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Einstiegsgehälter von Akademikerinnen und Akademikern – Interview: „Risikofreude gehört zum Geschäft“

Der erste Job bringt häufig auch die erste Gehaltsverhandlung mit sich. Doch wie stellt man sich dabei am geschicktesten an? Karrierecoach Walter Feichtner gibt Tipps.

Hände halten Geldscheine

abi» Herr Feichtner, wer frisch von der Uni kommt, denkt vielleicht nicht zuerst ans Geld. Doch kann man sich Gehaltsverhandlungen wirklich sparen?

Walter Feichtner: Viele meiner Kundinnen und Kunden, die nach dem Studium den ersten Job suchen, wollen vor allem den passenden Einstieg ins Berufsleben finden. Wer nicht im öffentlichen Dienst mit festen Tarifstrukturen arbeitet, muss sich aber über Gehaltswünsche Gedanken machen. In der Privatwirtschaft sind Tarifverträge nur ein Rahmen. Mit geschickter Verhandlung kann man hier einiges herausholen. Wenn in der Ausschreibung ausdrücklich eine Gehaltsvorstellung gefordert ist, kann man dem nicht aus dem Weg gehen. Grundsätzlich sollte man das Thema Gehalt ernst nehmen, auch wenn man andere Prioritäten hat. Das gehört zum Gesamteindruck, den man bei einer Bewerbung abgibt. Wer seinen Wert für den Arbeitgeber überzeugend präsentiert, der muss auch seinen Marktwert richtig einschätzen und kommunizieren.

abi» Also sollte man möglichst hoch pokern?

Walter Feichtner: Eine Bewerbung ist kein Glücksspiel, sondern eine Weichenstellung fürs Leben. Also geht es um Information und schlaues Rechnen. Über Einstiegsgehälter in den einzelnen Branchen kann man sich auf zahlreichen Onlineportalen und in sozialen Netzwerken informieren. Die Zahlen sind aber häufig etwas zu hoch gegriffen. 10 bis 15 Prozent sollte man im Durchschnitt abziehen. Dann darf man 5 bis 10 Prozent als Verhandlungsspielraum aufschlagen. Ich rate im Anschreiben zu einer klaren und möglichst neutralen Formulierung. Gehaltsspannen sollte man nur bei Initiativbewerbungen angeben, nicht wenn man sich auf eine konkrete Stelle bewirbt. Dann geht es um eine klare Position.

abi» Wie sollte man das Gehaltsthema ansprechen, wenn man es ins Vorstellungsgespräch geschafft hat?

Walter Feichtner: Das sollte man dem potenziellen Arbeitgeber überlassen. Normalerweise geht es ums Gehalt, wenn alles andere geklärt ist. Wenn man im Gespräch mit seinen Fähigkeiten und seiner Motivation überzeugt hat, sollte man auch bei der Gehaltsverhandlung offensiv sein. Wer sich damit nicht wohlfühlt, kann den Ball an den Arbeitgeber spielen und nach dessen Vorstellungen fragen. Grundsätzlich gehört eine Portion Risikofreude zum Geschäft. Selbstbewusstsein ist gefragt, aber natürlich keine Selbstüberschätzung. Im Gespräch kann man auf die Reaktion des Gegenübers eingehen und Flexibilität signalisieren. „Wir finden schon zusammen“, ist eine Formulierung, die deutlich macht, dass man nicht auf Gehaltsvorstellungen beharrt.

abi» Was riskiert man, wenn man zu bescheiden ist?

Walter Feichtner: Wer mit niedrigen Gehaltsvorstellungen punkten möchte, täuscht sich häufig. Der Schuss kann nach hinten losgehen. Arbeitgeber vermuten dann versteckte Defizite oder einfach einen Mangel an Selbstvertrauen. Mutlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter will niemand. Vor allem Frauen sollten darauf achten, sich nicht unter Wert zu verkaufen. Das gilt für die Darstellung der eigenen Fähigkeiten, aber auch für das Gehalt, das sie fordern. Das Gehalt beim Berufseinstieg kann den gesamten Karriereweg prägen, vor allem, wenn man länger bei einem Unternehmen bleibt. Daher ist ein gutes Einstiegsgehalt die Basis für die weitere Gehaltsentwicklung.

Der abi» Experte

Porträtfoto des Interviewpartners Porträtfoto des Interviewpartners

Walter Feichtner ist seit mehr als 20 Jahren im Personalwesen tätig und begleitet seit elf Jahren Absolventinnen und Absolventen sowie Berufstätige als Karrierecoach.