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Studieren mit Kind: Herausforderung und Chance zugleich

Kann das funktionieren? Diese Frage stellen sich schwangere Studentinnen genauso wie Mütter und Väter, die neben der Betreuung ihrer Kinder ein Studium absolvieren oder es vorhaben. Die Antwort: Es ist eine Herausforderung, aber es gibt gute Unterstützungsmöglichkeiten.

Ein junger Mann hilft zwei Kindern beim Schuhe anziehen.

Wenn Lara Stratonowitsch zu Hause an ihrer Bachelorarbeit sitzt, kann es turbulent um sie herum zugehen. Drei kleine Töchter hat sie zusammen mit ihrem Freund Gustav (28), der bis vor Kurzem ebenfalls an der FH Potsdam in Vollzeit studiert hat. Nach seinem Bachelorabschluss ist er als Interfacedesigner ins Berufsleben gestartet und seither zeitlich weniger flexibel. „Deswegen bin nun vor allem ich zuständig, wenn die Kinder krank oder gerade Schulferien sind und es daher weniger Betreuungsmöglichkeiten gibt“, erzählt die 28-Jährige, die den Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ absolviert. Zuvor hatte sich das Paar abgewechselt – je nachdem, wer von beiden sich gerade mehr auf das Studium konzentrieren musste.

  • Porträt von Lara Stratonowitsch

    Das Positive am Studium ist, dass man nicht täglich von zum Beispiel 8 bis 16 Uhr anwesend sein muss. Unsere Dozierenden haben auch sehr viel Verständnis dafür, wenn man wegen der Kinder mal nicht zu einer Lehrveranstaltung erscheinen kann oder eine Klausur verschieben muss.

    Lara Stratonowitsch hat drei Kinder und studiert.

Mit drei Töchtern bis zum Studienabschluss

Eins, fünf und sieben Jahre alt sind die Kinder inzwischen. Von den eben genannten Ausnahmefällen abgesehen, werden sie in Tagesbetreuung, Kita, Schule und Hort betreut. Dennoch gibt es für die Eltern vieles zu organisieren, weil unter anderem das Hinbringen und Abholen koordiniert werden muss. „Es gibt für uns immer noch sehr anstrengende, stressige Phasen, besonders bei Krankheitsfällen“, stellt Lara Stratonowitsch fest, die auf ihre Elternzeit verzichtet hat und eine zuvor begonnene Berufsausbildung beenden musste, weil sich diese zeitlich nicht gut mit dem Familienleben vereinbaren ließ. „Das Positive am Studium ist, dass man nicht täglich von zum Beispiel 8 bis 16 Uhr anwesend sein muss. Unsere Dozierenden haben sehr viel Verständnis dafür, wenn man wegen der Kinder mal nicht zu einer Lehrveranstaltung erscheinen kann oder eine Klausur verschieben muss.“ Wenn es mal eng wird, spricht sie es offen an.

Auch die unterstützenden Angebote der Hochschule helfen dem Elternpaar weiter, etwa eine Ferienbetreuung für Schulkinder. Diese möchte die Studentin im Sommer erneut nutzen, wenn sie in den letzten Zügen ihrer Bachelorarbeit steckt und die Tagesmutter Urlaub hat. Eine Herausforderung war und ist das Zusammenleben der jungen Familie in der Zweiraumwohnung: zu fünft auf 65 Quadratmetern, obendrein hat das Wohnzimmer eine Glaswand mit Glastür. Umso mehr müssen Mutter und Vater sich organisieren, damit beide hin und wieder die nötige Ruhe für sich finden können.

Damit die junge Familie finanziell über die Runden kommt, wird Lara von ihren Eltern unterstützt. Hinzu kam BAföG, weil Gustav während seines Studiums die Voraussetzungen erfüllte. Dabei konnte er als leiblicher Vater zusätzlich den Kinderbetreuungszuschlag geltend machen, der bei 160 Euro monatlich pro Kind liegt. Bei ihrem Wohngeldbezug konnten die beiden ebenfalls einen Zuschlag wegen der Kinder in Anspruch nehmen. „So konnten wir studieren, ohne nebenbei noch jobben zu müssen. Das hat es für uns etwas leichter gemacht.“

