied sie sich für Wirtschaftsrecht an der Universität Siegen.

Rückblickend war das eine gute Basis für ihre heutigen Aufgaben: „Ich habe ein tiefes Verständnis für Rechtswissenschaften und Wirtschaft erhalten.“ Statt formaljuristischer Themen standen unter anderem Zivilrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, aber auch Europarecht, internationales Recht und die Welthandelsorganisation auf dem Lehrplan. „Manche Veranstaltungen fanden auf Englisch statt, was ebenfalls ein Pluspunkt ist“, findet sie und ist mit ihrer Tätigkeit als Compliance Specialist rundum zufrieden.