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Auf dem Bau arbeiten ist nichts für Frauen. Wer hat diesen veralteten Satz nicht schon einmal gehört? Im abi» Podcast erklärt Ausbaumanagerin Annika Fuchs, warum dieses und andere Vorurteile längt überholt sind und welche beruflichen Möglichkeiten es in der Baubranche gibt.
Für mich war es als Kind normal, dass jeder zu Hause einen Akkuschrauber, eine Bohrmaschine, einen Gabelstapler und einen Transporter hat.
Annika Fuchs arbeitet als Ausbaumanagerin auf Baustellen.
abi», dein Podcast für die Berufsorientierung
abi» Herzlich willkommen zum abi» Podcast. Mein Name ist Klaus und ich habe mich heute mit der Ausbaumanagerin Annika Fuchs unterhalten. Auf dem Bau arbeiten ist nichts für Frauen. Wer hat diesen veralteten Satz nicht schon einmal gehört? Manche Vorurteile halten sich hartnäckig, obwohl sie schon lange überholt sind. Ich möchte heute im abi» Podcast erfahren, welche Vorurteile es noch gibt, welche Herausforderungen sich dadurch ergeben und welche Berufsmöglichkeiten es in der Baubranche gibt. Hallo Frau Fuchs.
Annika Fuchs: Hallo Herr Harfmann.
abi» Gleich mit der ersten Frage steige ich mal ein: Frauen interessieren sich in der Regel weniger für Berufe in der Baubranche als Männer. Stimmt das?
Annika Fuchs: Ich würde jetzt mal spontan sagen: Nein. Wobei wenige Frauen eben die Berufe wählen. Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass ganz viele Leute einfach zu wenig Berührungspunkte haben. Ich hätte den Beruf auch nicht gewählt, hätte ich nicht zu Hause jemanden gehabt, der auch schon in dem Beruf arbeitet, und nicht gewusst hätte: Was ist das überhaupt für einen Beruf? Und ich glaube, bei ganz vielen Leuten ist es einfach so, dass sie eben zu viel Respekt vor körperlicher Arbeit haben. Und dann ist es halt doch noch eine Männerbranche und man hat wenig Ahnung vom Gesamtthema Bau.
abi» Und Sie haben dann Familienmitglieder, die in der Branche arbeiten?
Annika Fuchs: Ja, mein Onkel und mein Vater haben zusammen einen Betrieb, wobei ich sagen muss, dass ich als Kind da nie mitgearbeitet habe. Also dieses typische "die ganze Familie muss mal mit anpacken" , das gab es bei uns gar nicht. Aber ich wusste halt, also für mich war es als Kind normal, dass jeder zu Hause Akkuschrauber hat und Bohrmaschine und einen Gabelstapler und einen Transporter. Also das war total normal für mich. Ja, das erleichtert einfach den Einstieg in die Baubranche. Definitiv.
abi» Das glaube ich gern. Warum haben Sie sich denn dann für die Ausbildung, für Ihren Beruf entschieden?
Annika Fuchs: Also, nachdem ich das erste Praktikum in einem sozialen Bereich gemacht habe, habe ich feststellen müssen, dass soziale Berufe gar nichts für mich sind. Das kam gar nicht infrage. Und dann wollte ich eigentlich ganz lange Konditorin warden. Ich hab da auch ein Praktikum gemacht und musste feststellen, dass ich nicht jeden Morgen um 5 Uhr einen Kuchen backen will und jeden Tag den gleichen. Das war einfach nix. Ich habe dann mein Abi fertig gemacht und stand dann wieder vor der Wahl. Was mache ich denn jetzt eigentlich? Wollte dann irgendwas in Richtung Physik machen. Und dann kam mein Vater irgendwann mal abends von der Sitzung nach Hause mit einem Flyer vom Ausbaumanager. Also das, was ich am Schluss auch gemacht habe. Und beim Ausbaumanager macht man eben die Lehre als Stuckateurgesellin, setzt hinten dran den Meister drauf und macht noch den Energieberater dazu. Und beim Thema Energieberater hatte er mich dann, weil ich mir gedacht habe, ach cool, dann mach ich ja Physik im Alltag und das ist besser oder leichter wie jetzt ein Studium und ich habe halt was in der Hand. Und daraufhin habe ich dann ein Praktikum gemacht und musste feststellen, dass so richtig arbeiten mit meinen Händen mir echt Spaß macht. Und so bin ich dann bei dem Beruf gelandet.
abi» Welche Herausforderungen bringt der Beruf denn so ganz allgemein mit sich?
