Mit Abitur ins Handwerk:
Mit den eigenen Händen zum Erfolg
Viele gelernte Handwerker/innen sind heute erfolgreiche Unternehmer/innen oder Manager/innen in Führungspositionen. Ihr Beispiel zeigt: Es lohnt sich, über eine Ausbildung in einem handwerklichen Betrieb nachzudenken. Gesucht werden zunehmend Leute, die im Zuge der Digitalisierung, Globalisierung und des Klimawandels komplexe Zusammenhänge souverän meistern können. Genau diese Kompetenz bringen viele Abiturientinnen und Abiturienten mit.
Nach dem Abitur direkt ins Studium einzusteigen wäre Maxim Kuhn zu theoretisch gewesen. „Ich wollte gleich etwas Praktisches machen. Der Beruf Mechatroniker mit seinen technischen Inhalten hat mich besonders interessiert“, sagt er. Mittlerweile ist der 21-Jährige im dritten Lehrjahr und oft auf Baustellen unterwegs.
Der angehende Mechatroniker kombiniert seine Ausbildung mit einer Qualifikation zum Aufzugsmonteur bei der international tätigen Otis Elevator Company. „Wir waren zuerst für zwei Wochen am Standort Oslo für eine Einweisung in die grundlegenden Techniken. Dann wurden wir jeweils einem Monteur zugewiesen, mit dem wir auf verschiedenen Baustellen in der Region Dortmund arbeiten“, erzählt er.
Auf den Baustellen erlebt er, wie ein neues digitales Werkzeug zum Einsatz kommt: Mit der Field-Mobility-App werden unter anderem Fehlerdiagnosen gestellt, Aufzugsdaten erfasst, Aufträge verwaltet und Reparaturen im Vorfeld geplant. Auch beim Kontakt zu Kundinnen und Kunden sowie Kolleginnen und Kollegen kommt die App zum Einsatz. „Die App wird gerade eingeführt und je nach Monteur schon mehr oder weniger häufig angewendet“, erklärt Maxim Kuhn. Dies zeigt: Die Arbeitswelt von Handwerkerinnen und Handwerkern wandelt sich.
Die Digitalisierung, technologische Innovationen, der Umwelt- und Klimaschutz verändern Arbeitsprozesse – neue Geschäftsmodelle entstehen. Produktion, Wartung und Vertrieb verschmelzen mit der Informationstechnik. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird intensiviert. „Ein Beispiel aus dem Handwerk ist Smart Home. Es verändert die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ebenso wie das Bauhandwerk“, erklärt Katja König, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und Referatsleiterin Berufsausbildung bei der Handwerkskammer für Ostthüringen.
Bei Maxim Kuhn ist es das Thema Industrie 4.0 und das Internet der Dinge, das ihn als angehenden Mechatroniker und Aufzugsmonteur zunehmend beschäftigen wird. Deshalb wurde der Ausbildungsberuf vor einigen Jahren umfassend modernisiert: Neben Steuerungs-, Regelungs- und Installationstechnik oder Metallbearbeitung rücken Inhalte wie Datenbankpflege, Programmierung, Datenschutz und Informationssicherheit in den Fokus des Berufsschulunterrichts.
Maxim Kuhn besuchte die Berufsschule in den ersten drei Jahren seiner Ausbildung in zweiwöchigen Blöcken. „Im letzten halben Jahr haben wir immer donnerstags Berufsschule und werden dabei auf die Abschlussprüfung vorbereitet“, erklärt er. Mit einer Übernahme nach seinem erfolgreichen Abschluss kann Maxim Kuhn rechnen. „Mein Ziel ist, nun erst einmal den Festvertrag zu bekommen. Später möchte ich mich gern berufsbegleitend zum Techniker für Maschinenbau oder Elektrotechnik weiterbilden“, schildert er.
Einen Fuß in die Tür bekommen, sich kontinuierlich weiterbilden und Schritt für Schritt die Karriereleiter aufsteigen – das ist ein Weg, der sich auch für Abiturientinnen und Abiturienten lohnt. „Eine duale Ausbildung im Handwerk bedeutet durch die Bindung an das Unternehmen einen direkten Praxisbezug und gute Übernahmechancen. Das ist besonders für Abiturientinnen und Abiturienten geeignet, die nicht immer nur lesen, lernen und ausarbeiten, sondern am Tagesende auch ein konkretes Ergebnis sehen möchten. Mit Abitur kann man häufig die Ausbildung um zwölf Monate verkürzen, wenn sich Betrieb und Auszubildende entsprechend einigen. Und: Man verdient von Anfang an eigenes Geld, während bei einem Studium schon die Finanzierung für manche Grenzen setzen kann“, fasst Katja König zusammen.