Rat und Unterstützung

Mittlerweile haben sich wohl fast alle staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland auf die Bedürfnisse von Studentinnen und Studenten mit Nachwuchs oder Kinderwunsch eingestellt. Es gibt in der Regel ein Familienbüro oder eine vergleichbare Anlaufstelle, oft auch eine interne Kita und Eltern-Kind-Räume wie etwa an der Technischen Universität (TU) Darmstadt. „Zu uns kommen Schwangere, die sich fragen, ob es überhaupt möglich ist, mit Baby zu studieren, außerdem Studentinnen und Studenten, die bereits eigene Kinder haben“, berichtet Gabriele Pfeiffer von der Servicestelle Teilzeitstudium, Studieren mit Kind. „Oft können wir ihnen die Sorgen nehmen.“ Ihr Team hilft weiter bei allen relevanten Fragen etwa zur Organisation und Finanzierung des Studiums sowie zur Vereinbarkeit von Praktika oder Auslandssemester mit Nachwuchs. Für Fragen zur Kinderbetreuung gibt es an dieser Hochschule eine extra Servicestelle Familie. Studierende können dort neben zwei Kitas eine Notfallbetreuung mit ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern nutzen, etwa wenn eine Klausur ansteht. „An anderen Hochschulen gibt es zum Beispiel stattdessen eine Babysitter-Vermittlung, die Angebote können also durchaus variieren. Wer schon absehen kann, während des Studiums eigene Kinder versorgen zu müssen, sollte sich am besten frühzeitig informieren“, rät die Expertin.

Gewisse Grenzen gibt es beim Auslandssemester. „Ob es möglich ist, hängt stark vom Zielland und den Angeboten der dortigen Hochschulen ab, denn darauf haben wir natürlich keinen Einfluss“, erklärt Gabrielle Pfeiffer. „Innerhalb der EU mit Erasmus-Programm ist es einfacher, während es zum Beispiel bei Ländern wie Vietnam schon am Visum scheitern kann.“ Auch innerhalb Europas gibt es große Unterschiede. In Italien oder Spanien ist es bisher eher unüblich, mit Kind zu studieren, daher haben die dortigen Hochschulen kaum unterstützende Angebote. Ganz anders in Frankreich: Hier können auch ausländische Studierende ihre Kinder in die öffentliche Betreuung geben. „Ich kenne eine alleinerziehende Studentin, die mit Kind in Frankreich war und so glücklich zurückgekehrt ist, dass sie wieder dorthin möchte.“

Auch das Studienfach spielt eine Rolle

Ob es eher einfach oder schwieriger ist, Studium und Familie unter einen Hut zu bekommen, hängt laut Gabriele Pfeiffer auch vom gewählten Fach ab. „Ein Baby in eine Vorlesung oder ein Seminar mitzunehmen, ist mittlerweile an vielen Hochschulen kein Problem – vorausgesetzt natürlich, die Mutter oder der Vater verhält sich dabei rücksichtsvoll und verlässt den Raum, falls das Kind laut wird.“ Allerdings gibt es Grenzen, etwa bei Chemie oder Sport. Aus Sicherheitsgründen ist das bei Praxis im Labor oder beim Training in der Halle nicht machbar. Es kommt auch auf das Kind an, ob es gut klappt, weiß sie aus Erfahrung. „Bei uns war zum Beispiel mal eine alleinerziehende studentische Hilfskraft, die ihr komplettes Biologiestudium mit Kind gemacht hat, von Geburt an bis zum Kita-Alter. Dieses Kind war sehr geduldig und hat zum Beispiel anderthalb Stunden gemalt. Ob eine solche Situation einen stresst oder man sich dabei gut auf das Lernen konzentrieren kann, hängt von einem selbst ab.“

Erfahrungen wie diese tauschen Studierende der TU Darmstadt in einem Moodle-Kurs der Servicestelle aus, der allen betroffenen Personen offensteht. Sie erfahren hier einiges zu Themen wie Kinderbetreuung, Freizeitgestaltung, Finanzen oder Erwerbstätigkeit. Darüber hinaus werden Veranstaltungen und Vernetzungstreffen für die Kursteilnehmenden angeboten. Insgesamt, resümiert Gabriele Pfeiffer, ist es zwar eine Herausforderung mit Kind(ern) zu studieren, doch der Nachwuchs kann sich genauso als treibende Kraft erweisen. „Nach unserer Erfahrung sind viele Studierende motivierter, wenn sie ein Kind haben. Schließlich kommt es dann umso mehr darauf an, einen guten Abschluss, entsprechende Job- und Verdienstmöglichkeiten zu haben, um die Familie finanzieren zu können.“

Vieles ist machbar, gerade weil sich ein Studium recht flexibel gestalten lässt. „Lehrveranstaltungen können etwa auf das folgende Semester verschoben und Freiräume geschaffen werden. Grundsätzlich ist eins beim Studieren wichtig – umso mehr, wenn Kinder mit im Spiel sind: Man muss sich gut organisieren können und das Studium wirklich durchziehen wollen“, betont Gabriele Pfeiffer. „So weit wie möglich unterstützen dabei die jeweiligen Ansprechpartner der Familienbüros oder Servicestellen.“