zum Inhalt

Meteorologin: Am Ende der Welt

Julia Wenzel (33) arbeitet auf dem Forschungsschiff „Polarstern“. Hier muss sich die Meteorologin statt auf die Technik vor allem auf ihre Erfahrung verlassen.

Foto von Julia Wenzel

Und dann war da plötzlich eine Wand aus Nebel am Horizont. So dicht, dass Julia Wenzel vollkommen überrascht war. „Damit hatte ich nicht gerechnet – so etwas steht nicht im Lehrbuch.“ So schnell wie möglich nahm die 33-Jährige Kontakt zu den Pilot*innen auf, die eigentlich kurz darauf von Bord des Forschungsschiffes „Polarstern“ aus mit ihrem Helikopter in die Luft gehen sollten. „Das wäre fatal für sie gewesen, schließlich führt der Nebel zu verminderter Sicht und im schlimmsten Fall sogar zur Vereisung der Rotorblätter.“ Julia Wenzel riet dazu, den Flug zu verschieben – die Pilotinnen und Piloten willigten ein.

Julia Wenzel ist Meteorologin und sie arbeitet an einem der außergewöhnlichsten Orte der Welt: auf der „Polarstern“, einem Forschungsschiff, das im Südhalbkugelsommer in der Antarktis und im Nordhalbkugelsommer in der Arktis unterwegs ist. Gemeinsam mit einem Wetterfunktechniker kümmert sie sich dort um die Vorhersage des Wetters.

Ein Job mit großer Verantwortung

Ihr Tag beginnt früh, gegen sechs Uhr. Schon beim Aufwachen wandert ihr Blick aus dem Fenster. In der Bordwetterwarte und an Deck, muss sie Himmel und Meer im Blick behalten: Wie wird der Seegang? Kommt die Sonne raus? Droht Nebel? Zieht ein Sturm auf? In der anschließenden Dienstbesprechung informiert sie den Kapitän, den wissenschaftlichen Fahrtleiter und die Pilot*innen über die aktuelle Situation.

Bei der Vorhersage hilft ihr Technik, doch das meiste muss Julia Wenzel selbst deuten. An Bord ist das Internet häufig schlecht, so dass die Datenlage teilweise sehr mau ist. Eine Herausforderung für die 33-Jährige: „Keine Berechnung der Welt kann das Wetter zu 100 Prozent voraussagen. Es ist lebenswichtig, sich auf seine eigenen Augen und Sinne sowie die eigene Erfahrung zu verlassen.“

Um sich auf diese ungewohnte Situation einzustellen, absolvierte Julia Wenzel vor ihrer Arbeit auf dem Schiff eine eineinhalbjährige Fortbildung beim Deutschen Wetterdienst, unter anderem zu Themen wie See- und Flugmeteorologie, und konnte während dieser Zeit auf zwei kürzeren Seereisen schon erste praktische Erfahrungen sammeln.

Eine eigene Wohnung lohnt sich nicht

Schon für ihre Masterarbeit war sie zwei Mal vier Wochen lang auf der „Polarstern“ unterwegs und hatte das Leben an Bord lieben gelernt: „Auch wenn mir natürlich meine Freunde und meine Familie fehlen und wir wochenlang nur über E-Mails und Messenger Kontakt halten können.“ Für ihre neue Stelle gab sie auch ihr altes Leben in Bremen auf, wo sie als Projektingenieurin und Software-Entwicklerin bei einem Windkraftanlagen-Hersteller gearbeitet hatte. „Eines Tages entdeckte ein Freund zufällig die Stellenanzeige des Deutschen Wetterdienstes für die „Polarstern“ und ich wusste nach kurzer Überlegung ziemlich schnell: Das will ich machen.“

Sie verließ die Hansestadt und zog wieder zu ihren Eltern in die Nähe von Dresden. „Ich bin nur alle paar Monate für wenige Wochen zu Hause, da lohnt es sich nicht, eine eigene Wohnung zu unterhalten und es ist auch schön, einen Ansprechpartner zu haben, wenn man nach Deutschland kommt.“ Ihr neues Zuhause ist jetzt die „Polarstern“. An Bord hat sie eine eigene kleine Kammer – mit einem Bett, einem kleinen Schreibtisch, einer kleinen Couch und einem Mini-Bad. Mit Lichterketten und Fotos hat sie es sich gemütlich gemacht. Viel Zeit verbringt sie ohnehin nicht auf ihrer Kajüte.

Freizeit: Ausschau nach Delfinen

Wenn Julia Wenzel nicht arbeitet, ist sie meistens draußen unterwegs – trotz der manchmal eisigen Temperaturen. Dann besucht sie die Nautiker*innen auf der Brücke oder hält auf Deck Ausschau nach Delfinen, Walen und Eisbergen. „Wann kann man so etwas schon mal hautnah erleben?“

Bereut hat sie die Auswahl ihres außergewöhnlichen Arbeitsortes bisher nie – im Gegenteil: „Ich liebe es, beruflich viel auf Reisen zu sein und in Regionen zu kommen, die sonst kaum jemand zu Gesicht bekommt.“

Weitere Informationen

AWI

Internetauftritt des Alfred-Wegener-Institus mit umfangreichen Informationen zu Job- und Ausbildungsmöglichkeiten

awi.de

Neumayer III

Internetauftritt der Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis

awi.de/expedition/schiffe/polarstern.html

Leben am Südpol

Blog des Helmholtz-Zentrums

blogs.helmholtz.de/astroteilchen/category/ice-cube/