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Karriere mit Ausbildung: Aufstieg ohne Studium

Wer Karriere machen will, muss studieren? Von wegen. Auch mit Ausbildung und Weiterbildung kann man in einem Unternehmen aufsteigen, Verantwortung übernehmen oder sich selbständig machen. Daniel Braun*(34) zum Beispiel hat mit einer Fortbildung zum Betriebswirt (IHK) seine beruflichen Weichen so gestellt, dass er künftig Führungsverantwortung übernehmen kann.

Ein Tisch, auf dem zwei Mappen liegen. Daran sitzen zwei Personen, von denen eine Person mit einem Stift in der Hand gestikuliert. Die andere Person ist im Hintergrund leicht unscharf zu erkennen und sitzt regungslos dort. Der Bildausschnitt lässt die Gesichter nicht erkennen.

„Ich hatte das Gefühl, dass ich viel mehr leisten kann“, erzählt Daniel Braun. „Ich wollte die Zusammenhänge, die betriebswirtschaftlichen Aspekte hinter Speditionsaufgaben noch besser verstehen.“ Der 34-Jährige ist gelernter Kaufmann für Speditions- und Logistikdienstleistungen und arbeitet heute mit dem Betriebswirt (IHK) in der Tasche bei einem großen, weltweit operierenden Transportunternehmen als Spezialist für Pharmalogistik in Luxemburg.

Erst Fachwirt, dann Betriebswirt

„Logistikaufgaben gibt es in jedem Industriezweig, deshalb habe ich mich nach dem Abitur ganz bewusst für diesen Beruf entschieden. Die Internationalität, das Organisatorische, das hat mich gereizt. Die Theorie eines Studiums dagegen fand ich abschreckend“, erinnert er sich. Schon nach zwei Jahren Berufserfahrung entschied er sich für eine Fortbildung zum Verkehrsfachwirt (heute: Fachwirt für Güterverkehr und Logistik) und stieg 2011 bei seinem damaligen Arbeitgeber in Saarbrücken zum Teamleiter auf.„Mir war das aber immer noch nicht genug. Ich wollte auch Einblicke in die Unternehmensführung bekommen und mir die Kompetenzen aneignen, die ich brauche, um eine Logistikabteilung in einem größeren Industrieunternehmen leiten zu können“, schildert er.
Sein damaliger Arbeitgeber unterstützte ihn bei seinen weiterführenden Plänen nicht. Also kündigte er und wechselte zu einer Spedition, die ihm ermöglichte, sich berufsbegleitend auf die Prüfungen zum Betriebswirt (IHK) vorzubereiten. „Finanziert habe ich den Lehrgang über ein Aufstiegs-BAföG selbst, aber von den Arbeitszeiten her kam man mir sehr entgegen. Ich musste zwei Mal pro Woche eine Stunde früher gehen, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen“, erinnert er sich.

Karrierechancen auch ohne Studium

Seitdem Daniel Braun* Betriebswirt ist, wird er häufiger von Headhuntern kontaktiert. „Und jeden Job, den ich haben wollte, habe ich bekommen“, sagt er. Seine aktuelle Position in Luxemburg und die spannenden Aufgaben rund um den Transport von pharmazeutischen Gefahrengütern machen ihm sehr viel Spaß. Deshalb forciert er derzeit seinen Aufstieg in eine höhere Leitungsposition nicht. „Es fühlt sich trotzdem gut an, die Möglichkeit zu haben. Diese Option, dieses Ziel im Hinterkopf, das reicht mir für den Moment.“

Die Chancen, dieses Ziel zu erreichen, stehen für Daniel Braun sehr gut – auch ohne Studium. „Der Fachwirt ist formal gleichwertig zum Bachelor und der Betriebswirt zum Master. Solche Abschlüsse sind eine gute Möglichkeit, die Chancen auf eine Führungskarriere zu erhöhen“, erklärt Barbara Hemkes, Weiterbildungsexpertin beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Frank Stumm, stellvertretender Leiter der Weiterbildung der IHK Ulm ergänzt: „Garantien gibt es natürlich keine. Aber laut einer IHK-Umfrage geben 65 Prozent an, beruflich nach einer Fortbildung weitergekommen zu sein.“

Höherer Verdienst und mehr Verantwortung

Eine weitere Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) stützt die Einschätzung der beiden Berufsbildungsexperten: Knapp zwei Drittel aller Unternehmen werteten die Karrieremöglichkeiten von Fortbildungsabsolventinnen und -absolventen im Vergleich zu Akademikerinnen und Akademikern als mindestens gleichwertig; knapp jedes sechste Unternehmen sogar als höherwertig. In einem von fünf Unternehmen erzielen sie ein höheres Gehalt als Akademiker*innen, in mehr als der Hälfte der Unternehmen ist es mindestens gleich hoch.