Die Expertin ist der Meinung, dass jeder Handwerksberuf für Abiturientinnen und Abiturienten attraktiv sein kann. „Alle Branchen des Handwerks bieten interessante Perspektiven und Möglichkeiten. Letztlich hängt es von den persönlichen Vorlieben und Zielen ab. Dennoch gibt es Berufe, für die sich Schulabgänger mit höheren Abschlüssen häufiger interessieren. Hier muss man aber auch vorsichtig sein mit Klischees. Einen Eindruck sollte sich jeder selbst verschaffen, dabei können Praktika hilfreich sein“, betont sie.
Je nach Region ist es oft möglich, die Ausbildung von Anfang an mit einer Zusatzqualifikation zu kombinieren. „In Thüringen haben wir zum Beispiel gerade ein schönes Projekt, bei dem Abiturienten während der Ausbildungszeit die Teile III und IV der Meisterprüfung absolvieren können, also den wirtschaftlich-rechtlichen Teil und die Ausbildereignungsprüfung.“
Es gibt zudem die Möglichkeit, eine Handwerksausbildung mit einem Studium zu kombinieren oder im Rahmen eines sogenannten trialen Studiums den Meistertitel gleich mit zu erwerben. In anderen Regionen kooperieren die Handwerkskammern mit den Industrie- und Handelskammern, um kaufmännische Zusatzqualifikationen wie zum Beispiel Europaassistent/in anzubieten.
Wer den Gesellenbrief in der Tasche hat, kann schnell eine verantwortungsvolle Position übernehmen, ein Team leiten, eine Weiterbildung zum/zur Techniker/in oder Meister/in dranhängen und sich selbstständig machen. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks sucht derzeit etwa jede/r vierte Betriebsinhaber/in eine/n Firmennachfolger/in. „Was relativ neu ist und viele nicht wissen: Der Meistertitel und der Bachelorabschluss sind im so genannten Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf demselben Niveau eingestuft“, erläutert die Expertin. Dies trifft für den Techniker ebenfalls zu. Auch ein Bachelorstudium ist nach der Handwerksausbildung möglich.
So oder so sind die Perspektiven, einen Ausbildungsplatz und im Anschluss einen sicheren Arbeitsplatz im Handwerk zu finden, gut. Dieses bildet mit rund einer Million Betrieben, in denen rund 5,7 Millionen Erwerbstätige beschäftigt sind, das Rückgrat des deutschen Mittelstands. Das Handwerk erzielte 2022 einen Umsatz von 735 Milliarden Euro, das ist ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Darüber hinaus ist das Handwerk „Ausbilder der Nation“: Von A wie Augenoptikerin bis Z wie Zweiradmechaniker – das Handwerk bietet mehr als 130 Ausbildungsberufe aus den Bereichen Bau, Holz, Metall/Elektro, Bekleidung, Nahrung, Gesundheit, Glas und Papier an.
„Grundsätzlich stehen die Arbeitsmarktchancen im Handwerk gut, klagen doch immer mehr Unternehmen über Nachwuchsmangel“, erklärt Claudia Suttner vom Team Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit. So blieben 2023 von 110.000 rund 20.000 gemeldete Ausbildungsstellen im Handwerk unbesetzt. Zum Beispiel in der Herstellung und im Verkauf von Lebensmitteln oder in Bau- und baunahen Berufen wie in der Energietechnik oder der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Dort bestanden 2023 besonders gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
Die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten, die eine Ausbildung im Handwerk absolvieren, ist in den letzten Jahren gestiegen auf zuletzt 20.000. Trotzdem ist ihre Zahl vergleichsweise gering: 2022 entfielen nur 16 Prozent der Ausbildungsverträge im Handwerk auf Abiturientinnen und Abiturienten. „Wer sich dann mit Abitur und einer Handwerksausbildung in der Tasche gezielt weiterbilden will, dem stehen alle Wege offen: zum Beispiel eine Meisterausbildung oder auch ein Bachelorstudium", zeigt Claudia Suttner auf.
BERUFENET
Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.000 ausführlichen Beschreibungen in Text und Bild.
www.arbeitsagentur.de/berufenet
BERUFE.TV
Das Filmportal der Bundesagentur für Arbeit mit mehr als 300 Filmen über Ausbildungs- und Studienberufe.
www.berufe.tv
Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
www.zdh.de
Berufsprofile im Handwerk
Website des Deutschen Handwerkskammertags (DHKT)
www.handwerk.de
Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk
www.zwh.de
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