Annika Fuchs: Also ich glaube, eines der größten Problem ist natürlich unser Fachkräftemangel. Was wir momentan in jeder Branche spüren, dass es halt immer weniger Fachleute gibt und dass man ganz oft eben zum Beispiel mit Sprachbarrieren zu kämpfen hat. Man muss auch ganz klar sagen, wir haben auch schlechte Tage. Also heute stand ich bei sieben Grad den ganzen Tag draußen und habe mir einen abgefroren und das gehört halt leider mit dazu. Aber so ist es halt einfach. Und es ist ja generell in der Baubranche so. Je nachdem, wie weit man eben aufsteigt.
Also wenn man später mal einen eigenen Betrieb übernimmt oder so, dann muss man sich halt auch viel damit auseinandersetzen. Es gibt immer wieder rechtliche Neuerungen oder neue Gesetze und da muss man halt schon echt auf Zack bleiben, dass man da überall mit drin bleibt, was aber, glaub ich, ja in allen anderen Berufen ähnlich ist, also dass man sich immer weiterbilden muss und so.
Ja und sonst haben wir halt also so generell, also zum Thema Frauen, was für uns spezifische Herausforderungen sind. Ich glaube, im Stuckateurhandwerk haben wir ähnliche Herausforderungen wie zum Beispiel als Zimmerer. Also so ganz genau kann man das eben nicht sagen. Aber wir sind halt eben auf Kollegen angewiesen, die uns teilweise helfen zu tragen, was ja aber für beide Parteien einfach schonender ist. Das ist einfach so, wenn man was zusammen trägt, ist es halt besser für einen.
Dann habe ich mit einer Freundin geredet, die auch auf dem Bau schafft, das gleiche gemacht hat wie ich, und die meinte, was sie immer total ätzend findet, sind die dummen Kommentare, meistens von anderen Leuten aus anderen Gewerken. Da kommst du als Frau auf die Baustelle und dann heißt es auch Frauen gehören hier nicht hin oder so, also wir müssen ganz arg dran arbeiten, dass das aufhört, weil meistens die Leute in dem Betrieb, wo man gelernt hat oder jetzt arbeitet, die sind da alle relativ offen. Aber ja, oft heißt es halt: Ihr habt ja eine Frau im Betrieb, weil die sich auf den Werbeplakaten besser macht. Das ist halt einfach nicht so, wir können genauso anpacken wie alle anderen. Was sie noch gemeint hat, ist halt so generell Gerüstbau, was leider auch zu unserem Beruf gehört, da sind die meisten Frauen einfach ein bisschen zu klein dafür. Das ist halt immer so eine Sache, aber wie oft macht man das? Und ja, also da hat man auch starke, große Kollegen, die einem helfen können.
abi» Ja, Sie haben es gerade schon erwähnt: mit anpacken. Das wäre ja auch noch so ein Klischee, so ein Vorurteil: Auf dem Bau muss man weniger denken und mehr anpacken. Stimmt das?
Annika Fuchs: Also, wenn ich ganz ehrlich bin, dachte ich am Anfang auch: Ja, entspannt. Ich mache jetzt eine Gipserlehre, da muss ich mich gar nicht so anstrengen. Ich komme ja vom Abi, also kann ich das alles. Und dann kam ich ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück und dachte mir so: Okay, wow, das ist ja echt anspruchsvoller, wie ich gedacht hätte, was man alles beachten muss und wie viel da eigentlich dranhängt. Das ist echt krass. Und die meisten Leute, die eben so was sagen wie: Auf dem Bau braucht man ja nicht nachdenken. Die merken das dann, wenn sie auf einmal Bauschäden haben. Ich meine, wie oft hört man, dass es irgendwo auf einmal anfängt zu schimmeln, oder, dass es undicht ist und irgendwo reinregnet oder sonst was ist, dass Putze auf einmal abfallen oder man ständig die Nachbarn hört, die unter einem reden. Das sind alles so Sachen, das gehört alles mit dazu.