Barbara Hemkes merkt diesbezüglich dennoch an: „Im Durchschnitt sind die Bildungsrenditen von Studienabschlüssen höher, so nennen wir das, was man im Laufe seines gesamten Erwerbslebens verdient. Wenn man sich aber bestimmte Teilbereiche anschaut, dann stellt man fest, dass beruflich Qualifizierte durchaus Einkommen erzielen, die mit denen von Akademikern vergleichbar oder sogar noch höher sind.“

Fortbildungen auch für Handwerk und technische Berufe

Neben Fortbildungen im kaufmännischen Bereich, die über eine Fachwirtin/einen Fachwirt oder Fachkauffrau/Fachkaufmann zur Betriebswirtin/zum Betriebswirt führen, gibt es entsprechende Abschlüsse für gewerblich-technische Berufe und fürs Handwerk. „Für diese Berufe sind die Aufstiegsfortbildungen zum Meister oder Techniker interessant“, erklärt Simone Pfeifer vom Weiterbildungsteam der Agentur für Arbeit in Suhl. „Der Handwerksmeister und der Bachelorabschluss sind im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf demselben Niveau eingestuft“, ergänzt Katja König, Referatsleiterin Berufsausbildung bei der Handwerkskammer für Ostthüringen. Und wer noch mehr Führungs- oder strategische Verantwortung anstrebt, der kann mit der Technikerin/dem Techniker oder Meister/in in der Tasche im Anschluss Betriebswirt/in werden.

„Manche Arbeitgeber bieten ihren Auszubildenden mit Hochschulreife an, die Ausbildung mit einer Aufstiegsqualifizierung gleich zu kombinieren. So ist es möglich, schon in drei Jahren den Fachwirt in der Tasche zu haben“, erklärt Frank Stumm von der IHK Ulm und weist darauf hin, dass Arbeitgeber*innen mit solchen Modellen auch versuchen, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Zeit des Verzichts

Wer sich für eine Fortbildung entscheidet, dem muss bewusst sein, dass ein hohes Lernpensum wartet und dass das Privatleben möglicherweise in dieser Zeit viel zu kurz kommt, betont Simone Pfeifer vom Weiterbildungsteam der Agentur für Arbeit in Suhl. Ihre Kollegin Kerstin Bracke ergänzt: „Unabhängig von der Unterrichtsform – Vollzeit, Teilzeit oder Selbststudium – man braucht Durchhaltevermögen, Motivation, Zeitmanagement und Selbstorganisation.“

Dazu kommt die finanzielle Belastung. „Aus meiner Erfahrung heraus ist es eher die Ausnahme, dass Arbeitgeber die Kosten für anerkannte Fortbildungsmaßnahmen tragen. Und wenn, dann verlangen sie, dass sich der Arbeitnehmer mehrere Jahre an das Unternehmen bindet“, weiß Frank Stumm. Simone Pfeifer und Kerstin Bracke ergänzen einstimmig: „Aus unserer Beraterpraxis können wir ableiten, dass es zumindest eine Zahl von Arbeitgebern gibt, die ihre Mitarbeiter, wenn nicht monetär, so doch durch Arbeitszeitverlagerung oder -freistellung unterstützen.“

Finanzspritze vom Staat

Außer dem/der Techniker/in an staatlichen Fachschulen sind alle Lehrgänge, die auf eine anerkannte IHK- oder Handwerkskammerprüfung vorbereiten, kostenpflichtig. „Je nach Abschluss, Dauer und Bildungsträger kostet das zwischen 3.000 und 9.000 Euro, wobei es nicht immer so ist, dass die Kurse der Kammern günstiger sind als die der privaten Anbieter“, erläutert der IHK-Experte und weist auf das Aufstiegs-BAföG hin, ein rückzahlungsfreier Zuschuss von 50 Prozent auf Lehrgangskosten und Prüfungsgebühren. Gefördert werden alle Fortbildungen, die fachlich gezielt auf öffentlich-rechtliche Prüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder auf gleichwertige Abschlüsse nach Bundes- oder Landesrecht vorbereiten.

Zudem gibt es die Möglichkeit, ein Weiterbildungsdarlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufzunehmen. Mit diesem kann der Lebensunterhalt bestritten werden, wenn man sich etwa für einen Vollzeitkurs entscheidet und kündigen muss. Nach einem besonders erfolgreichen Abschluss einer Erstberufsausbildung ist es auch möglich, ein Stipendium der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (sbb) zu erhalten. „Des Weiteren gibt es länderspezifische Förderprogramme wie z. B. der Weiterbildungscheck des Landes Thüringen. Und unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Förderung über die Agentur für Arbeit in Frage kommen“, ergänzt Simone Pfeifer.

Welches ist der richtige Weg für mich?

Bevor man sich mit diesen Fragen beschäftigt, gilt es aber zuerst, das geeignete Fortbildungsziel und den passenden Vorbereitungskurs für sich herauszufinden – im Dschungel von hunderten von Möglichkeiten und unterschiedlichen Abschlüssen ist das gar nicht so einfach. Kerstin Bracke empfiehlt deshalb: „Die Auswahl der richtigen Weiterbildung ist von vielen Faktoren abhängig. Generell bedarf es immer einer individuellen Beratung.“ Daniel Braun hat inzwischen eine weitere Weiterbildung für sich gefunden: Um in seiner Branche auf dem neuesten Stand zu bleiben, absolviert er derzeit die Weiterbildung zum Logistikmanager (IHK), die er im April 2022 abschließen will.

* Name von der Redaktion geändert.

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 ausführlichen Berufsbeschreibungen in Text und Bild.

berufenet.arbeitsagentur.de

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

www.bibb.de

Berufsausbildung und mehr

Ausbildungssuche der Bundesagentur für Arbeit

web.arbeitsagentur.de/ausbildungssuche

Industrie- und Handelskammern

www.ihk.de

Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

www.zdh.de

Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit

www.arbeitsagentur.de/jobsuche