Und allein für die Ausbildung braucht man einfach schon so ein bisschen Grundverständnis von Chemie und Physik. Was die meisten uns gar nicht zutrauen, sag ich jetzt mal. Also von dem her, man muss auch auf dem Bau viel nachdenken. Und auch ich als Abiturientin. Ich stehe ganz oft da und weiß nicht mehr weiter, weil das einfach Detaillösungen sind, die man auch in keinem Lehrbuch findet. Dann muss man einfach selber auf eine Lösung kommen und das halt ständig und aber auch dann direkt. Es wird dann direkt von einem verlangt, dass man jetzt einen Lösungsvorschlag macht und das ist halt schon was richtig Cooles, was den Beruf super spannend macht, aber auch anstrengend.
abi» Ja, das glaube ich. Welche Möglichkeiten haben Sie denn in Ihrem Beruf, um sich weiterzuentwickeln?
Annika Fuchs: Also ganz allgemein, wie ich vorher erwähnt habe, ich habe jetzt schon den Meister gemacht. Aber das ist ja so das, was die meisten Leute dann irgendwann mal anstreben, dass man halt den Gesellen macht und danach eben als Vorarbeiter eingesetzt wird und dann irgendwann den Meister macht. Und dann kann man sich natürlich überlegen, ob man vielleicht später irgendwann mal einen Betrieb übernehmen möchte.
Momentan haben wir die Situation, dass ganz viele Betriebe einen Nachfolger suchen. Die haben schon einen Kundenstamm, die haben schon das normale Alltagsgeschäft, die haben schon eine Firma da, das ist alles schon geregelt, aber die finden einfach keinen Nachfolger und dann machen die meisten Betriebe einfach irgendwann zu. Also von dem her: Betriebsübernahme und dann eigenständig sein, also selbstständig, das wäre vielleicht mal ein Ziel.
Und dann kann man natürlich noch Weiterbildungen machen. Also im Handwerk, da stehen einem wirklich die Türen offen. Also mein nächstes großes Ziel ist zum Beispiel der Restaurator, den ich irgendwann mal noch machen möchte. Dann bin ich ja schon Energieberaterin. Farbberater kann man noch machen. Man kann natürlich auch später irgendwann mal in die Bauleitung einsteigen. Dann gibt es zum Beispiel noch den Raumklimaberater. Mit dem Meister kann man sich auf ein Studium bewerben, zum Beispiel in Bauphysik oder Architektur. Also ich glaube, Möglichkeiten gibt es wirklich genug, sich da noch weiterzuentwickeln.
abi» Ja, sehr schön. Dann bedanke ich mich direkt für dieses tolle Interview.
Annika Fuchs: Ja, da danke ich Ihnen.
abi» Und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Annika Fuchs: Dankeschön. Wünsche ich Ihnen auch.
abi» Wenn du dich für Berufe in der Baubranche interessierst, findest du dazu Reportagen auf abi.de in der Rubrik Ausbildung bei Berufsfelder > Bau, Architektur, Vermessung. Das war dein abi» Podcast. Redaktion und Produktion Klaus Harfmann für den Meramo Verlag im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit.
Die Webseite der Bundesagentur für Arbeit bietet über 3.000 aktuelle Berufsbeschreibungen in Text und Bild.
Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit listet 350 Filme über Ausbildungsberufe und Studiengänge.
In der Ausbildungsplatzsuche der Bundesagentur für Arbeit kannst du nach dualen Ausbildungsplätzen in ganz Deutschland suchen.
Stand: 12.12.2022
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